Stimme+
Handball
Hinzugefügt. Zur Merkliste Lesezeichen setzen

Nach dem Höhenflug ist die Sport-Union Neckarsulm wieder geerdet

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Auf die Enttäuschung über das Ausscheiden im DHB-Pokal gegen die HSG Bensheim/Auerbach folgt bei der Sport-Union Neckarsulm schnell neuer Arbeitseifer. Doch jeder verarbeitete den geplatzten Final-Four-Traum am Mittwochabend auf seine Weise.

Wenn Gesichter mehr als tausend Worte sagen: Ihre Enttäuschung war den Spielerinnen der Sport-Union Neckarsulm am Mittwochabend anzusehen.
Wenn Gesichter mehr als tausend Worte sagen: Ihre Enttäuschung war den Spielerinnen der Sport-Union Neckarsulm am Mittwochabend anzusehen.  Foto: Michaelis, Stefan

Alicia Soffel saß noch eine Dreiviertelstunde nach Spielschluss, ungeduscht und im weiß-blauen Auswärtstrikot, im Kreise ihrer ehemaligen Teamkolleginnen und schien die Enttäuschung einfach wegzulachen. Lilli Holste suchte hingegen Trost bei ihrem Partner, und Antje Döll unterhielt sich noch lange mit Ex-Teamkollegin Kim Irion.

Jede Neckarsulmerin war am Mittwochabend auf ihre Weise darum bemüht, den geplatzten Traum vom Final Four in Stuttgart zu verarbeiten. Zeit hatte es dafür angesichts des klaren Spielverlaufs bereits in Hälfte zwei genug gegeben, doch erst mit der Schlusssirene und dem 39:31 (23:17)-Sieg der HSG Bensheim/Auerbach fiel in der Weststadthalle alle Anspannung ab, was wiederum Raum und Zeit bot für Emotionen und Reaktionen.


Mehr zum Thema

Stimme+
Handball
Hinzugefügt. Zur Merkliste Lesezeichen setzen

DHB-Pokal-Final-Four bleibt für die Sport-Union Neckarsulm ein Traum


Wie Kahn in Yokohama: Kordovská und der Torpfosten

Am meisten zu schaffen machte der bittere Viertelfinal-K.o., zumindest äußerlich, Kamila Kordovská. Die Tschechin vergoss ein paar Tränchen und wandte sich frustriert ab, als die Bensheimer Spielerinnen nach Spielschluss erst ihre roten Final-Four-Sonder-T-Shirts überstreiften und dann über das Hallenmikrofon einen „Humba“-Gesang anstimmten. Kordovská lehnte zeitweise allein und mit leerem Blick an einem der Torpfosten und rief dem Betrachter damit die Bilder des enttäuschten Oliver Kahn ins Gedächtnis, der 2002 nach dem verlorenen WM-Finale von Yokohama das Geschehene ähnlich gedankenverloren zu verarbeiten versuchte.

Trainer Thomas Zeitz stand dagegen schnell im Kreise seines Trainerstabs und diskutierte das Geschehene. „Ich bin eher wachgerüttelt und geerdeter als enttäuscht“, sagte der 51-Jährige angesichts des Klassenunterschieds, der die Bensheimer Gastgeberinnen ins Halbfinale geführt hatte. „Aber die Mädels sind enttäuscht – und das auch zurecht. Denn da ist heute bei einigen ein Traum zerplatzt“, wusste Zeitz, dass der Abend zumindest kurzfristig Spuren hinterlassen wird.

Neckarsulmer Frust und Enttäuschung über die eigene Leistung

„Vielleicht täte es noch mehr weh, wenn wir hier heute in der letzten Sekunde mit einem Tor verloren hätten, aber wir sind trotzdem alle enttäuscht und traurig, dass wir nicht dabei sind. Das Final Four war schon ein Traum. Es ist einfach nur schade, dass wir es nicht geschafft haben“, rang Kamila Kordovská später auch mit dem Abstand einer ausgiebigen Dusche noch nach passenden Worten.

