Historiker kritisiert KI-Video über Heilbronn: „Hat nichts mit Realität zu tun“
Ein Film, mit KI erstellt, sorgt in den sozialen Netzwerken für Aufsehen. Er soll Heilbronn im Jahr 1920 zeigen, das suggeriert jedenfalls die Unterzeile. Ein Historiker ist anderer Ansicht.
Frauen mit Hut und ein Mann kaufen an einem Marktstand ein, rot und grün leuchten Obst und Gemüse, im Hintergrund imposant das Rathaus von Heilbronn. Ein schwarzes Fahrzeug fährt vorbei. In der nächsten Szene schlendern Passanten auf die Synagoge von Heilbronn zu. Eine Einstellung weiter queren Pferdefuhrwerke die Friedrich-Ebert-Brücke über den Neckar, Frauen mit langen Kleidern sind zu Fuß unterwegs, laufen aus Richtung Kilianskirche auf den Betrachter zu.
Dank Künstlicher Intelligenz (KI) kommt Heilbronn in Bewegung. Es entsteht ein Eindruck, wie die Stadt einmal ausgesehen haben könnte. Der Filmemacher verortet alles ins Jahr 1920, doch an der KI-Visualisierung gibt es Kritik.
Heilbronn aus dem Jahr 1920? Ein Historiker zweifelt an der Einschätzung
„So schöne Gebäude und Straßen hatte Heilbronn 1920 mal“, schreibt der Macher des Films in einem Text, der unter den bewegten Bildern ständig zu sehen ist. „Würden die heute noch stehen, wären wir Touristen-Hotspot für die ganze Welt neben Prag und Budapest“, betont er weiter. Nur: Die Einordnung passe nicht, das sagt jedenfalls Peter Wanner. Er ist Historiker, war sogar 20 Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter im Stadtarchiv Heilbronn. „Das hat nichts mit der Realität zu tun.“

Peter Wanner weist auf mehrere Punkte hin, die seiner Ansicht nach nicht passen. Das sind zum einen die unterschiedlichen Motive, die dem Zusammenschnitt zugrunde liegen. Grundlage des KI-Streifens seien Postkarten aus unterschiedlichen Zeiten. Der Blick auf die Neckarbrücke stamme aus der Zeit kurz nach 1900, das führt der Historiker auf die Bekleidung der Frauen zurück – mit bodenlangen Röcken und großen Hüten. In einer anderen Szene, aus den 30ern, waren die Röcke der Damen schon kürzer.
Nach dem Ersten Weltkrieg gehörten auch Verwundete zum Heilbronner Stadtbild
Peter Wanner kennt Gespräche aus dem Bekanntenkreis, wenn es um den Film geht. Wie großartig die Stadt doch einmal gewesen sei, wie schlimm es hingegen heute aussehe, so die Aussagen mancher. Als Historiker lässt er das nicht gelten. 1920 in Heilbronn sei anders gewesen, als es die Postkarten vorgeben: Kurz nach dem Ersten Weltkrieg habe es Suppenküchen gegeben. „Da waren Krüppel auf der Straße“, so Peter Wanner. Menschen ohne Beine, anderen fehlten Arme.
„Die Postkarten geben nicht die Realität einer Stadt wieder.“ Daran hat sich seiner Ansicht nach auch in den Jahrzehnten danach nichts verändert: Er erinnert beispielsweise an Werbe-Aufnahmen von Heilbronn Marketing, die auch nur schöne Seiten der Stadt in Szene setzen würden. Trotz der Kritik: Peter Wanner erinnert sich noch an seine ersten Gedanken, nachdem er den Film gesehen hat. „Was man alles machen kann, toll.“
Die Stimme-Redaktion versucht noch, den Filmemacher zu erreichen.

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