HB Ludwigsburg wird vom Primus zum „hoffnungslosen Projekt“
Der deutsche Serienmeister im Frauen-Handball steht vor dem Aus. Folgen hat das für die Sport-Union Neckarsulm ebenso wie für Bundesliga und die Nationalmannschaft.

Noch flackert das Licht und lebt die Hoffnung, doch es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis es bei Serienmeister HB Ludwigsburg dunkel wird: Dem Schwergewicht des deutschen Frauen-Handballs ist das Geld ausgegangen. Welche Folgen das hat, hängt vor allem davon ab, ob der Verein im nächsten Jahr noch in der Bundesliga spielen wird. Fest steht nur: So wie bisher, wird es in der Barockstadt nicht weitergehen.
Welche Entscheidungen sind am Montag gefallen?
Meister HB Ludwigsburg hat mitgeteilt, dass er trotz Bemühungen seine „bestehende, über einen längeren Zeitraum entstandene, Finanzierungslücke“ in den vergangenen zwei Wochen seit der Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens nicht schließen konnte und dementsprechend keine wirtschaftliche Grundlage besteht, um die Spielerinnen an ihre Verträge zu binden. Daher hat die HB Ludwigsburg ihnen die Freigabe erteilt – wer möchte, kann sich einen neuen Verein suchen und ablösefrei wechseln.
Wie ist der Verein überhaupt in die finanzielle Schieflage geraten?
Schon vor Beginn der vergangenen Saison hatte Hauptsponsor Olymp angekündigt, zur Spielzeit 2025/2026 sein Engagement in Ludwigsburg zu reduzieren. Während der vergangenen Monate ist es den Vereinsverantwortlichen trotz diverser Versuche jedoch nicht gelungen, die ausbleibenden finanziellen Mittel durch neue Sponsoren oder veränderte Partnerkonstellationen auszugleichen. Zuletzt hielten sich hartnäckig Gerüchte über Gespräche mit dem österreichischen Getränkehersteller Red Bull, die jedoch letztlich erfolglos blieben. Ohne Großsponsor ist die Finanzlücke allerdings nicht zu schließen.
Dass der Verein vor rund zehn Jahren unter dem Dach der SG BBM Bietigheim zum sportlichen Höhenflug ansetzen konnte, war vor allem Mäzen Eberhard Bezner zu verdanken. Nun konnte jedoch auch der Senior-Chef von Olymp dem Verein nicht mehr helfen. Nach Informationen der „Sport Bild“ sollen sich inzwischen gar Verbindlichkeiten in Höhe von rund zwei Millionen Euro angehäuft haben.
Ist die HB Ludwigsburg damit endgültig Geschichte?
Nein. Es werde weiterhin geprüft, „ob eine Fortführung des Projekts in kleinerem Rahmen mit reduzierter finanzieller Ausstattung möglich ist“, heißt es in einer Mitteilung der Ludwigsburger. Sollten die laufenden Kosten – etwa durch Gehaltskürzungen – deutlich gesenkt werden, könnte die HBL weiterhin am Spielbetrieb teilnehmen. Realistisch ist das aber nicht. Bietigheims Xenia Smits sagte der dpa, bei einem „klaren Zukunftsplan“ hätte sie sich vorstellen können, Abstriche zu machen und weiterhin für Ludwigsburg aufzulaufen. „Aber solch ein Plan wurde uns nie vorgelegt. Das ist ein hoffnungsloses Projekt.“
Ludwigsburgs Vorstandschef Christian Köhle betont hingegen: „Unser Ziel ist weiterhin, den Supercup zu bestreiten und in der kommenden Saison in der 1. Bundesliga zu spielen. Ob es umsetzbar ist, werden wir sehen.“ Nach Gesprächen mit Spielerinnen und Sponsoren wolle man „bis Ende der Woche mehr Klarheit haben“. Einem dieser Vorhaben machte die HBF am Dienstag allerdings einen Strich durch die Rechnung, als sie die HBL von der Teilnahme am Supercup zurückzog. Stattdessen wird der Thüringer HC in München gegen die HSG Blomberg-Lippe antreten.
Welche Folgen hat die Situation für die Handball Bundesliga Frauen (HBF)?
Das hängt davon ab, ob die Barockstädter eine Zukunft in der ersten Liga haben. Falls nicht, stünde der erste von zwei möglichen Absteigern bereits vor dem ersten Spieltag fest, und die Liga ginge mit nur noch elf Teilnehmern in ihre 50. Spielzeit – einen Nachrücker gibt es (anders als 2009, als der 1. FC Nürnberg keine Lizenz erhielt und der eigentlich abgestiegene Thüringer HC daraufhin in der Liga blieb) nicht, weil der Rückzug nach dem offiziellen Saisonbeginn, dem 1. Juli, vollzogen werden würde. Zudem behielte die HBF die geleistete Bankbürgschaft in Höhe von 50.000 Euro ein, mit der finanzielle Ausfälle der Liga, der anderen Vereine, von Sponsoren und der Verbände kompensiert werden sollen. In den Playdowns ginge es nur noch um den Relegationsplatz.
