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Laienspiel statt Besserungsstück: Sport-Union wie im falschen Film

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Eine desolate Neckarsulmer Mannschaft verliert mit 22 Toren Differenz gegen den Thüringer HC und rutscht nach dem dritten Spieltag ans Ende der Bundesliga-Tabelle.

Kein Durchkommen für Fatos Kücükyildiz (Mitte): Die Neckarsulmer Spielgestalterin und ihre fünf Rückraum-Kolleginnen erzielten nur sieben Tore.
Kein Durchkommen für Fatos Kücükyildiz (Mitte): Die Neckarsulmer Spielgestalterin und ihre fünf Rückraum-Kolleginnen erzielten nur sieben Tore.  Foto: Seidel, Ralf

Es war am Samstagabend für die Spielerinnen der Sport-Union Neckarsulm gut, dass der geneigte Handball-Fan für gewöhnlich friedfertig und recht leidensfähig ist – in Neckarsulm seit rund einem Jahr im Besonderen. Und so klatschten die Fans die Spielerinnen der Sport-Union auch nach der 17:39 (7:19)-Niederlage gegen den Thüringer HC unter vereinzeltem Applaus ab. Danach verschwanden die Akteurinnen sofort mit ihrem Trainer Thomas Zeitz für eine erste Bestandsaufnahme in der Kabine.

Keine Pfiffe, keine Taschentücher, verhaltener Applaus

In den meisten anderen Sportarten hätte sich ein Erstligist, der sich vor heimischem Publikum so präsentiert, wie es die Sport-Union am Samstagabend getan hatte, ein gellendes Pfeifkonzert anhören können. In Spanien hätten sie bereits zur Halbzeit die weißen Taschentücher als Missfallensbekundung geschwenkt.

In der Ballei hätten die Zuschauer zu beidem alles Recht dieser Welt gehabt. Doch Pfiffe gab es nicht und die Taschentücher blieben ebenfalls in der Tasche. Das war aus Sicht der Sport-Union das Beste am dritten Bundesliga-Spieltag.


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Vom eigenen Niveau meilenweit entfernt

Sportlich war das Dargebotene phasenweise peinlich. "Wir konnten den THC überhaupt nicht ärgern, sie haben uns einfach überlaufen", resümierte eine sichtlich frustrierte Kim Hinkelmann, der sich als einer der wenigen Neckarsulmer Spielerinnen positive Momente bescheinigen ließen. Alle anderen waren nicht nur vom Niveau des Thüringer HC, sondern zuvorderst von ihren eigenen Standards und Ansprüchen meilenweit entfernt.

"Wir haben viel zu tun und müssen in den nächsten Wochen ganz anders auftreten", sagte Hinkelmann. Dabei hatten sie sich im Unterland nach den guten Ansätzen in der Partie in Leverkusen zurecht schon einen Schritt weiter gewähnt.

Chancen ja, Überzeugung nein

Gegen ein Top-Team wie den Thüringer HC wollte man sich zumindest teuer verkaufen und das im Training erarbeitete umsetzen. Doch nachdem Annefleur Bruggeman erst nach 7:45 Minuten das erste Neckarsulmer Tor zum 1:4 erzielt hatte, war klar, dass es ein langer Abend werden würde, an dem das einzig Teure die Eintrittskarten für die Ballei gewesen sein dürften - angesichts des Preis-Leistungs-Verhältnisses.

Schob unzufrieden Magnete über die Taktiktafel und fand bei seinen Spielerinnen offensichtlich wenig Gehör: Neckarsulms Trainer Thomas Zeitz (rechts).
Schob unzufrieden Magnete über die Taktiktafel und fand bei seinen Spielerinnen offensichtlich wenig Gehör: Neckarsulms Trainer Thomas Zeitz (rechts).  Foto: Seidel, Ralf

"Wir hatten ja Chancen, aber werfen nicht mit Überzeugung. Wir sagen, was wir machen wollen, und machen es dann aber nicht. Das ist das Problem und das, was mich ärgert - nicht das Ergebnis", sagte Thomas Zeitz und ergänzte: "Das müssen die Mädels lernen und das müssen sie schnell lernen. Wir haben die Zeit nicht, um nochmal und nochmal und nochmal immer wieder dieselben Fehler zu machen."

Ex-Neckarsulmerinnen laufen zu Höchstform auf

Der Moment, in dem sich die Sport-Union ihrem Schicksal ergab, war schnell identifiziert: nach Rabea Pollakowskis Tor zum 7:13 (24.) brachen die Gastgeberinnen auseinander. Sechs Tore erzielte der THC danach bis zur Pause, kein einziges die Sport-Union. Wie in Leverkusen brachte sich das Team in der Phase vor der Pause um eine zumindest ordentliche Ausgangsposition für die zweiten 30 Minuten. "Das ist entweder eine Konzentrations- oder eine Qualitätsfrage - das wird sich in den nächsten Wochen zeigen", sagte Thomas Zeitz.

Qualitätsfragen musste sich auf Seiten des THC niemand stellen lassen. Neckarsulms ehemalige Torhüterin Nicole Roth stand zur Halbzeit bei über 71 Prozent (!) gehaltener Bälle, Annika Lott stand als beste Spielerin der Vorsaison am Ende bei elf Treffern und Johanna Stockschläder und Nathalie Hendrikse, die beiden anderen Ex-Neckarsulmerinnen, warfen Lena Ivancok und Valentyna Salamakha die Bälle von außen reihenweise um die Ohren. Wie Jennifer Rode im rechten THC-Rückraum mehrfach verschiedenste Gegenspielerinnen mit simplen Körpertäuschungen ins Karussell schickte, war großes Kino.

Der nächste Hochkaräter wartet schon

Und wie der Besucher eines Lichtspielhauses, war auch die Sport-Union in Hälfte zwei weitgehend in der Zuschauerrolle: passiv, tatenlos, wie im falschen Film. Mehr Improvisationstheater und Trauerspiel statt Besserungsstück.

Am Mittwoch gastiert die SG BBM Bietigheim zum Achtelfinalspiel des DHB-Pokals in Neckarsulm. Noch so ein Laienspiel, und es könnten fünf ganz bittere Tage werden.


Sport-Union Neckarsulm: Ivancok (4 Paraden); Salamakha (2 Paraden), Polácková - Verbraeken (2), Engel (1), Bruggeman (3), Nooitmeer (1), Kücükyildiz (1), Pollakowski (3/1); Ihlefeldt (1), Hoitzing (1), Riner (2), Hinkelmann (2), Zygoura.

Erfolgreichste Werferinnen Thüringer HC: Annika Lott (11), Johanna Stockschläder (8).

Schiedsrichter: Maximilian Engeln/Felix Schmitz.

Siebenmeter: Sport-Union Neckarsulm: 1/3; Thüringer HC: 1/2.

Zeitstrafen: 1/4.

Zuschauer: 868.


Konkurrenten punkten im Abstiegskampf

Die Sport-Union Neckarsulm ist durch die 22-Tore-Niederlage am dritten Spieltag ans Tabellenende gerutscht und neben den Bad Wildungen Vipers um Co-Trainer Mart Aalderink die einzige Mannschaft, die in dieser Spielzeit noch keine Zähler einfahren konnte.

Die ersten "Bonuspunkte" für ein Team, das gegen den Abstieg kämpft, sammelte hingegen Sachsen Zwickau durch einen 27:23-Heimsieg gegen die TuS Metzingen. Auch der SV Halle-Neustadt punktete dank eines 31:25 gegen Aufsteiger Solingen-Gräfrath doppelt.

 
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