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Rätselraten um Spielabsage: Sport-Union Neckarsulm endgültig am Boden

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785 Zuschauer hatten sich in der Neckarsulmer Ballei auf einen Abstiegskrimi gefreut, doch sehen letztlich kein einziges Tor. Rätselraten um Ursachen und Konsequenzen der Absage.

Ratlosigkeit aller Orten: Erst nach rund 25 Minuten Wartezeit gab es die Gewissheit, dass der Arbeitstag von Rabea Pollakowski (Mitte) und ihren Teamkolleginnen am Samstagabend beendet war, bevor er überhaupt richtig begonnen hatte.
Ratlosigkeit aller Orten: Erst nach rund 25 Minuten Wartezeit gab es die Gewissheit, dass der Arbeitstag von Rabea Pollakowski (Mitte) und ihren Teamkolleginnen am Samstagabend beendet war, bevor er überhaupt richtig begonnen hatte.  Foto: Mario Berger

Als es am Samstagabend um 18.25 Uhr eigentlich in die letzten Minuten der ersten Spielhälfte einer richtungsweisenden Bundesliga-Partie zwischen der Sport-Union Neckarsulm und dem SV Union Halle-Neustadt hätte gehen sollen, fiel Handball-Abteilungsleiter und Hallensprecher Christian Saup die undankbare Aufgabe zu, den 785 Zuschauern in der Neckarsulmer Ballei über die Hallenlautsprecher die schlechte Nachricht zu überbringen: „Aufgrund der Beschaffenheit des Bodens wird das Spiel heute Abend nach einer Entscheidung der Spielleitenden Stelle leider nicht stattfinden können.“

Ratlosigkeit und viele fragende Gesichter

Raunen und vereinzelte Unmutsbekundungen von den Rängen waren die Folge, doch recht schnell hatte sich die Bundesliga-Spielstätte geleert, ohne dass irgendjemand am Ostersamstag eine sportliche Auferstehung oder aber das nächste Kapitel der Neckarsulmer Passion zu sehen bekommen hätte. Was es auf dem Feld stattdessen zu sehen gegeben hatte: Viele ratlose und fragende Gesichter, eifrige Beratungen und immer wieder Rutschtests mit den Hallenschuhen auf dem blauen Boden der Ballei.

Spielen oder nicht? Thomas Zeitz (Zweiter von rechts) und Mike Vogelgesang (Zweiter von links) diskutierten mit ihren Gegenübern vom SV Union Halle-Neustadt, Till Wiechers (links) und Thomas Müller.
Spielen oder nicht? Thomas Zeitz (Zweiter von rechts) und Mike Vogelgesang (Zweiter von links) diskutierten mit ihren Gegenübern vom SV Union Halle-Neustadt, Till Wiechers (links) und Thomas Müller.  Foto: Mario Berger

Thomas Zeitz und Mike Vogelgesang aus dem Neckarsulmer Trainerteam standen mit Gäste-Trainer Till Wiechers und dessen Assistent Thomas Müller beratend beieinander. Sport-Union Geschäftsführer Manuel Adler, Christian Saup und die für die Spieltagsorganisation Verantwortlichen Sascha Göttler und Marvin Schiedt steckten die Köpfe zusammen, doch es fand sich keine Lösung.

Keiner der erfahrenen Personen aus dem Vereinsumfeld konnte sich an ein ähnliches Problem erinnern. „Ich weiß nicht, was seit Donnerstag hier passiert ist“, sagte Thomas Zeitz und Vereinschef Rolf Härdtner betonte: „Wir haben keine Erklärung für das Ganze.“

HBF setzte Partie nach rund 25 Minuten ab

Fest stand jedoch, dass der Boden an einigen quadratmetergroßen Stellen beinahe spiegelglatt war. Vor allem in der Spielhälfte vor der Bechtle-Tribüne waren die Außen und der Kreis vor dem Tor so rutschig, dass unter Wettkampfbedingungen die Gesundheit der Akteurinnen gefährdet gewesen wäre. Während Nina Engel einigen Stellen im Halbfeld nach ihren Rutschtests noch nickend Bespielbarkeit attestierte, schüttelte Kreisläuferin Kim Hinkelmann bei der Inspizierung ihres Arbeitsplatzes den Kopf.

Nach Rücksprache mit den Verantwortlichen der Handball Bundesliga Frauen (HBF), den Schiedsrichterinnen Katharina Heinz und Sonja Lenhardt sowie den Vereinsverantwortlichen setzte die HBF das Spiel rund 25 Minuten nach seinem eigentlich geplanten Anwurf ab. Während Thomas Zeitz die Gesundheit seiner Spielerinnen nicht gefährden wollte, hatte auch der SV Union Halle-Neustadt kein Interesse daran, die Partie um jeden Preis auszutragen.

Ursachenforschung noch im Anfangsstadium

Bei der Ursachenforschung ebenso wie bei den Konsequenzen der Absage herrschte am Abend zunächst Ratlosigkeit. Nachdem der Bundesligist am Donnerstag noch in der Ballei trainiert und anschließend Jugend-Mannschaften und die Verbandsliga-Männer ihre Einheiten absolviert hatten, war die städtische Halle am Karfreitag wegen des Feiertags eigentlich geschlossen.

Gereinigt wurde sie offenbar trotzdem, schließlich war der Boden am Samstag wieder haftmittelfrei. Ob die externe Firma, die normalerweise im Auftrag der Stadt Neckarsulm für die Reinigung der Spielfläche verantwortlich ist, ihrer Arbeit auch am Feiertag nachgegangen ist, war am Samstagabend noch nicht zu klären, so dass die Stadt spätestens nach den Osterfeiertagen alles daran setzen dürfte, herauszufinden, wer dort wann und vor allem mit was gereinigt hat.

