HSG Kochertürn/Stein erntet die ersten Früchte des Abstiegs
Bei den Handballern in Neuenstadt am Kocher blüht die Jugendarbeit (wieder) auf. An der Spitze der Entwicklung stehen die B-Juniorinnen, die derzeit die Oberliga Württemberg aufmischen.

Liberis Argiantzis hatte ihn bereits anvisiert, den Neuanfang. Damals, im April 2019, in der vermeintlich bittersten Stunde der HSG Kochertürn/Stein. Im Angesicht des „doppelten“ Abstiegs der Frauen-Mannschaft aus der Württemberg- hinunter in die Landesliga hatte der Vorstandsvorsitzende der Spielgemeinschaft den Blick längst nach vorne gerichtet:
„Wir wollen uns wieder auf unsere Rolle als Ausbildungsverein konzentrieren“, sagte Argiantzis vor knapp sechs Jahren der Heilbronner Stimme, als die HSG-Frauen nach mehr als einem Vierteljahrhundert die Verbandsebene verlassen mussten. Von einem echten „Neustart“ und „vielversprechenden Talenten“ war seinerzeit die Rede.
Trainingskonzepte und Jahrespläne als Arbeitsgrundlage
An die damals zehn- und elfjährigen Kinder der HSG wird Argiantzis, der der Spielgemeinschaft noch immer vorsteht, dabei noch nicht gedacht haben. Doch genau sie, inzwischen als B-Juniorinnen im Teenager-Alter, sind sechs Jahre später das Gesicht des handballerischen Aufschwungs in Neuenstadt am Kocher. Dort ernten sie inzwischen die ersten Früchte des Abstiegs.
Dieser sei 2019 der Auslöser und Wendepunkt gewesen, die Jugendarbeit neu auszurichten, sagt Melanie Hubmann. Die 27-Jährige stand damals wie heute selbst für die HSG auf der Platte; inzwischen ist sie zudem Teil der Jugendleitung. Dort, wo die Fäden aller Nachwuchsmannschaften zusammenlaufen, sind seit jenem Sommer viele wichtige Fragen richtig beantwortet worden. Es gibt altersspezifische Trainingskonzepte, detaillierte Jahresplanungen und breit aufgestellte Trainer-Teams, in denen mindestens ein Übungsleiter auf eine C-Lizenz verweisen kann.
Hinrunden-Meister ohne Niederlage: HSG marschiert durch die Oberliga
Auch Hubmann selbst ist im Besitz einer solchen und bildet mit Torhüterinnen-Trainerin Katharina Schoch (29) und Chef-Trainer Christoph Bechtold das Trainer-Trio, das die B-Juniorinnen der HSG mit 15:1 Punkten zur Herbst- und Hinrunden-Meisterschaft in der Oberliga Württemberg geführt hat.
Der Jahrgang 2008/2009 ist derzeit so etwas wie das Aushängeschild der Spielgemeinschaft. Niemand in dieser Altersklasse spielt in der Region höher, niemand ist erfolgreicher. Und das, obwohl sich die Mannschaft im Sommer aus der Bezirksliga durch die Mühlen der Qualifikation hatte quälen müssen. Ein halbes Jahr später mischt der Neuling „von unten“ die Liga auf.
Kaderbreite und Gemeinschaft als größte Trümpfe
Die im Vergleich zu anderen Handball-Standorten surreal anmutende Kaderbreite von mannschaftsübergreifend mehr als 25 Spielerinnen und die über Jahre gewachsene Gruppe seien die wichtigsten Grundsteine für den Erfolg, sagt Bechtold, der vor vier Jahren die Führung des Teams übernahm.

„Wir haben gute Einzelspielerinnen, aber die Gemeinschaft ist das Besondere“, sagt der 40-Jährige, dessen handballerische Wurzeln bei HA Neckarelz liegen und der 2019 von der SG Gundelsheim kommend zunächst die zweite Frauen-Mannschaft übernommen hatte.
B1- und B2-Mannschaft sind eng miteinander verzahnt
„Die Breite im Kader gleicht auch einmal schlechte Tage von einzelnen Spielerinnen aus“, unterstreicht Katharina Schoch. Ein Luxus, den in dieser Altersklasse kaum noch ein Verein hat, auf den die Trainer angesichts von sieben teils deutlichen Siegen aus acht Spielen aber gar nicht immer angewiesen waren.
B1- und B2-Mannschaft sind eng miteinander verzahnt; es wird zwei- bis dreimal pro Woche zusammen trainiert und auch individuell an Schwächen gearbeitet. Was nicht nach dem Drill eines Leistungszentrums klingt, soll es auch gar nicht sein. „Wir wollen stattdessen zielstrebig zusammenarbeiten“, umreißt Melanie Hubmann die Grundidee. „Und die ganze Mannschaft, und nicht nur einzelne Spielerinnen, entwickeln“, ergänzt Bechtold.
Qualifikationsrunde zur Regionalliga als Saisonziel
Nach Spielen und Trainingseinheiten sind die jungen Frauen zudem zur Selbstreflexion angehalten: Was war gut? Wo ist noch Luft nach oben? Was haben andere besser gemacht? Das hilft nicht nur bei der handballerischen, sondern im besten Falle auch bei der persönlichen Entwicklung. Dass sich die meisten Spielerinnen – und ihre Eltern – seit der F-Jugend kennen, viele aus der Nachbarschaft stammen und/oder familiäre Vorprägungen zum Verein haben, sei darüber hinaus ein unschätzbares Gut, ist sich das Trainer-Trio einig.

Christoph Bechtold sieht jedoch nicht nur seine U17 gut aufgestellt: „Die B-Jugend ist nur der Anfang; wir haben von den Minis hinauf einen extrem guten Nachwuchs“, ist der B-Lizenz-Inhaber überzeugt. „Aber es braucht dafür einen langen Atem – den viele nicht haben.“ Bislang beschränkt sich die Jugendarbeit der HSG allerdings auf den weiblichen Nachwuchs. Für die am Sonntag beim TV Spaichingen beginnende Rückrunde hat sich Bechtolds Team einen Platz unter den besten Vier und damit die Möglichkeit zur Regionalliga-Qualifikation zum Ziel gesetzt.
Interessenten klopfen bei der HSG Kochertürn/Stein an
Die erfolgreiche Arbeit hat sich in der Region längst herumgesprochen. Es wird inzwischen (wieder) angeklopft in Neuenstadt – aus unterschiedlichen Gründen. „Es kommt schon vor, dass Spielerinnen aktiv auf uns zukommen, weil sie wissen, dass hier gut gearbeitet wird“, sagt Christoph Bechtold. Selbst halte man sich hingegen mit Abwerbeversuchen zurück. Andererseits strecken die großen Fische im regionalen Handball-Teich ihre Fühler ins kleine Kocher-Städtchen aus.
Das homogen gewachsene Miteinander sei für die erfolgreichen B-Juniorinnen derzeit aber ein gewichtigeres Argument als alles, womit andere Vereine wuchern könnten, sagt Melanie Hubmann mit einem Schmunzeln. Bleibt das so, könnten auch bei den Aktiven der HSG die Landesliga-Zeiten bald wieder der Vergangenheit angehören.
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