Rallye-Spektakel in Hohenlohe: Die Uhr kennt keine Träume
Die 33. Unterland-Hohenlohe-Wertungsfahrt wird zur Otterbach-Show. Obersontheimer BMW-Duo triumphiert in allen Wertungen. Polizei ermittelt nach Baumstamm-Vorfall.

Es ist eine unscheinbare Rechtskurve zwischen den Neuensteiner Weilern Emmertshof und Löschenhirschbach, die bereits auf der zweiten Wertungsprüfung erste Träume platzen lässt. "Rechts, zwei. Halblang. Nicht schneiden. Macht auf." So ähnlich dürften es die Fahrer an dieser Stelle aus dem Gebetbuch ihres Nebenmannes angesagt bekommen haben. Nach einem kleinen Waldstück und der Überquerung des Hirschbachs verkompliziert zusätzlich eine kleine Bodenwelle das Durchfahren des Rechtsknicks.
Tolle Fotomotive helfen den Fahrern nicht unbedingt
Doch weil ansagen und durchfahren nicht das Gleiche sind, endet für einige bereits an dieser Stelle der Traum vom obersten Platz auf dem Podest. Ralf und Leon Stütz zum Beispiel landen mit dem linken Hinterrad ihres Gefährts im angrenzenden Acker. Was spektakulär aussieht und bei den zahlreichen Zuschauern für Jubel und angesichts des aufwirbelnden Staubs für tolle Fotomotive sorgt, ist aber nicht besonders schnell. Der Allradantrieb ihres Mitsubishi Lancer Evo VIII bewahrt das Duo aus Pommertsweiler zumindest vor großen Zeitverlusten.

Anders sieht es bei Sebastian Schmidt und Nina Blumreich aus. Nachdem Schmidt den Bremspunkt verpasst, steckt der weiße Honda Civic Type-R EP3 mit Frontantrieb fest. Stillstand, Rückwärtsgang, neu anfahren, Zeitverlust. Während sich Stütz/Stütz immerhin noch auf Platz neun der zweiten WP vorkämpfen, landet das Honda-Duo auf Rang 27. Die Uhr kennt keine Träume.
Machtdemonstration von Kai und Tim Otterbach
Die 33. Unterland-Hohenlohe-Wertungsfahrt von HMC Öhringen und HWRT Wohlmuthausen ist eine Rallye der kurzen Wege - für die Teams wie für die Zuschauer. Und sie ist anspruchsvoll, schnell und beinhaltet auf den sechs Wertungsprüfungen zahlreiche kleine Finessen.
Zwei, die die Strecke und ihr Fahrzeug besonders gut beherrschen, sind Kai (32) und Tim (26) Otterbach. Das Brüderpaar aus Obersontheim fährt mit der Startnummer 1 voraus, Kai Otterbach ist Titelverteidiger. Nach 34 WP-Kilometern haben die beiden ihren BMW E36 M3 mehr als 20 Sekunden schneller als der Rest des Feldes über die Wertungsprüfungen gejagt - eine echte Machtdemonstration.
Vollgas auch im zweiten Durchgang
Es sei aber alles andere als ein entspannter Samstagnachmittag gewesen, versichert Kai Otterbach später im Ziel: "In den ersten zwei Prüfungen hatten wir von Jörg Dörre gewaltig Druck von hinten." Eins, fünf und acht Sekunden fahren die Brüder in den ersten drei WP auf Dörre und Hans-Jürgen Herzog im gleichen Gefährt heraus. "Das ist nicht viel. Ein Verbremser und der Vorsprung ist sofort weg", sagt Kai Otterbach.
Wichtig sei vor allem die Konstanz gewesen: "Wir konnten unsere Zeiten in der zweiten Schleife dann noch einmal fahren." Nach den ersten drei Wertungsprüfungen und einem Regrouping müssen dieselben Abschnitte am Nachmittag erneut befahren werden. "Und wenn man dann langsamer oder auf Sicherheit fährt, dann macht man erst recht Fehler."
Licht und Schatten beim Abstatter Fahrer-Duo
Langsamer sind auch die Starter aus dem Unterland, doch bei Fahrer Rainer Noller (Abstatt) und Co-Pilotin Tanja Schlicht (Öhringen) sowie beim Duo Dennis Härle (Abstatt)/Jasmin Santos (Laichingen) liegt das zuvorderst am schwächer motorisierten Gefährt. Noller/Schlicht liefern sich im Opel Corsa Rally4 (210 PS) mit Tom Kässer und Stephan Schneeweiß im baugleichen Peugeot 208 Rally4 einen Kampf um den Klassensieg, den sie letztlich mit 23 Sekunden Vorsprung souverän für sich entscheiden können. Auch Gesamtrang fünf kann sich sehen lassen.

