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Ereignisreiches Sprint-Debüt rund um Wohlmuthausen

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Ein Gentlemen’s Agreement entscheidet den 1. HWRT Rallye-Sprint. Nachdem mehrere Favoriten Probleme haben, wird die 15-Kilometer-Rallye zu einem Duell zweier Dreizylinder-Turbos.

Rainer Noller/Tanja Schlicht (HMC Öhringen) wurden in einem Opel Corsa Rally4 beim 1. HWRT Rallye-Sprint des HWRT Wohlmuthausen Gesamtsieger.
Rainer Noller/Tanja Schlicht (HMC Öhringen) wurden in einem Opel Corsa Rally4 beim 1. HWRT Rallye-Sprint des HWRT Wohlmuthausen Gesamtsieger.  Foto: privat

Rainer Noller ist am Samstagnachmittag zunächst leicht verstimmt. Es gibt Meinungsverschiedenheiten. Über Regelauslegungen und ungeschriebene Rallye-Gesetze.

Auf der einen Seite: Noller. Der Routinier aus Abstatt ist beim erstmals ausgetragenen Rallye-Sprint des HWRT Wohlmuthausen schnell. Mal wieder, möchte man meinen, ist der 53-Jährige mit seiner Öhringer Co-Pilotin Tanja Schlicht dabei, mit seinem untermotorisierten Opel Corsa Rally4 mit Dreizylinder-Turbomotor der vierzylindrigen Mitsubishi- und BMW-Konkurrenz ein Schnippchen zu schlagen.

Tom Kässer ist Rainer Noller früh auf den Fersen

Auf der anderen Seite: Rallye-Leiter Benjamin Schmidt. Ohne ihn fährt bei bestem Sommerwetter niemand irgendwohin. Schmidt ist der Kopf der Veranstaltung, derjenige, der im Zweifel die Entscheidungen trifft.

Ungewollt mittendrin: Tom Kässer mit Beifahrer Stephan Schneeweiß. Das Duo vom ADAC OC Winnenden startet im Peugeot 208 Rally4, der bis auf die Karosserie exakt baugleich mit Nollers Opel Corsa ist. Und auch Kässer ist schnell. Der diesjährige Deutsche Meister (DRM) der 2WD-Wertung für Fahrzeuge ohne Allradantrieb liegt nach der ersten Wertungsprüfung nur 0,2 Sekunden hinter Noller auf Rang drei. An der Spitze stehen Kai Otterbach (Obersontheim) und Jannik Wagner (Frankenhardt). 2,7 Sekunden beträgt ihr Vorsprung auf Rainer Noller, bevor es auf WP2 hoch her gehen wird.

Der Hauptsponsor als schlechtes Omen

Dass der Hauptsponsor der Sprint-Veranstaltung ausgerechnet ein Bretzfelder Abschlepp-Dienst ist, erweist sich für einige Starter als schlechtes Omen. So auch für Otterbach und Wagner, die nicht nur wegen ihres PS-starken Mitsubishi Lancer Evolution IX auf dem Papier als Top-Favoriten gelten. Auf der zweiten Wertungsprüfung machen sie jedoch unliebsame Bekanntschaft mit einem Baum. Weil danach die Hinterradaufhängung des Lancers nicht mehr so will wie seine Fahrer, scheidet das Duo vorzeitig aus.

Kai Otterbach/Jannik Wagner waren auf Kurs Gesamtsieg, bis sie von der Hinterradaufhängung ihres Mitsubishi Lancer Evolution IX gestoppt wurden.
Kai Otterbach/Jannik Wagner waren auf Kurs Gesamtsieg, bis sie von der Hinterradaufhängung ihres Mitsubishi Lancer Evolution IX gestoppt wurden.  Foto: Kunz

Bis ins Parc fermé schaffen es nach der zweiten WP immerhin noch Jürgen Schneider (Obersontheim) und Albert Herfelder (Frankenhardt). Doch als am Hinterachsdifferential ihres Ford Fiesta S2000 Rauch aufsteigt und nach einem Feuerlöscher gerufen wird, ist klar: Auch für sie ist der Rallye-Tag vorzeitig beendet.

Kübler hilft bei der Organisation und kämpft mit seinem Lancer

Ulrich Kübler und Armin Seeger vom HMC Öhringen fahren hingegen weiter – bei der Premierenveranstaltung sogar mit der Startnummer 1. „Ulli hat uns bei der Planung und der Auswahl der Strecken viel geholfen“, erzählt Robin Zaiß, der für das Hohenloher Whisky Racing Team nicht nur bei der Organisation involviert war, sondern als Beifahrer auch selbst zum Starterfeld zählt. Dass Kübler/Seeger auf der dreimal zu befahrenden, fünf Kilometer langen Wertungsprüfung vorausfahren, ist daher auch eine kleine Geste des Dankes an die siebenmaligen Sieger der Unterland-Hohenlohe-Wertungsfahrt.