Auch Spiritus schafft keine Abhilfe

"Es fühlt sich an, als wäre an den entsprechenden Stellen die Versiegelung, die dünne Kautschukschicht, weg", versuchte Thomas Zeitz dem Problem auf den Grund zu gehen. Seine Spielerinnen und Torhüterinnen-Trainer Oliver Rieth hatten bereits lange vor dem geplanten Anwurf versucht, mit Harz und Bällen dem Boden seine Rutschfestigkeit zurück zu geben.

Alle packten mit an, doch auch Oliver Rieth, Lena Ivancok, Valentyna Salamakha und Agni Zygoura (von links) gelang es nicht, den Boden spielfähig zu bekommen.
Alle packten mit an, doch auch Oliver Rieth, Lena Ivancok, Valentyna Salamakha und Agni Zygoura (von links) gelang es nicht, den Boden spielfähig zu bekommen.  Foto: Mario Berger

"Wir haben es auch mit Spiritus versucht", erzählte Neckarsulms Vorstandsmitglied Bernd Dollmann. Doch nach einem kurzfristen Abstumpfen seien die entsprechenden Stellen nach dem Abtrocken wieder so glatt wie zuvor gewesen.

Verliert die Sport-Union die Punkte am Grünen Tisch?

Ob die Sport-Union die Punkte nun am Grünen Tisch verliert oder das Spiel neu angesetzt wird, wird sich ebenfalls erst nach den Feiertagen entscheiden. Hier liegt der Ball bei der HBF. „Über das weitere Vorgehen und einen möglichen Nachholtermin informieren wir zeitnah“, hieß es von der Liga in einer ersten Mitteilung.

Entscheidend wird sein, ob die HBF die Absage als "Höhere Gewalt" oder als Verschulden des gastgebenden Vereins einstuft. In letzterem Fall dürften die Punkte kampflos an den direkten Konkurrenten nach Halle an die Saale gehen. Dies wäre für die um ihre letzte Chance auf den Klassenerhalt kämpfende Sport-Union der Super-GAU. Daher verwunderte es nicht, dass sich Neckarsulms Rückraum-Akteurin Munia Smits nach der Absage als erstes erkundigte, ob das Spiel wenigstens zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden wird.

Bange Blicke nach Dortmund

"Die HBF wird sich wahrscheinlich am Dienstag in Dortmund zusammensetzen und darüber beraten", sagte Bernd Dollmann. "Alles andere wäre heute Abend nur Spekulation." Die Sorgte, dass das Spiel kampflos verloren sein könnte, trieb auch Thomas Zeitz um, obwohl es für den Trainer eigentlich nur eine Entscheidung geben könnte: "Das ist eine städtische Halle und wir sind als Verein auch nicht für die Reinigung verantwortlich." Soll heißen: Der Sport-Union trifft aus seiner Sicht keine Schuld für die Absage.

Ob das die HBF auch so sieht, oder ob sie es den Gastgebern zum Vorwurf macht, zum erforderlichen Zeitpunkt keine adäquate Spielstätte gestellt zu haben, wird sich wohl erst in der nächsten Woche entscheiden. Interessiert dürfte die Entscheidung auch in Solingen, Bad Wildungen und Zwickau verfolgt werden. Dem Trio im Tabellenkeller käme eine Wiederansetzung (mit einem möglichen Sieg der am Tabellenende mit sechs Punkten Rückstand auf das rettende Ufer abgeschlagenen Neckarsulmerinnen) wohl eher zupass, als zwei kampflos an Halle-Neustadt zugesprochene Punkte, die den SV Union mit drei Punkten von der Abstiegszone entfernen würden.

Finanzielle Folgen für den Verein

Solingen und Bad Wildungen trennten sich am Samstagabend in der Klingenstadt 28:28 (14:14), was wiederum der Sport-Union Neckarsulm nicht ganz unrecht gewesen sein dürfte. Vorausgesetzt, sie bekommt die Chance, die Punkte gegen Union Halle-Neustadt noch selbst zu erkämpfen.

Der Vorstandsvorsitzende der Sport-Union Neckarsulm, Rolf Härdtner, Handball-Abteilungsleiter Christian Saup und Vorstandsmitglied Bernd Dollmann (von links) beratschlagten das weitere Vorgehen, bevor Saup die Absage verkündete.
Der Vorstandsvorsitzende der Sport-Union Neckarsulm, Rolf Härdtner, Handball-Abteilungsleiter Christian Saup und Vorstandsmitglied Bernd Dollmann (von links) beratschlagten das weitere Vorgehen, bevor Saup die Absage verkündete.  Foto: Mario Berger

Sollte die Partie noch ausgetragen werden, dürfte der Neckarsulmer Verein aber mindestens für die erneute Anreise des Gegners finanziell aufkommen müssen. Zudem heißt es in den Durchführungsbestimmungen der HBF: „Die Absage eines festgesetzten Spiels kann von der Spielleitenden Stelle der HBF mit einer Geldbuße von bis zu 5000 Euro belegt werden.“

Eintrittskarten für die Partie gegen den SV Union Halle-Neustadt bleiben „grundsätzlich gültig“, wie Christian Saup den Zuschauern am Ende seiner Durchsage noch mit auf den Heimweg gab. „Informationen zu einer Rückabwicklung folgen in den kommenden Tagen.“

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