„Wir können viel mehr – das ist fast die größere Enttäuschung als das verpasste Final Four.“

Lilli Holste

„Die Enttäuschung wird die nächsten ein, zwei Tage schon noch drinsitzen“, war sich auch Lilli Holste sicher, die es an ihrer ehemaligen Wirkungsstätte gerne etwas spannender gemacht hätte: „Die Enttäuschung ist groß, weil wir uns eigentlich nicht so präsentieren wollen, wie wir es heute getan haben. Wir können viel mehr – und das ist fast die größere Enttäuschung als das verpasste Final Four.“

Überzahlspiel ist in der Bensheimer Weststadthalle der einzige Mutmacher

In beinahe allen Bereichen war das Viertelfinal-Duell eine klare Angelegenheit gewesen. „Wir haben die Zweikämpfe in der Abwehr nicht gut geführt. Wir wussten zwar, dass die Bensheimerinnen uns im Angriff viele Möglichkeiten geben werden, aber wir wussten auch, dass sie auch immer für 30 oder mehr Tore gut sind“, skizzierte Linksaußen Döll die gute Vorbereitung, aber schwache Umsetzung des Matchplans.


Mehr zum Thema


Thomas Zeitz hatte von siebter Feldspielerin, Einzelbewachung für HSG-Spielmacherin Mareike Thomaier, zwei Kreisläuferinnen und einem Torhüterinnen-Wechsel beinahe das gesamte taktische Handball-Repertoire ausprobiert; fruchtbar war – mit Abstrichen – jedoch einzig das Überzahlspiel.

Auswärtsdoppel in Oldenburg und Bensheim als Standortbestimmung

„Die Mannschaft hat sich nicht aufgegeben oder abschlachten lassen. Aber wir müssen für die Zukunft einfach unsere Fehler abstellen“, monierte Zeitz angesichts von allein 15 technischen Fehlern. „Und wenn du hier ins Final Four willst, musst du auch Zweikämpfe führen. Wir haben aber 80 Prozent unserer Eins-gegen-eins-Duelle einfach verloren.“


Der Trainer interpretierte die deutliche Viertelfinal-Niederlage wie eine kalte Dusche, einen Wachmacher, der als Standortbestimmung taugt. „Ich habe den Mädels in der Kabine gesagt, dass das nach wie vor die beste Mannschaft ist, die ich trainieren möchte; mit super Potenzial und Entwicklungsmöglichkeiten“, sagte Zeitz.

„Aber dort, wo wir vielleicht gedacht haben, dass wir schon sind – in Sachen Stabilität und Abgeklärtheit –, da sind wir noch nicht. Wir haben in den vergangenen Wochen also nicht drei Schritte gemacht, sondern einen. Und wir sind gut beraten, jetzt einen kleinen nächsten zu machen. Aber geerdet sollten wir jetzt alle wieder sein – auch ich.“

Noch viel Arbeit, aber auf dem richtigen Weg: Arbeitseifer ist ungebrochen

Thomas Zeitz dürfte es demnach gefallen, dass Spielerinnen wie Lilli Holste ihren Arbeitseifer während der beiden schwachen Spiele in Oldenburg und Bensheim nicht verloren haben: „Die Energie im und rund ums Team war nach dem sehr guten Saisonstart sehr positiv. Wir müssen uns aber nach den vergangenen Spielen eingestehen, dass wir zwar auf einem guten Weg sind, aber noch viel Arbeit vor uns haben“, sagte die 24-Jährige, als zumindest die erste Enttäuschung über das Pokal-Aus bereits verdrängt war.


Sport-Union Neckarsulm: Ivancok (4 Paraden); Fossum (8 Paraden) – Ossenkopp (3), Gudmestad (2), Hinkelmann (1), Smits (2), Uscinowicz (7), Döll (10/3); Bruggeman, Soffel (3), Kordovská (1), Holtman, van der Linden (2), Albers, Holste.

Erfolgreichste Werferinnen HSG Bensheim/Auerbach: Nina Engel (12), Mareike Thomaier (8/2).

Schiedsrichter: Frederic Linker/Sascha Schmidt.

Siebenmeter: HSG Bensheim/Auerbach: 4/5; Sport-Union Neckarsulm: 3/4.

Zeitstrafen: 2/1.

Zuschauer: 905.

Kommentare öffnen
Nach oben  Nach oben