Ulrich Kübler und Armin Seeger machten mit der Startnummer 1 den Anfang.  Am Ende verpassten die Routiniers als Vierte das Podest knapp.
Ulrich Kübler und Armin Seeger machten mit der Startnummer 1 den Anfang. Am Ende verpassten die Routiniers als Vierte das Podest knapp.  Foto: Kunz

Seinen vermeintlichen Wissensvorsprung kann Kübler allerdings nicht nutzen. Bereits auf der ersten WP muss der Öhringer beim Übergang von Schotter- auf Asphaltbelag auf einer Kuppe ordentlich kämpfen, um seinen Mitsubishi Lancer Evolution VIII auf der Straße zu halten. Die dadurch verlorenen Sekunden sind bei insgesamt nur 15 WP-Kilometern nicht mehr aufzuholen.

Anspruchsvolle Strecke verzeiht keine Fehler

„Bei diesen Sprint-Formaten sind alle so eng beieinander, dass es fast unmöglich ist, größere Zeitverluste wieder aufzuholen. Wenn man sich einmal verschaltet, kostet das direkt ein bis zwei Sekunden“, erklärt Robin Zaiß beim ersten Re-Grouping am Nachmittag. Fünfter sind er und Fahrer Tom Hettenbach in einem BMW E36 318is zu diesem Zeitpunkt und damit ganz zufrieden. Am Ende werden nur Tom Kässer und Rainer Noller schneller gewesen sein.

Gefahren wird zumeist auf land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken dienenden Feldwegen zwischen Wohlmuthausen, Orendelsall und Schwarzenweiler, die mal besser und mal schlechter befestigt sind. Nach dem Start auf der Röntgenstraße in Forchtenberg säumen bergauf bergab vor allem Getreide- und Rüben-Felder den Streckenrand. „Es ist anspruchsvoller, als es aussieht“, sagt Rainer Noller mit einer Mischung aus Respekt und Anerkennung.

Otterbachs folgenschwerer Unfall stößt Diskussionen an

Am Zuschauerpunkt nordwestlich von Wohlmuthausen ist der Andrang groß. Es gibt Rote Wurst vom Grill und einen weiten Blick über verschiedene Streckenpassagen. Dass die Fahrzeuge just dort nach einer 90-Grad-Rechtskurve bei der Fahrt hinauf zu einer Kuppe reichlich Staub aufwirbeln und diesen in der Folge hinter sich her ziehen, sorgt bei zahlreichen (Hobby-)Fotografen zudem für rallyetypische Bildmotive.

Schon während der ersten Wertungsprüfung zur Mittagszeit verfolgten zahlreiche Zuschauer das Geschehen am Streckenrand.
Schon während der ersten Wertungsprüfung zur Mittagszeit verfolgten zahlreiche Zuschauer das Geschehen am Streckenrand.  Foto: Kunz

Im Auto hat man dafür naturgemäß keine Augen. Für die Fahrer zählt einzig die Zeit – und die sorgt nach WP2 für Diskussionen. Denn Kai Otterbach, mit der Startnummer 2 in die Rallye gegangen, hat durch seinen Unfall den unmittelbar nach ihm mit der Nummer 3 gestarteten Tom Kässer so sehr behindert, dass dieser auf der Wertungsprüfung mehr als zwölf Sekunden verliert.

Als hingegen Rainer Noller mit der Startnummer 4 folgt, ist die Strecke wieder frei, so dass sich Noller nach dem Ausfall des Top-Favoriten Otterbach und dem immensen Zeitverlust des Deutschen 2WD-Meisters Kässer eigentlich nur noch selbst schlagen kann.


Rallye-Leiter gibt Tom Kässer eine zweite Chance

Das ändert sich jedoch, als Rallye-Leiter Benjamin Schmidt Tom Kässers WP-Zeit annullieren lässt und dem 27-Jährigen erlaubt, die zweite Wertungsprüfung ein zweites Mal zu befahren. „Diese Möglichkeit gibt das Reglement – anders als bei größeren Rallyes – bei einem Sprint-Format her, wenn ein Fahrer auf seinem solch kurzen WP-Stück stark behindert wird“, erklärt Schmidt.

Kässer fährt also ein zweites Mal und ist statt über zwölf Sekunden langsamer danach sechs Sekunden schneller als Rainer Noller. Der ist verstimmt. Seiner Meinung nach hatte Kässer auf der ersten Fahrt der zweiten Wertungsprüfung einen eigenen Fahrfehler gemacht, der ihn auch ohne Kai Otterbachs Behinderung keine Spitzenzeit hätte erzielen lassen.