Dennis Härle und Jasmin Santos erleben hingegen eine wechselhafte Rallye. Ihr Opel Adam Cup hat zunächst Probleme mit der Bremsbalance, ein Dreher und eine Zehn-Sekunden-Strafe nach einer verschobenen Schikane auf WP2 kosten darüber hinaus viel Zeit. Auf den Wertungsprüfungen 4 bis 6 läuft es danach jedoch flüssiger. Neben dem Klassensieg steht für das Duo am Ende Gesamtrang 36.
Polizei fahndet nach Gefährdern
Für die Zuschauer ist vor allem der "Rebbingshof"-Rundkurs der WP 3 und 6 ein Spektakel. Je zweimal und teilweise im 30-Sekunden-Takt bekommen sie das Starterfeld aus nächster Nähe zu sehen. Auch für das Team Otterbach, das unter der Woche noch an Schaltung und Getriebe seines BMW gearbeitet hatte, ist der Kurs anspruchsvoll. "Eine sehr wellige Fahrbahn, viele hängende Kurven, fahrerisch anspruchsvoll", beschreibt Fahrer Kai Otterbach die WP nahe Kesselfeld. Doch auch hier fährt das Duo zweimal klar Bestzeit.
Marcel Knorpp und Andreas Kramer wird die erste Rundkurs-Durchfahrt hingegen zum Verhängnis. Ihr Honda Civic landet im Graben, die zerstörte linke Front verhindert ein Weiterfahren. Es bleibt jedoch der einzige selbstverschuldete Unfall des Tages. Für Unmut sorgt am Veranstaltungstag lediglich ein Baumstamm, den Unbekannte am Nachmittag auf die Strecke gelegt hatten. Zwei Teilnehmer überfahren das Hindernis mit rund 100 km/h, geraten ins Schleudern und erleiden in der Folge leichte Verletzungen. Die Polizei Öhringen ermittelt.
Von Pokalen bis Bier: Otterbach-Brüder räumen alles ab
Aus organisatorischer Sicht kann Toni Geist am Abend jedoch eine positive Bilanz ziehen. "Es hat fast alles einwandfrei funktioniert", sagt der Organisationsleiter. Seit 7 Uhr waren er und sein großes Helfer-Team rund um Neuenstein unterwegs gewesen.

Knapp 15 Stunden später ist der Tisch vor Kai und Tim Otterbach voll: Pokale für Gesamt- und Klassensieg sowie für den Erfolg in der Teamwertung, Plaketten für die schnellste WP-Zeit, zwei Siegerkränze und Fünf-Liter-Fässchen des regionalen Biersponsors. Zusätzlich gibt es maximale Punkte für die AVD Rallye-Meisterschaft und die Württembergische ADAC Rallye-Meisterschaft. Mehr geht nicht. Selbst ein Ausrutscher in der unscheinbaren Rechtskurve zwischen Emmertshof und Löschenhirschbach wäre für das Duo an diesem Samstag wohl zu verschmerzen gewesen.
Ergebnisse der 33. Unterland-Hohenlohe-Wertungsfahrt
Gesamtwertung (60 Teams):
1. Kai Otterbach/Tim Otterbach (BMW E36 M3) 19:51,6 Min.
2. Jörg Dörre/Hans-Jürgen Herzog (BMW E36 M3) +20,1 Sek.
3. John Macht/Tobias Glatzel (Mitsubishi Lancer Evolution VI) +28,9 Sek.
4. Michael Bäder/Achim Hausch (BMW E46 M3 Compact) +34,4 Sek.
5. Rainer Noller/Tanja Schlicht (Opel Corsa Rally4) +42,4 Sek.
Klassensieger:
NC1 (7 Teams): Kai Otterbach/Tim Otterbach (BMW E36 M3) 19:51,6 Min.
NC2 (5 Teams): Jörg Dörre/Hans-Jürgen Herzog (BMW E36 M3) 20:11,7 Min.
NC3 (32 Teams): Jochen Böhringer/Roland Bürk (BMW E30 318is) 21:15,30 Min.
NC4 (9 Teams): Ernst-Georg Reinmann/Sven Metzger (Ford Fiesta) 22:15,6 Min.
NC6 (3 Teams): Reinhard Honke/Philipp Hutzler (BMW M140i xDrive) 21:33,0 Min.
RC3 (1 Team): Guido Hudelmaier/Yasmin Kramer (Ford Fiesta Rally3) 21:59,1 Min.
RC4 (3 Teams): Rainer Noller/Tanja Schlicht (Opel Corsa Rally4) 20:34,0 Min.
RC5 (1 Team): Dennis Härle/Jasmin Santos (Opel Adam Cup) 23:48,7 Min.
Retro-Wertung (21 Teams):
1. Max Birnbreier/Timo Birnbreier (Lancia Fulvia) 00:00,64 Min.
2. Wolfgang Michalsky/Fabian Michalsky (Alfa Romeo Giulia) +0,18 Sek.
3. Andreas Zuhnemer/Max Buchert (Renault R5 GT Turbo) +0,26 Sek.