Welche Forderungen der Fridays for Future Realität werden
Die Klimaschutzaktivisten der Bewegung Fridays for Future fordern vom Land Baden-Württemberg einen stärkeren Kampf gegen den Klimawandel. Einige ihrer Forderungen finden sich im geplanten neuen Klimaschutzgesetz wieder. Eine Übersicht.

Die EU will ihr Klimaziel für 2030 verschärfen und einen ambitionierteren Kurs beim Klimaschutz fahren. In zehn Jahren sollen 55 Prozent weniger Treibhausgas-Emissionen als noch 1990 ausgestoßen werden. Im Herbst möchte auch Baden-Württemberg das Tempo erhöhen und ein neues Klimaschutzgesetz verabschieden.
Die Bewegung Fridays for Future pocht darauf, dass das Land mehr Treibhausgase reduziert und sich dem Klimawandel energischer entgegenstellt. Wir vergleichen ausgewählte Forderungen der Fridays-for-Future-Aktivisten mit geplanten Maßnahmen in Baden-Württemberg.
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Das Land soll seine Klimaziele verschärfen und schneller reagieren
Die Aktivisten von Fridays for Future fordern, dass Baden-Württemberg deutlich strengere Klimaziele verfolgt. Das Land soll seine Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 88 Prozent senken und bis 2035 klimaneutral sein. Eine Studie soll herausfinden, wie das gelingen kann. Daraus soll ein verpflichtender Maßnahmenplan mit festen Reduktionszielen werden. Jedes Jahr soll geprüft werden, ob diese eingehalten werden, ansonsten soll gegengesteuert werden.
Das macht Baden-Württemberg:
Das Land möchte seine Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 42 Prozent reduzieren. Im Jahr 2050 sollen 90 Prozent weniger Treibhausgase als noch 1990 ausgestoßen werden. Künftig wird jährlich geprüft, ob Zwischenziele erreicht werden. Ein strengeres Klimaziel ist nicht geplant. „Dieses Ziel ist machbar, erfordert aber bereits jetzt erhebliche Anstrengungen auf allen Ebenen“, erklärt ein Sprecher des Umweltministeriums. Man begrüße, dass die EU ihr Ziel verschärft. „Von einem neuen EU-Ziel würde weltweit ein starkes Signal ausgehen." Wichtiger sei aber, die bisherigen Ziele auch zu erreichen.
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Das Land soll schon bis 2030 aus der Kohleverstromung aussteigen
Die Klimaschutz-Bewegung möchte, dass Baden-Württemberg bis 2030 einen Kohleausstieg vollzieht. Dieser ist auf Bundesebene eigentlich erst bis 2038 geplant. Die Landesregierung müsse zusammen mit Energieversorgern und Stadtwerken beschließen, die Verfeuerung von Steinkohle in Kraftwerken und Heizkraftwerken zu beenden. Die Steinkohle macht etwa ein Drittel des Strommixes im Land aus, etwa so viel wie die erneuerbaren Energien zusammen.
Das macht Baden-Württemberg:Laut Umweltministerium ist ein früherer Kohleausstieg nicht geplant. Es gelte das, was auf Bundesebene "in einem zähen Ringen" beschlossen wurde. „Es gibt vonseiten der Bundesregierung derzeit keine Anzeichen, den Kohleausstieg nochmals anzupacken.“ Allerdings könne der CO2-Preis den Kohleausstieg beschleunigen. „Wenn er eine entsprechende Höhe hat, wird Kohleverstromung unrentabel – dann gehen Kohlekraftwerke aus ökonomischen Gründen vom Netz.“ Je nachdem, wie sich der CO2-Preis entwickelt oder er angehoben wird, könne der Kohleausstieg demnach früher stattfinden.
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Alle Kommunen sollen einen Wärme- und Kälteplan aufstellen
Wenn es nach Fridays for Future geht, sollen alle Kommunen bis Ende 2021 dazu verpflichtet werden, einen Wärme- und Kälteplan aufzustellen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass alle Kommunen im Land von der fossilen Wärmeversorgung auf erneuerbare Quellen umstellen. In einem Sanierungsfahrplan soll festgehalten werden, wie der Gebäudebestand bis zum Jahr 2030 mit klimafreundlicher Wärme- und Kältetechnik versorgt werden kann.
