Was die Zerstörung der Regenwälder mit uns zu tun hat
Von der Öffentlichkeit kaum bemerkt brennen Waldflächen des tropischen Regenwaldes an vielen Orten jeden Tag. In der Sinsheimer Klima Arena klärt ein Biologe über den Zusammenhang zwischen Regenwäldern und dem regionalen Klima auf.

Die aufwühlenden Bilder verheerender Waldbrände im staubtrockenen Westen der USA sind allgegenwärtig. Dass Waldflächen des tropischen Regenwaldes an vielen Orten jeden Tag brennen, geschieht eher unbemerkt von der großen Öffentlichkeit. Umweltschützer befürchten, dass das Jahr 2020 für das sensible System des Amazonas-Regenwaldes das zerstörerischste Jahr werden könnte, berichtet der "Spiegel". Fast 7000 Feuer wurden dort allein im Juli gezählt.
Die dauerfeuchten Regenwälder "können eigentlich nicht brennen", sagt Professor Florian Siegert von der Universität in München. Der Biologe forscht seit Jahren zu der Zerstörung der Regenwälder, hat bei einem Vortrag in der Sinsheimer Klima Arena einige bittere Botschaften mitgebracht.
Entwaldung und Waldbrände tragen zu Kohlendioxid-Emissionen bei
Erst durch Holzeinschlag wird es möglich, dass Regenwaldflächen austrocknen, wenn die Sonne stärker eindringen kann. Zudem werden in den Regenwaldländern immer wieder Waldflächen mit den bis zu 50 Meter hohen Baumriesen durch Brandrodung zerstört, um Weideland anzulegen oder Soja, Zuckerrohr und vor allem Ölpalmen mit ihrem wertvollen Palmöl anzubauen.
Entwaldung und Waldbrände in den Tropen tragen nach Angaben von Siegert fünf bis zehn Prozent zu den weltweiten Kohlendioxid-Emissionen bei - und erzeugen somit kontinuierlich jenes Treibhausgas, das den immer intensiver spürbaren Klimawandel verstärkt. Grund für den relativ großen Anteil ist die sehr hohe Biomasse in den Regenwäldern. Die alten, hohen Bäume haben viel Kohlenstoff gebunden, im Boden sind durch den großen, langen Verwitterungsumsatz im artenreichen Ökosystem Regenwald vielfach kohlenstoffreiche Torfschichten entstanden. Gibt es ein Feuer, brennt auch der Torf im Untergrund und setzt noch mehr CO2 frei.
Bevölkerungswachstum: Es wird eng auf dem Planeten

Auf Satellitenbildern wertet Siegert (62) die vielen Brände aus, zeigt Bilder mit extremen Rauchwolken aus Indonesien. Bis zu 2000 Kilometer weit und mehr könnten die Rauchwolken mit den Treibhausgasen ziehen. In Indonesien müssten bei Feuern in Torfwäldern oft Schulen evakuiert werden, Krankenhäuser seien an der Belastungsgrenze.
Eine Ursache hinter den meist von Menschen gezielt entfachten Feuern sieht der Biologe im starken Bevölkerungswachstum. In Indonesien sei die Zahl mittlerweile auf 270 Millionen angewachsen. Prognosen sagen weltweit bis zu 15 Milliarden Menschen voraus. "Dann", so Siegert, "wird es eng auf dem Planeten." Zumal die Kurven der Bevölkerungszahl und der Mitteltemperatur der Erde parallel anstiegen.
Dass die Menschen in den ärmeren Ländern Holz und Palmöl zum Kochen benötigen, ist für den Forscher ein Faktum. Es ist für ihn auch durchaus sinnvoll, weil Palmöl einen bis zu acht Mal höheren Ertrag als Raps-, Kokos- oder Sonnenblumenöl habe. Viel kritischer sieht er den Einsatz bei uns für industrielle Zwecke, vor allem als Zusatzstoff in Bio-Diesel.
Der Klimamotor steht vor dem Kollaps