Tom Kässer fuhr als Deutscher Meister der 2WD-Wertung mit Co-Pilot Stephan Schneeweiß schneller als alle anderen. Auf den Gesamtsieg verzichtete er allerdings.
Tom Kässer fuhr als Deutscher Meister der 2WD-Wertung mit Co-Pilot Stephan Schneeweiß schneller als alle anderen. Auf den Gesamtsieg verzichtete er allerdings.  Foto: Kunz

Gelöst wird die Meinungsverschiedenheit vor der dritten und letzten Wertungsprüfung nicht. Noller fährt mit dem Gefühl, die Rallye werde zu seinen Ungunsten künstlich spannend gehalten, Kässer mit dem Wissen um die unverhoffte Chance auf den Gesamtsieg. Das Angebot von Rallye-Leiter Schmidt, mit dem er auch Noller die zweite WP noch ein weiteres Mal befahren lassen möchte, um die Chancengleichheit zwischen dem Spitzenduo wieder herzustellen, lehnt der Abstatter ab.

Kässer verzichtet, Noller triumphiert

Im Ziel steht bei Kässer/Schneeweiß schließlich eine Gesamtzeit von 9:54,6 Minuten, bei Noller/Schlicht wird eine 10:05,0 gemessen. Der Altmeister muss sich dem 2WD-DRM-Champion geschlagen geben. Doch der Rallye-Sport wäre nicht der Rallye-Sport, wenn er nicht noch eine letzte Wendung bereithielte. Denn die beiden Konkurrenten stecken die Köpfe zusammen, diskutieren, tauschen Sichtweisen und Meinungen aus. Ohne den selbstauferlegten Druck des Gewinnenmüssens. Ohne die Unmittelbarkeit der Entscheidung von Rallye-Leiter Schmidt. „Wir sind alle faire Sportsleute“, wird Rainer Noller hinterher sagen.

Am Ende aller Diskussionen und eines ereignisreichen Samstages sucht man den Peugeot 208 Rally4 von Tom Kässer und Stephan Schneeweiß im Parc fermé schließlich vergebens. Der designierte Sieger verzichtet. Wessen Fahrzeug nach einer Veranstaltung nicht für die Sportwarte zugänglich im Parc fermé steht, der wird auch nicht gewertet.

So ist Kässer zwar der Schnellste, aber Noller der Premierensieger des HWRT Rallye-Sprints, der aus dem Fahrerlager viel Lob für seine anspruchsvolle und abwechslungsreiche Strecke bekommt. Ein bisschen wird die Debüt-Veranstaltung auch deswegen wohl noch eine ganze Weile in Erinnerung bleiben.


Ergebnisse des 1. HWRT Rallye-Sprints

Gesamtwertung (44 Starter/34 Gewertet)
1. Rainer Noller/Tanja Schlicht (HMC Öhringen), Opel Corsa Rally4, 10:05,0 Minuten
2. Tom Hettenbach/Robin Zaiß (HWRT Wohlmuthausen), BMW E36 318is, +1,3 Sekunden
3. Ralf Stütz (Pommertsweiler)/Leon Stütz (Pommertsweiler), Mitsubishi Lancer Evolution IX, +3,0 Sekunden
4. Ulrich Kübler/Armin Seeger (HMC Öhringen), Mitsubishi Lancer Evolution VIII, +7,2 Sekunden
4. Thomas Sobek (Großkarolinenfeld)/Hartmut Geist (Schmalkalden), Mitsubishi Lancer Evolution IX, +7,2 Sekunden

Klassensieger
NC1 (8 Starter): Ralf Stütz (Pommertsweiler)/Leon Stütz (Pommertsweiler), Mitsubishi Lancer Evolution IX, 10:08,0 Minuten
NC2 (6 Starter): Christian Sier/Franziska Kraft (AMSC Pohlheim), BMW E36 M3, 10:24,3 Minuten
NC3 (11 Starter): Tom Hettenbach/Robin Zaiß (HWRT Wohlmuthausen), BMW E36 318is, 10:06,3 Minuten
NC4 (9 Starter): Thomas Schober/Daniela Kurz (RT Mögglingen), VW Golf II 1.6, 10:43,3 Minuten
NC6 (3 Starter): Nils Hägele (Bühlerzell)/Jan Hägele (Obersontheim), VW Golf III GTi 16V, 11:36,2 Minuten
NC8 (3 Starter): Tim Raimann (Korntal)/Marco Schieder (Kornwestheim), BMW E36 318ti Compact, 11:51,1 Minuten
RC2 (1 Starter): keine Fahrzeuge gewertet
RC3 (1 Starter): Guido Hudelmaier/Jasmin Santos (ADAC OC Winnenden), Ford Fiesta Rally3 Evo, 10:37,8 Minuten
RC4 (2 Starter): Rainer Noller/Tanja Schlicht (HMC Öhringen), Opel Corsa Rally4, 10:05,0 Minuten
Retro Rallye-Sprint (11 Starter): Michael Kübler/Michaela Kübler (ADAC Nordbaden), BMW E36 318ti, 00:00,92 Minuten

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