Neckarsulms Interimstrainer Mart Aalderink freut sich auf sein Heimspiel-Debüt
Die sportlichen Hoffnungen der Sport-Union ruhen auf den Schultern von Mart Aalderink. Der Niederländer hat sportlich bereits einiges erlebt. Am Samstag soll gegen Halle-Neustadt der Schritt zurück in die Erfolgsspur gelingen.

Es hatte etwas von Déjà-vu, als Mart Aalderink (36) in Neckarsulm nach der Trennung von Tanja Logvin Mitte Januar vom Co- zum Chef-Trainer aufstieg. Vor fast vier Jahren war ihm bei E&O in seiner Heimatstadt Emmen Ähnliches passiert. Auch damals hatte er das Trainer-Amt der ersten Frauen-Mannschaft übernommen, nachdem er bis dahin Co-Trainer und für die U23 des Vereins verantwortlich gewesen war.
"Ich suche nach verschiedenen Möglichkeiten, ein Problem zu lösen", sagte Aalderink damals und sprach von einer analytischen und konstruktiven Herangehensweise an seine Arbeit.
Wird Aalderink schon gegen Halle-Neustadt zum Problemlöser?
Nun sind seine analytischen Problemlöser-Fähigkeiten in Neckarsulm gefragter denn je. Zu lösen gilt es zuvorderst die verzwickte Tabellensituation der Sport-Union, die sich weiterhin auf dem Abstiegsrelegationsplatz befindet. Im letzten Hinrundenspiel am Samstag (18 Uhr) gegen den SV Union Halle-Neustadt könnte dazu in der Ballei ein erster Schritt der Besserung getan werden. "Es herrscht auf jeden Fall Vorfreude", sagt Aalderink. "Nicht nur bei mir, auch die ganze Mannschaft freut sich auf die Stimmung in der Halle."
Der aus der niederländischen Provinz Drenthe stammende Aalderink wird und will alles in die Waagschale werfen, damit der Sport-Union die Wende gelingt. Der neue Job in Neckarsulm ist schließlich auch für ihn persönlich eine riesige Chance.
Aus Emmen über Cloppenburg nach Neckarsulm

