Bundeskanzler Olaf Scholz in Heilbronn – Video in voller Länge
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war am Sonntag zu Gast beim Stimme-Halbzeit-Wahlcheck in der Kreissparkasse Heilbronn. Hier ist das exklusive Video-Interview in voller Länge zu sehen.

Gut zwei Wochen nach den beiden Wahlchecks mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Grünen-Chefin Ricarda Lang ist Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Heilbronn zu Gast. Mit wenigen Minuten Verspätung begann die Veranstaltung im Saal der Kreissparkasse Heilbronn. Der Wahlcheck wurde live auf stimme.de übertragen und ist jederzeit über das folgende Video abrufbar.
Stimme-Wahlcheck mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Video-Livestream
Zu Beginn der Veranstaltung melden sich fünf, sechs Personen auf die Frage, wer bei allen drei Wahlchecks dabei gewesen sei. "Da kann ich einige alten Witze wieder aufwärmen", scherzt Stimme-Chefredakteur Uwe Ralf Heer. Er spricht die Kritik an, die bei Interviews wie diesen immer wieder aufkommt: Alles sei abgesprochen, die Fragen vorab zugesendet. "Es musste vorab nichts abgesprochen werden", versichert Heer. "Das finde ich sehr, sehr erfreulich. Das ist nicht ganz selbstverständlich."
Rückblick auf die Beschlüsse beim Migrationsgipfel
Mit Blick auf den Migrationsgipfel am vergangenen Montag sagt Scholz, es seien Regelungen beschlossen worden, von denen niemand gedacht hätte, dass diese in Deutschland beschlossen werden könnten. "Wir wollen die Ausländerbehörden digitalisieren", verspricht der Kanzler. Derzeit seien das nur 20 Prozent. Moldau und Georgien sollen nun zu sicheren Herkunftsländern werden. Außerdem werde Deutschland die eigenen Außengrenzen stärker schützen.
Insgesamt sei es ein Paket mit 40 Einzelmaßnahmen wie der Verlängerung der Ausreisegewahrsam, um die Rückführung zu erleichtern. "Das sind einige Dinge, die hätte man bereits vor 15 Jahren machen können", meint Scholz. Aber wie zufrieden ist das Publikum mit den Ergebnissen des Migrationsgipfels? Nur 16 Prozent sind sehr zufrieden, während jeweils 41 Prozent die Regelungen als ausreichend beziehungsweise unzureichend einschätzen.
"Wie schnell wird das wirken, damit hier Entspannung stattfinden kann?", will Heer wissen. Der Kanzler verweist auf zunehmende Kontrollen an den Grenzen und die weiteren Regelungen. Dadurch werde sich herumsprechen, dass es sich nicht immer lohne, den Weg nach Deutschland auf sich zu nehmen. Durch dieses Vorgehen rechnet der Scholz künftig mit weniger Asylbewerbern.
Scholz zum Hamas-Terror: "Kämpfen alle dafür, dass die Geiseln freigelassen werden"
Ein weiteres aktuelles Thema ist der Krieg in Israel. "Viele rufen nach einer Feuerpause. Sie auch?", fragt Uwe Ralf Heer den Kanzler. Dieser bezieht sich zunächst auf Beschlüsse im Europäischen Rat. Der Angriff der Hamas werde verurteilt. Israel habe das Recht, sich zu verteidigen. Zudem werde humanitäre Hilfe in die bekämpften Gebiete geliefert. "Natürlich kämpfen wir alle dafür, dass die Geiseln freigelassen werden."
Die Forderung nach einem Waffenstillstand findet der Kanzler nicht richtig. Denn das bedeute, dass sich die Hamas erholen, neue Kräfte und Waffen sammeln könne. Ist die Zwei-Staaten-Lösung nach diesem Krieg überhaupt noch möglich? "Die USA, wir, die Europäische Union, halten das für möglich", bekräftigt der Kanzler. Frieden sei aus seiner Sicht durch einen für Israel nicht bedrohlichen, palästinensischen Staat realistisch.
Deutschlands Waffenlieferungen in die Ukraine – Kanzler spricht über Zeitenwende
Durch den Krieg in Israel rücke der Angriffskrieg Russlands in den Hintergrund, so der Chefredakteur der Heilbronner Stimme. Wie lange werde Deutschland noch Waffen in die Ukraine liefern? Zunächst betont der Kanzler: "Russlands Angriff auf die Ukraine ist die Rückkehr des Imperialismus in Europa." Deshalb sei das eine Zeitenwende und Waffenlieferungen stünden so lange auf dem Plan wie nötig.
Putin habe seinen Feldzug auf eine Eroberung innerhalb von zwei Wochen angelegt. "Das ist nicht gelungen", sagt Scholz. Die Ukraine habe aber auch viel Territorium zurückerobert. Russland müsse dazu gezwungen werden, einen Schritt zurück zu machen.
Kann es also künftig Verhandlungen mit Putin geben? Zunächst antwortet das Publikum. Was erst eindeutig aussieht, wird nach einigen Momenten weniger eindeutig. 57 Prozent meinen, es solle keine Verhandlungen mit Putin geben. Anschließend ist der Bundeskanzler dran: Im besten Falle werde die Ukraine Erfolg haben – Putin hingegen nicht. Gespräche mit Russlands Präsident habe Scholz in der Vergangenheit geführt und werde es auch künftig wieder tun. Dennoch: "Für Verhandlungen braucht es einen entscheidenden Schritt von Russland." Das sei der Rückzug von Truppen.
Kritik an der Zusammenarbeit in der Ampel-Koalition
In Einspielern mit Menschen aus der Region Heilbronn gibt es einige Kritik an der Zusammenarbeit in der Ampel-Koalition. Die Bilanz des Kanzlers für die Ampel fällt positiv und dennoch kritisch aus: "Viel geleistet, aber zu viel darüber gestritten – vor allem in der Öffentlichkeit." Gerade in einer Zeit, in der viele Menschen verunsichert seien, habe das Auswirkungen. Umfragewerte aus anderen Ländern zeigten, dass die deutsche Regierung kein Einzelfall sei. Aber: "Das darf keine Ausrede sein."
Derzeit bewegten sich viele Menschen nur unter Gleichgesinnten. Viele kämen durch ihr Leben, ohne mit anderen Meinungen konfrontiert zu werden. Früher sei das anders gewesen, als an Stammtischen mit verschiedenen Meinungen Konsens gefunden wurde. Bundeskanzler Olaf Scholz zieht den Schluss, dass viele zum ersten Mal durch den Koalitionsausschuss mit anderen Meinungen in Kontakt kämen. Das sei nicht gut, so Scholz.
Was der Kanzler anspricht, scheint auf das Publikum im der Heilbronner Kreissparkasse zuzutreffen. Bei der Frage, wer den schlechtesten Job in der Koalition mache, antworten 45 Prozent der Anwesenden die FDP. 44 Prozent sagen: die Grünen. Damit kommt die SPD gut weg. Der Kanzler will sich nicht lange an der Frage aufhalten: "Ich will, dass die Regierung gemeinsam erfolgreich ist."