„Die bisherigen Angaben der HB Ludwigsburg lassen die Option offen, dass der Verein gegebenenfalls mit verändertem Kader am Bundesliga-Spielbetrieb teilnimmt. Insofern müssen wir die weitere Entwicklung abwarten“, sagt HBF-Geschäftsführer Christoph Wendt. Sollte das beantragte Insolvenzverfahren gegen die Ludwigsburger eröffnet werden, die HBL aber dennoch am Bundesliga-Spielbetrieb teilnehmen, wäre dies mit einem Abzug von acht Pluspunkten am Ende der Hauptrunde verbunden. Definitiv verliert die Liga jedoch an Strahlkraft und Renommee.
Profitiert die Sport-Union Neckarsulm von der Situation in Ludwigsburg?
Das hängt von der Perspektive ab. Zunächst einmal dürfte die Sport-Union einen bislang stets übermächtigen Konkurrenten verlieren. „Aber ich bin noch nicht so weit, mich auf eine möglicherweise spannendere Saison zu freuen“, sagt Neckarsulms Trainer Thomas Zeitz, „denn die Entwicklung geht beim Thema Professionalisierung leider in die falsche Richtung“. Das geplante Testspiel am Dienstagabend sagten die Ludwigsburger wenig überraschend ab.
Darüber hinaus fehlt der Sport-Union künftig wohl ein „Derby“-Gegner, der stets Zuschauer anzog und auch selbst Fans mit in die Ballei brachte. Finanziell wird ein ausbleibendes Heimspiel trotz Kompensationszahlungen wehtun. Personell befindet sich die Sport-Union weiterhin auf der Suche nach einer Linksaußen. Gedankenspielen, bei denen die Schwestern Munia und Xenia Smits in Neckarsulm zusammenspielen könnten, erteilt Thomas Zeitz aber eine Absage: „Das ist nicht realistisch. Erstens habe ich schon acht sehr gute Rückraum-Spielerinnen und vor allem müssten wir dafür noch sehr viele Brötchen verkaufen“, sagt er scherzhaft mit Blick auf Xenia Smits’ Gehalt.
Was bedeutet das für die Deutsche Nationalmannschaft?
Für den Deutschen Handball-Bund (DHB) ist das Szenario im Jahr der Heim-Weltmeisterschaft eine Katastrophe. Gleich sechs deutsche Nationalspielerinnen (Jenny Behrend, Antje Döll, Viola Leuchter, Nicole Roth, Xenia Smits, Mareike Thomaier) stehen derzeit in Ludwigsburg unter Vertrag. Bundestrainer Markus Gaugisch hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er seine Nationalspielerinnen gerne auf internationaler Bühne und wenn möglich gar in einem Champions-League-Top-Team sehen würde. Die Ex-Neckarsulmerinnen Sarah Wachter und Nina Engel, die kurz nach ihren jeweiligen Wechseln zu Europapokal-Teilnehmern erste Einladungen zur DHB-Auswahl erhielten, sind die besten Beispiele dafür.
„Unsere Planungen für die Heim-WM werden wir aktuell genauso fortsetzen, wie es geplant war, werden aber auch die sich immer wieder ändernden Situationen im Auge behalten und dahingehend anpassen“, sagt Gaugisch, der die Situation bei seinem Ex-Club bedauert. „Ich hoffe sehr, dass sich für alle Involvierten Lösungen finden lassen, um möglichst schnell wieder in den sportlichen Alltag zu kommen.“
Was bedeutet das für den deutschen (Frauen-)Handball?
Schon vor zwei Wochen holte sich der DHB von Kontinentalverband EHF eine symbolische Ohrfeige ab, als dieser als Ausrichter der Champions League eine Erklärung vom DHB in der „Causa Ludwigsburg“ einforderte. Der DHB hatte der EHF nämlich im Prozess der Einschreibung für die Handball-Königsklasse jene finanzielle Stabilität der HB Ludwigsburg bestätigt, die zuvor die HBF mit der Erteilung der Bundesliga-Lizenz versichert hatte.
Dass Bundesliga-Vertreter Borussia Dortmund in diesem Jahr eine Wildcard für die Champions League bekommen hatte, war eigentlich auch als eine symbolische Geste für die gute Arbeit bei DHB und HBF zu verstehen. Diese Wildcard dürfte für die nächsten Jahre nun nicht mehr nach Deutschland vergeben werden. International war die HB Ludwigsburg nicht zuletzt aufgrund diverser ausländischer Nationalspielerinnen das einzige konstante Aushängeschild der Liga.