Das macht Baden-Württemberg:Für Stadtkreise und Kreisstädte wird ein Wärmeplan bis zum Jahr 2023 Pflicht. Das sieht das neue Klimaschutzgesetz vor. Die Pflicht gilt dann für 103 Städte. Sie sollen prüfen, wie der Wärmebedarf gesenkt und wie er klimafreundlich abgedeckt werden kann. Alle anderen Kommunen können einen solchen Plan freiwillig aufstellen und erhalten dafür Fördergelder. Zudem müssen Gemeinden und Gemeindeverbände künftig ihren Energieverbrauch digital erfassen.
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Solarenergie und Windkraft sollen verpflichtend ausgebaut werden
Um seine Klimaziele zu erreichen, soll Baden-Württemberg Wind- und Solarenergie deutlich ausbauen. Die Bewegung fordert, dass alle Dächer bis 2025 mit Photovoltaik-Anlagen ausgestattet werden, wenn sie sich dafür eignen. Außerdem sollen Windräder und Photovoltaik-Anlagen einfacher errichtet werden können, Genehmigungsverfahren sollen vereinfacht werden. Die Ausbauziele des Landes sollen verpflichtend auf die Regionen aufgeteilt werden.
Das macht Baden-Württemberg:Der Ausbau der Windkraft ist in der Region und in Baden-Württemberg wegen jahrelangen Genehmigungsverfahren ins Stocken geraten. Die Landesregierung hält daran fest, landesweite Ausbauziele für Wind- und Solarenergie anzupeilen. Das Umweltministerium stellt Unterlagen für die Planung zur Verfügung, etwa Leitfäden und Daten zum Artenschutz. Die Neufassung des Klimaschutzgesetzes sieht vor, dass Dächer von Neubauten, die keine Wohngebäude sind, künftig mit Photovoltaik-Anlagen versehen werden müssen. Auch Parkplätze sollen verpflichtend mit Photovoltaik-Anlagen überdacht werden. Bis zum Jahr 2050 sollen 89 Prozent des Stroms im Land aus erneuerbaren Quellen stammen.
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Öffentlicher Nahverkehr soll das attraktivste Verkehrsmittel werden
Radikale Ziele verfolgen die Klimaaktivisten beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs: Er soll bis 2022 für Verbraucher das wirtschaftlichste Mittel sein. Dazu fordern sie Maßnahmen wie eine Nahverkehrsabgabe oder eine City-Maut. Zudem sollen Gelder für den Neubau von Landes- und Kreisstraßen in den Nahverkehr und den Ausbau von Rad- und Fußwegen fließen. Wo Straßenflächen wegfallen, sollen Grünflächen angelegt werden.
Das macht Baden-Württemberg:Das Verkehrsministerium begrüßt die Forderung. Ein Gutachten soll prüfen, „ob und wie eine rechtliche Grundlage durch das Land geschaffen werden kann, die die Kommunen bemächtigt, eine solche ortsangepasste Nahverkehrsabgabe oder auch eine City-Maut als ÖPNV-Finanzierungsoption einzuführen“. Derzeit werde in Stuttgart, Bad Säckingen, Tübingen, Mannheim und Heidelberg ein Mobilitätspass getestet, den alle Einwohner finanzieren und mit dem Menschen Bus und Bahn nutzen können. Abgaben wie eine City-Maut könnten solche Angebote finanzieren und für eine geringere Lärm- und Feinstaubbelastung sorgen, so das Verkehrsministerium.