Angefangen hat alles einst im beschaulichen Emmen: 56.000 Einwohner, Moorlandschaften, ein Abenteuer-Zoo. Auch wenn die Westgrenze Niedersachsens nur einen Steinwurf entfernt ist und die deutsche Sprache dementsprechend flüssig von den Lippen geht, ist Aalderink ein Kind des niederländischen Handballs. Und nicht das einzige aus Emmen. Unter anderem auch bei der ehemaligen Neckarsulmer Rückraum-Spielerin Anouk Nieuwenweg steht "Emmen" in "paspoort" und "identiteitskaart".
"Bis ich 14 war, habe ich noch Fußball gespielt und bin erst über den Schul-Handball zu einem Probetraining gekommen", erinnert sich Aalderink. Doch dann geht alles ganz schnell. Erste Schritte als Spieler macht der Linksaußen bei E&O in seiner Heimatstadt. Es folgt das Erstliga-Debüt mit 16, Einsätze in den U-Nationalteams, Training unter dem späteren Frauen-Bundestrainer Henk Groener.
Kreuzbandriss ebnet Weg in den Trainerberuf
Danach ist Aalderink fast acht Jahre als Halbprofi bei JMS Hurry-Up aktiv, steigt mit dem Team aus Zwartemeer in die erste Liga auf, gewinnt 2011 den niederländischen Pokal und spielt im Europacup. Nebenher studiert er und arbeitet danach als Grundschullehrer. 2014 folgt dann der erste Schritt nach Deutschland. Ein Jahr verbringt der Emmener beim TV Cloppenburg in der Oberliga-Nordsee - unter anderem mit Mitspieler Niels Bötel, der seit 2017 die Bundesliga-Frauen des VfL Oldenburg als Trainer betreut. "Ich kenne Niels noch ganz gut. In Deutschland ist der Handball größer", sagt Aalderink, "und das wollte ich mir auch einmal selbst anschauen".
Nach einem Kreuzbandriss konzentriert sich Aalderink ab 2016 auf seine Trainerkarriere. "Ich bin froh, dass mir das erst am Ende meiner Spielerkarriere passiert ist", sagt er. Die Verletzung habe ihm dann allerdings auch den Übergang vom Aktiven-Dasein in den Trainer-Beruf erleichtert. Erst coacht er das Männer-Team von HV DOS, bevor es ihn zurück zu Erstligist E&O zieht und er dort nach einigen Monaten zum Chef befördert wird - so wie vor zweieinhalb Wochen in Neckarsulm.
Aalderink hätte gerne mehr eigene Ideen eingebracht
Ein Engagement als U-Nationaltrainer beim niederländischen Verband hatte sich 2021 noch zerschlagten, weil der NHV einen erfahreneren Mann für den Posten suchte. Doch der ebenfalls aus Emmen stammende Gerhard Husers, damals Sportlicher Leiter in Neckarsulm, glaubte an Aalderink und vermittelte ein Probetraining in Neckarsulm.
Dass er sich und seine Ideen im Schatten von Tanja Logvin dann nicht so entfalten konnte, wie von ihm erhofft, war im Unterland ein offenes Geheimnis. Aalderink selbst hatte nach sportlich unterdurchschnittlichen Wochen bereits früher mit einer personellen Kurskorrektur durch die Neckarsulmer Vereinsverantwortlichen gerechnet, wie er jüngst dem niederländischen Magazin "Handbal Inside" verriet. Dass er danach aber sofort in die Rolle des Interimstrainers schlüpfen würde, sei alles andere als eine ausgemachte Sache gewesen.
Handball ist wichtig, aber nicht alles
Doch nun ist er Erstliga-Trainer. Bis auf Weiteres. Die Option, direkt auch für die Saison 2023/2024 in Neckarsulm zuzusagen, ließ er bei den Vertragsgesprächen im Januar offen. Nicht nur, weil ihn im Herbst auch Angebote anderer Vereine erreicht hatten. "Ich liebe diesen Sport, aber es gibt mehr als Handball", sagt Aalderink mit Blick auf seine Lebensgefährtin und Familie, die weiterhin in der niederländischen Heimat leben. Neben der sportlichen Entwicklung des Vereins werde es daher auch von seiner Familie abhängen, wie und wo es mittelfristig mit seiner Trainerkarriere weitergehen werde.
Derzeit zählt jedoch einzig das Hier und Jetzt. Seit seiner Beförderung hat der 36-Jährige einiges angestoßen. Er hat Angriffs- und Abwehrformationen trainieren, Spielzüge einstudieren lassen und war darum bemüht, den Gemütszustand der Mannschaft wieder in erfreulichere Gefilde zu heben. Am vergangenen Wochenende gewährte Mart Aalderink seinen Spielerinnen dann auch noch einmal zwei freie Tage: Ausspannen, abschalten, Wehwehchen auskurieren, bevor es im Terminkalender nun Schlag auf Schlag geht. Er selbst war auf Familienbesuch in der Heimat. Dort, wo er sich vor 22 Jahren entschlossen hatte, das runde Leder fortan mit der Hand statt mit dem Fuß zu spielen.
Smits fehlt vorerst verletzt - Mehr Spielzeit für Polácková in Ketsch
Nach ihrem unglücklichen Zusammenstoß mit Teamkollegin Amber Verbraeken im Spiel gegen die SG BBM Bietigheim wird Rückraumakteurin Munia Smits der Sport-Union vorerst fehlen. Eine erste Diagnose nach einer Magnetresonanztomographie (MRT) ergab einen Knorpelschaden und ein Knochenödem im rechten Knie. Da die Schwellung im rechten Knie der Belgierin jedoch noch zu stark ist, konnte bislang noch keine endgültige Diagnose über eine mögliche Kreuzband-Verletzung gestellt werden. Ein weiteres MRT soll nächste Woche Klarheit bringen.
Torhüterin Anita Polácková darf hingegen in den nächsten Monaten auf mehr Spielzeit hoffen. Nachdem sich Mart Aalderink und Torwarttrainer Oliver Rieth in der Vorwoche vor Ort ein Bild gemacht hatten, soll die Tschechin - wie Svenja Mann und Laila Ihlefeldt - ab sofort ein Zweitspielrecht für die Kurpfalz Bären Ketsch erhalten. Am heutigen Donnerstag absolvierte die 19-Jährige ein Probetraining beim Zweitligist und könnte bereits am Sonntag beim Auswärtsspiel gegen Göppingen ihr Debüt feiern.



Stimme.de