Bäcker schwört bei Gott: Ich war es nicht (02.04.08)
Nach dreieinhalb Stunden Plädoyer hat die Verteidigerin von Alfred B. Freispruch für den Bäcker gefordert. "Es gibt erhebliche Zweifel an seiner Schuld. Sie sind so gravierend, dass sie einen Schuldspruch nicht tragen", sagte Anke Stiefel-Bechdolf. Am Ende brach der Angeklagte sein Schweigen vor dem Stuttgarter Landgericht. Am 10. April wird nun das Urteil fallen

Stuttgart/Siegelsbach - Es war eine bemerkenswerte Szene: Am Ende, als seine Verteidiger Freispruch für ihn beantragt hatten, stand der Angeklagte auf. „Ich habe in meinem Leben einige Fehler gemacht“, sagte Alfred B. (50) mit ruhiger Stimme vor dem Stuttgarter Landgericht. Er habe aber niemals einen Bankraub oder Mord begangen. Dann hob er die rechte Hand: „Und das schwöre ich bei Gott.“ Dreieinhalb Stunden hatte Anwältin Anke Stiefel-Bechdolf zuvor für ihr Plädoyer benötigt. Fazit: „Es gibt erhebliche Zweifel an seiner Schuld. Sie sind so gravierend, dass sie einen Schuldspruch nicht tragen.“
Kein Tatmotiv Die zwei überlebenden Tatopfer hätten den angeklagten Bäcker nicht sicher erkannt. Die Anwältin verwies auf Widersprüche in den Aussagen der „schwer traumatisierten Zeugen“, auf eine „subjektive Sicherheit“, die sich auch durch Fremdinformationen erst verfestigt habe. Eine genau Täterbeschreibung habe der Rentner „nicht liefern“ können. Erhebliche Zweifel meldete sie am Erinnerungsvermögen des Bankangestellen an.
Einen Fußtritt aus der Hocke gegen den Bauch des Täters – Alfred B. hatte am Bauch einen Bluterguss – habe der Zeuge erstmals im Stuttgarter Prozess im Detail geschildert. „Es gibt kein Tatmotiv“, widersprach die Anwältin Aussagen über eine desaströse finanzielle Lage ihres Mandanten. „Es gab kein Enddatum bei der Bank, keine Mahnverfahren, keine Vollstreckung.“ Den Schulden hätten Immobilien und Lebensversicherungen gegenüber gestanden. Auch das beim Bäcker gefundene Geld ist für die Verteidigung „kein Indiz für die Täterschaft“. Er habe auf einen Jagdbus gespart. Zudem habe die Polizei 2080 Euro mehr gefunden als die Tatbeute in der Bank betragen habe.
Kritik an Ermittlern Die Tatwaffe? Sie wurde nie gefunden. Auch für die stecknadelkopfgroße Blutspur mit einer Teil-DNA des Bankangestellten, die im Jagdfahrzeug des dreifachen Familienvaters entdeckt wurde, hat Stiefel-Bechdolf eine „vernünftige Erklärung“. Ermittler, die zwischen Tatort und Bäcker-Grundstück gependelt seien, hätten diese Spur unfreiwillig übertragen. Schließlich sei es Alfred B. nach Zeugenaussagen auch zeitlich gar nicht möglich gewesen, zur Tatzeit die Bank zu erreichen. Der unauffällige, normale Mensch, der Bäcker B. und die extrem grausame Tat? „Wir haben hier keine Bestie.“
Einen Freispruch fordert auch Verteidigerkollege Achim Bächle. Der Angeklagte „ist der Tat nicht überführt“. Die Indizienkette der Staatsanwaltschaft habe „ganz erhebliche Lücken“. Zu jedem belastenden Indiz sei auch eine entlastende Erklärung vorhanden. Die Ermittlungen der Polizei nannte Bächle einseitig und nicht objektiv.
Dreieinhalb Jahre vom Überfall bis zum zweiten Urteil
Dreieinhalb Jahre nach dem Raubüberfall auf die Sparkasse steht das zweite Gerichtsverfahren vor dem Ende. Fast 36 Monate ist es her, dass in Heilbronn der erste Mordprozess begann. Nachfolgend eine Chronik der wichtigsten Ereignisse.
-
Ein unmaskierter Täter überfällt die Siegelsbacher Sparkasse. Er erbeutet 33 000 Euro, zertrümmert dem Bankangestellten die Schädeldecke, erschießt eine Kundin und schießt ihrem Ehemann ins Genick. Mit schwersten Verletzungen überleben die zwei Männer.
-
Der hoch verschuldete Dorfbäcker Alfred B. wird verhaftet. Der überlebende Rentner hat ihn als Täter benannt. Die Ermittler finden Indizien, die den Bäcker belasten, unter anderem eine Blutspur mit einer Teil-DNA des Bankmitarbeiters in seinem Auto.
-
Der Mordprozess beginnt vor dem Heilbronner Landgericht. Er wird zu einem zähen Verhandlungsmarathon. Die Verteidiger stützen sich auf Zeugen, die Alfred B. kurz vor und kurz nach der Tatzeit an anderen Orten gesehen haben.
-
Das Gericht spricht Alfred B. frei. Die Richter sind von seiner Unschuld überzeugt. Der Vorsitzende: „Die wahren Täter laufen noch frei herum.“Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hebt das Heilbronner Urteil mit deutlichen Worten auf. Ein Vorwurf: Das Gericht habe belastende Indizien vorschnell ausgeblendet.
-
Vor dem Stuttgarter Landgericht beginnt der zweite Prozess. Neu ist: Alfred B.s Ex-Verlobte belastet den Siegelsbacher Bäcker mit einer Aussage vom Tattag. Das Urteil wird am 10. April gesprochen.
Stimme.de