Im Straßenbau stehe der Erhalt im Vordergrund. Die Zahl der Aus- und Neubauprojekte sei seit 2010 von 734 auf 141 Maßnahmen reduziert worden. Entscheidend sei, ob eine Maßnahme "dringlich, ökologisch vertretbar und mit einer hohen Entlastungswirkung verbunden" sei. "Fördermittel zugunsten des Rad- und Fußverkehrs umzuverteilen ist wichtig", erklärt die Ministeriumssprecherin. Besonders im Fokus stünden Radschnellwege, die vom Land und den Kreisen gebaut werden und damit Landes- und Kreisstraßen gleichgestellt sind. Ein solcher Radschnellweg soll etwa zwischen Heilbronn und Bad Wimpfen entstehen. - 6
Landwirtschaft, Wald und Ernährung sollen klimafreundlicher werden
In der Landwirtschaft, im Wald und bei der Ernährung soll der Klimaschutz ebenfalls stärker in den Fokus rücken. Die Landwirtschaft soll laut Fridays for Future ökologischer werden und etwa Randstreifen für den Artenschutz anlegen. Die Wälder im Land sollen zu Mischwäldern werden. In landeseigenen Mensen in Behörden, an Schulen und Universitäten soll der Fleischkonsum schrittweise reduziert werden. Fleisch soll es lediglich an einem Tag pro Woche geben.
Das macht Baden-Württemberg:Ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums betont, dass der ökologische Landbau bis 2030 auf 30 bis 40 Prozent gesteigert werden soll. Blühflächen gebe es auf 30.000 Hektar im Land, doppelt so viel wie noch 2010. Beim Thema Wald sei das Land gut aufgestellt: 13 Prozent seien Reinbestände, 87 Prozent seien Mischwälder. „Wer für private Waldflächen Fördermittel möchte, braucht klimastabilen Mischwald.“ Auf Speisepläne habe man keinen Einfluss, dies müssten die jeweiligen Träger entscheiden. Besonderen Wert lege man darauf, dass regionale und biologische Lebensmittel verwendet werden. „Ansonsten setzen wir auf den aufgeklärten Verbraucher.“
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Unternehmen und Investitionen sollen klimafreundlicher werden
Die Fridays-for-Future-Bewegung fordert, dass die Landesregierung auf die baden-württembergischen Unternehmen einwirkt, klimafreundlicher zu werden. Ein "Großteil der Unternehmen" in Baden-Württemberg soll laut der Bewegung bis 2025 klimaneutral sein. Landeseigene Unternehmen und Einrichtungen sollen bis 2030 klimaneutral sein. Außerdem fordern die Aktivisten, dass bei Investitionen mit einem CO2-Preis von 180 Euro pro Tonne gerechnet wird. Investitionen in klimaschädliche Unternehmen sollen bis 2022 beendet werden, außerdem solle das Land Ausschlusskriterien definieren.
Das macht Baden-Württemberg:
Das Landesumweltministerium will auf pauschale Vorgaben für Unternehmen verzichten. „Grundsätzlich geht das Umweltministerium diesbezüglich von einer hohen Sensibilität bei den meisten baden-württembergischen Unternehmen aus." Mit dem neuen Klimaschutzgesetz können Unternehmen eine freiwillige Klimaschutzvereinbarung mit dem Land abschließen und dabei Klimaziele festschreiben, Maßnahmen auflisten und ihre Treibhausgasbilanz veröffentlichen.
Das Finanzministerium testet bei einzelnen Baumaßnahmen einen CO2-Schattenpreis von 180 Euro pro Tonne CO2. Dabei wird der fiktive CO2-Preis einkalkuliert, was dabei helfen soll, die realen Umweltkosten eines Bauvorhabens abzuschätzen.
Für die Versorgungsrücklagen, die die Pensionen von Beamten sichern sollen, gebe es bereits Nachhaltigkeitskriterien. Diese hätten zum Ziel, „dass Investitionen in Unternehmen mit umweltschädlichen Wirtschaftsaktivitäten ausgeschlossen werden beziehungsweise dass insbesondere in diejenigen Unternehmen investiert wird, die eine gute Nachhaltigkeitsbilanz aufweisen". Die L-Bank orientiere sich als Tochterunternehmen des Landes bei Krediten und Fördergeldern ebenfalls an diesen Kriterien.

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