"Machtdemonstration" des VfB Stuttgart in Sinsheim – Ultras drohen mit Ultimatum
Mitten im eskalierten Machtkampf an der Führungsspitze glänzt das VfB-Team beim hoch dominanten 3:0 in Hoffenheim. Die Ultras provozierten in Sinsheim mit einem Ultimatum.

Zwei Welten, so scheint es. Rosarot eingefärbt die eine, von tiefschwarzen Wolken beschattet die andere. Unten auf dem Stadionrasen: Jubel, Trubel, Heiterkeit. Erneut ein Bundesligasieg für den speziell vor der Halbzeitpause brutal starken VfB Stuttgart. 3:0 im badisch-schwäbischen Prestigeduell bei der TSG Hoffenheim. 25:7 Torschüsse, auswärts, bei einem Gegner, der in den Europacup will.
"Wir haben sehr viel Dominanz gezeigt", freut sich Mannschaftskapitän Waldemar Anton. Stürmer Deniz Undav nennt es "eine Machtdemonstration. Ich glaube, wir haben überragend gespielt." Die Leistung in der ersten Halbzeit sei "vielleicht die beste in dieser Saison" gewesen, mutmaßt Trainer Sebastian Hoeneß. Die Champions-League-Teilnahme wird für den Tabellendritten VfB immer wahrscheinlicher.
VfB Stuttgart siegt gegen Hoffenheim – Ärger im Aufsichtsrat
Dann aber der Blick auf die Tribüne, auf VfB-Präsident Claus Vogt, gerade erst von den internen Gegnern als Aufsichtsratsvorsitzender der Stuttgarter Profifußball-AG abgewählt. Vogt ist die Person im Zentrum des zerstörerischen Machtkampfs an der VfB-Spitze.
Im Sinsheimer Stadion mischt sich der Präsident nach dem Schlusspfiff unters Volk, klatscht mit siegestrunkenen Fans ab, signiert ein Trikot von VfB-Torheld Serhou Guirassy, das ihm entgegengehalten wird. Da, spätestens, wird deutlich, dass es eben keine zwei Welten gibt. Die fußballerische Glitzerwelt des VfB lässt sich nicht trennen von den Querelen der Bosse, vom völlig eskalierten Zoff um Macht, um Egos, um Versprechen und Verrat.
Unterschiedliche Stuttgarter Gefühlswelten: Donnergrollen vs. Seifenblasen beim VfB
Als Claus Vogt Fannähe demonstriert, ist der Vorstandsvorsitzende Alexander Wehrle auf dem Weg zum Sky-Interview. Dort sagt er: "Grundsätzlich ist es so, wir konzentrieren uns auf den Fußball." Das ist auch Wunschdenken für die letzten acht Spiele dieser Saison. Noch hält die rosarote Gute-Laune-Seifenblase rund ums erfolgreiche VfB-Team alles Donnergrollen draußen. So werde es bleiben, glaubt Wehrle. Das "tolle Spiel" in Sinsheim habe gezeigt, wie stabil die Mannschaft in ihrem Flow sei. "Die Truppe" sei "sowas von intakt". Außerdem: "Ich weiß auch gar nicht, ob die Jungs sich so gut in den Strukturen auskennen und in den Mehrheitsverhältnissen - die konzentrieren sich auf den Fußball."
Allerdings kann eine solche Konzentration ganz schnell empfindlich gestört sein, wenn die Ultras unter den Fans ihren Willen machtvoll demonstrieren - zu sehen während der Wochen des Tennisballwurf-Protests gegen den geplanten Investor der Bundesliga-Dachorganisation DFL. Immer wieder gab es lange Spielunterbrechungen.
VfB-Stuttgart-Heimspiel: Was passiert gegen Heidenheim auf den Rängen?
Im Stuttgarter Fall stellt sich die Frage, ob die Ultras so etwas für das Heimspiel am Ostersonntag gegen den 1. FC Heidenheim im Sinn haben. Denn in Sinsheim waren Banner zu sehen mit der Drohung: "Mitglieder verkauft und verraten. Ihr habt zwei Wochen Zeit, diesen Fehler zu korrigieren". Das ist ein Ultimatum an die Bosse. Die Ultras wollen sich nicht der Macht des Kommerzes unterwerfen, die sie im Einfluss des neuen Investors Porsche zu erkennen glauben. Sie wollen die Hoheit der Mitglieder über VfB-Entscheidungen gewahrt wissen, dargestellt in der Person des Clubpräsidenten als Chef des AG-Aufsichtsrats.
Der Riss im VfB-Gefüge ist tief. Ob ihn die Mannschaft wirklich dauerhaft so souverän ignorieren kann wie beim Auswärts-3:0 gegen die TSG Hoffenheim? Enzo Millot (16.), Serhou Guirassy (45.+1) mit seinem 22. Ligatreffer in dieser Saison und Jamie Leweling (68.) sorgten für die Tore. Einziges Manko des vor der Pause spielerisch wirklich brillanten VfB-Auftritts, nicht nur nach Ansicht von Deniz Undav: "Wir müssen mit 4:0, 5:0 in die Halbzeit gehen."
Es lag vor allem am starken Hoffenheimer Torhüter Oliver Baumann, dass es nicht noch mehr Stuttgarter Tore gab. VfB-Trainer Hoeneß blickt mit großer Freude auf den Erfolgslauf seines Teams: "Da sind Leichtigkeit, Selbstvertrauen und Überzeugung im Spiel."
Die VfB-Zocker sind abgezockt unterwegs
Stürmer Undav wundert sich nicht über die offensive Spielstärke des VfB: "Weil wir alle geile Zocker sind." Wenn es so laufe wie in Sinsheim, "dann: tack, tack, tack, tack, dann kommen Tore raus." Serhou Guirassy, Chris Führich, Enzo Millot - "es macht einfach Spaß, mit denen zu zocken."
Sieben Stuttgarter Siege und ein Unentschieden gab es in den letzten acht Bundesligapartien. Sportdirektor Fabian Wohlgemuth sagt: "Die Konstanz, die ist schon beeindruckend." Die "absolute Spielfreude" beim 3:0 in Sinsheim sei ein Sahnehäubchen obendrauf gewesen. "Das war nah am Optimum."
Der durch öffentliche Statements ausgetragene Zoff in der VfB-Chefetage ist hingegen maximal schädlich fürs sportlich gerade erst aufpolierte Image des Clubs. Wohlgemuth schaut auf seine Welt: "Wir haben absolute Ruhe im sportlichen Bereich." Was da "medienträchtig diskutiert" werde, "beeinflusst den sportlichen Bereich überhaupt nicht". Er sieht "gar keine Gefahr" für schlechte Ergebnisse, ausgelöst durch den Machtkampf an der VfB-Spitze. Die Welt des Fabian Wohlgemuth ist rosarot. Meinung "Tolle Stimmung"