Selbstkritik und Zweckoptimismus sind die Tugenden der Stunde bei der Sport-Union Neckarsulm
Erst wartet der Thüringer HC, dann kommt die HSG Bensheim/Auerbach: Der Neckarsulmer Handball-Bundesligist steht in der Englischen Woche vor hohen Hürden. Trainer Thomas Zeitz lässt unterdessen mit (selbst-)kritischen Worten aufhorchen.

Die Zahlen, der Tabellenplatz, die jüngsten Leistungen und der Blick auf die Konkurrenz lügen nicht und lassen derzeit eigentlich keinen anderen Schluss zu, als dass das Kapitel Erstliga-Handball in Neckarsulm im Sommer vorerst beendet sein wird.
Vor dem Duell am Mittwoch beim Tabellendritten Thüringer HC (19.30 Uhr, Salza-Halle) und am Samstag zu Hause gegen den Zweiten HSG Bensheim/Auerbach (18 Uhr, Ballei) steht die Sport-Union Neckarsulm als Tabellenletzter mit dem Rücken zur Wand und erwartet nun zwei Duelle mit absoluten Top-Teams der Liga.
Sport-Union war in der Vorsaison vier Punkte besser
"Wir wollen es ähnlich wie zuletzt gegen Metzingen angehen und ein gutes Spiel machen", sagt Trainer Thomas Zeitz und meint damit eine deutliche Leistungssteigerung gegenüber den "katastrophalen" Hinspielen, die seine Mannschaft mit 20:34 (Metzingen) respektive 17:39 (THC) verloren hatte. "Und dann schauen wir mal, wozu es reicht." Fest steht für den 50-Jährigen allerdings: "Ich setze mich nicht am Mittwoch den ganzen Tag in den Bus, um Herbert (Müller, Trainer des Thüringer HC, Anm. d. Red.) die zwei Punkte vorbeizubringen." Zu Verschenken haben Zeitz und seine Mannschaft also nichts.
Das wird umso deutlicher, wenn man einen Blick zurück wagt: Vier Punkte mehr hatte die Neckarsulmer Mannschaft zum gleichen Zeitpunkt in der Vorsaison und rettete sich bekanntlich - bei nur anderthalb Absteigern - erst am finalen Spieltag auf den letzten Metern der Saison. Es pressiert also mit dem Füllen des eigenen Punktkontos. Was dazu Hoffnung macht, ist ausgerechnet der Spielplan.
Zwei Langzeitverletzte stehen vor der Rückkehr
Noch nicht heute, wenn Spiele gegen den THC und Bensheim/Auerbach vor der Tür stehen, aber doch mittelfristig. Schließlich hat die Sport-Union noch alle Duelle mit den direkten Konkurrenten vor der Brust. Gewinnt sie diese - was einfacher gesagt, als getan ist, wie die Hinrunde gezeigt hat -, könnte der Klassenerhalt trotz der bislang schwachen Punkteausbeute noch gelingen.
Einher mit dieser Zuversicht, die zugegebenermaßen von Zweckoptimismus genährt wird, geht die Hoffnung auf eine baldige Rückkehr der Langzeitverletzten. Veronika Andrysková könnte bereits am Samstag erstmals auf der Neckarsulmer Bank Platz nehmen, Arwen Gorb ihrerseits nach der Länderspielpause wieder eine Option sein, wie Thomas Zeitz ankündigt.
Mannschaft wird Lob von Zeitz' Trainerkollegen nicht gerecht
Was ebenfalls Mut macht, worauf sich die Sport-Union allerdings nicht verlassen sollte, ist das Lob von Zeitz' Trainerkollegen, die Woche für Woche hervorheben, dass eine Mannschaft wie die der Sport-Union nicht zu unterschätzen und eigentlich besser sei, als es der Tabellenplatz verrät.
Was bei einer neu zusammengestellten Mannschaft nach drei oder sieben Spieltagen noch zutreffen mag, wirft nach mehr als der Hälfte der Saison jedoch Fragen auf: Warum werden die öffentlich viel gelobten und landauf, landab sehr respektierten Neckarsulmerinnen diesen Vorschusslorbeeren noch immer nicht gerecht?
Zeitz übt Selbstkritik: Gruppe hat noch immer nicht zusammengefunden
Einerseits seien da die vielen Verletzungen und der Abwärtsstrudel, in den sein Team früh in der Saison geraten sei. Andererseits stellt Thomas Zeitz auch unumwunden fest: "Mein Trainerteam und ich, wir haben es noch nicht geschafft, aus dem Kader, den wir zusammengestellt haben, eine homogene Mannschaft zu formen. Das muss man so klar und selbstkritisch zugeben."
Lange habe die Hoffnung bestanden, aus allen 18 Spielerinnen des ursprünglichen Kaders eine Einheit formen zu können. Das habe aufgrund der Verletzungen, der einzelnen Charaktere und der sportlichen Situation aber nicht wie gewünscht funktioniert. Stattdessen habe es zwei Gruppen gegeben: auf der einen Seite die Vielspielerinnen, die inzwischen als Team zusammengewachsen seien, und auf der anderen Seite diejenigen, die seit Wochen und Monaten mit Verletzungen kämpfen und mal dabei und dann wieder außen vor sind. Das sei gar kein Vorwurf an seine Spielerinnen, aber doch nicht zu leugnen.
Besser als es die Tabelle aussagt
"Das Innenleben der Mannschaft war teilweise kompliziert", räumt Zeitz ein. "Wir wollen das jetzt aber mit Ruhe und Struktur auf stabile Füße stellen. Denn wir waren in der Vergangenheit vielleicht in der Geldrangliste vorne dabei, aber Handball wird auf dem Feld gespielt und nicht in der Kasse."
Für den als Ziel ausgegebenen Klassenerhalt wird es zwingend vonnöten sein, dass sich schnellstens noch eine echte Mannschaft herausbildet, denn klar sei, betont Thomas Zeitz: "Wir sind nicht so gut wie es die anderen über uns dachten, aber auf jeden Fall besser, als die vier Punkte, die wir bislang haben."