Nicht nur als Speicher für viel Kohlenstoff, auch für das regionale Klima haben die Regenwälder einen großen Wert, weil sie viel Wasser verdunsten, neue Wolken entstehen lassen und den Regenkreislauf auch über regional große Distanzen speisen. Werden die "Lungen der Erde" vernichtet, könnten die Niederschläge auch in angrenzenden Regionen versiegen. Das Klima Südamerikas steht nach Einschätzung von Forschern "vor dem Kollaps", berichtete der "Südkurier" im Januar.
Drei Viertel der Niederschläge stammten im Amazonasgebiet aus dem Recycling des Wassers durch den Regenwald, schrieb Carlos Nobre von der Universität Sao Paolo in der Wissenschaftszeitschrift "Science Advances". Das Amazonasbecken fungiere als "Klimamotor für große Teile Südamerikas".
Auch Florian Siegert stuft die Entwaldung der Tropen als zunehmend kritisch ein. Im Jahr 2019 seien rund zwölf Millionen Hektar Regenwald zerstört worden - eine Fläche, die einem Drittel der Landesfläche Deutschlands entspricht. Der starke Anstieg der aktuellen globalen CO2-Konzentration - auf den "höchsten Stand seit über 650.000 Jahren" und mit einem nie dagewesenen steilen Anstieg in den vergangenen 50 Jahren - müsste die Menschheit alarmieren. Und: "Diese Messungen sind überprüfbar."
Zu den größten Kohlendioxid-Produzenten zählen China, USA, EU, Indien und Russland. Was können wir tun, damit die Regenwaldzerstörung nicht weiter voranschreitet? Die größten Palmölverbraucher sind Indien, die EU und China. Auch in beliebten Haselnusscremes wie Nutella steckt Palmöl. Deshalb auf Nutella zu verzichten, ergibt für Siegert keinen Sinn, weil die dafür verwendeten Mengen gering sind. Als Lebensmittel sei das ertragreiche Palmöl wertvoll, zudem hingen in armen Ländern der Tropen hunderttausende Arbeitsplätze davon ab. Wichtiger sei, dass es ein Label für Palmöl aus nachhaltigem Anbau gebe. "Verbraucher können da Druck machen."
Dort CO2 einsparen, wo es das größte Potenzial gibt
Es gibt Hoffnungszeichen. Siegert und sein Team einer eigens gegründeten Firma für Erdbeobachtung mit Satellitendaten berät mittlerweile die indonesische Regierung, wie sie die Waldzerstörung eindämmen könnte. "Indonesien hat sich jetzt hohe Klimaziele gesteckt." Ein Ansatz ist, Regenwald-Schutzgebiete auszuweisen, dort keine Abbaulizenzen mehr an Firmen zu vergeben und Palmölplantagen auf vorhandenen Brachflächen im Land anzulegen.
Durch verbessertes Landmanagement und Renaturierung von Torfgebieten "könnte Indonesien jedes Jahr bis zu 100 Millionen Tonnen CO2 einsparen". Für den Forscher "ein gewaltiger Wert". Und: Dies sei effizienter als in Deutschland mit sehr hohem Aufwand relativ geringe CO2-Einsparungen im Verkehr umzusetzen. Es gehe für das Weltklima darum, viel mehr dort anzusetzen, wo man die größten Effekte erzielen kann.
Für den Biologen heißt das nicht, dass man in Deutschland nichts tun sollte. Er sieht Ansätze. Jeder Einzelne könne zudem weniger Auto und mehr Rad fahren, regional einkaufen, weniger Fernreisen machen. Den Fleischkonsum auf "ein vernünftiges Maß" reduzieren, zum Beispiel auf zwei statt fünf Mal die Woche, regt er zudem an. "Das bringt viel - wenn man nicht gerade Hackfleisch für 99 Cent kauft."

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