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Heilbronn und der unsensible Umgang mit historischen Bauten

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Warum wurden das Alte Stadtbad am Wollhausplatz und das Alte Theater am Nordende der Allee in den 1970er Jahren gesprengt, warum verschwand das Bettenhaus des Jägerhauskrankenhauses Anfang 2001 aus dem Stadtbild? Ein Blick ins Archiv.

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"Warum gibt es wichtige architektonische Baudenkmäler in Heilbronn nicht mehr?" Diese Frage von Thomas Bachmayer erreichte die Onlineredaktion nach ihrem Aufruf für die "Noch Fragen?"-Serie


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Original-Kategorie: Presse - Stadtbild. Original-Beschriftung: Theater; Original-Datierung: 1970; Originalformat: KB
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Heilbronn-Quiz: Von verschwundenen historischen Bauten


Vor allem in den 1970er Jahren räumte die Stadt ordentlich auf und beseitigte einige seiner wenigen bedeutenden historischen Gebäude. Darunter das Alte Stadtbad am Wollhausplatz und das Alte Theater - auch Fischer-Theater genannt - an der nördlichen Allee. Sowohl das Alte Stadtbad auch das im Jahr 1913 eingeweihte Jugendstiltheater waren beim Luftangriff am 4. Dezember 1944 stark beschädigt und in den Nachkriegsjahren schnell und vereinfacht wiederaufgebaut worden. 

Gesprengt wurde das 1891 im Stil des Historismus erbaute Stadtbad, weil es zu klein wurde und mit dem im Frühjahr 1972 vollendeten Stadtbad am Bollwerksturm, dem heutigen Soleo, überflüssig geworden war. Auf der freigewordenen Fläche entstand von 1972 bis 1975 das Wollhauszentrum mit Vorplatz und Busbahnhof. 

 


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Bürger kämpften vergeblich um Erhalt des Theaters

Umstritten war auch die Sprengung des Alten Theaters, das als eines der wichtigsten Gebäude der architektonischen Moderne in Heilbronn galt. 1908 wurde der bekannte Theaterarchitekt und Vorsitzende des Deutschen Werkbunds, Dr. Theodor Fischer, auf Anregung von Silberwarenfabrikant Hofrat Peter Bruckmann mit dem Bau des Stadttheaters beauftragt. Im September 1913 öffnete sich erstmals der Vorhang im neuen Stadttheater. 

Bei dem verheerenden Luftangriff am 4. Dezember 1944 wurden der Zuschauerraum sowie Teile der Inneneinrichtung stark beschädigt. Nach dem provisorischen Wiederaufbau ab 1947 fanden Theateraufführungen zunächst nur in beschränktem Umfang statt. Die Räume wurden in den Folgejahren unter anderem von städtischen Ämtern, dem Kleinen Theater Heilbronn (KTH), der Ballettschule Münch sowie der Stadtbücherei genutzt.

Nachdem der Wiederaufbau ins Stocken geraten war, setzten sich Mitglieder des KTH und viele Heilbronner Bürger ab Mitte der 1950er Jahre für die Rekonstruktion ein - unter anderem mit Spenden und Veranstaltungen zugunsten der Restaurierung. Seit 1958 zankte der Gemeinderat um die Idee eines Neubaus. Anfang der 1960 Jahre kam ein Gutachter zum Schluss, dass das Haus den Ansprüchen an einen modernen Theaterbetrieb nicht mehr gerecht werde. So kam es, dass der Gemeinderat 1969 einem Neubau und dem damit verbundenen Umbau der Allee zustimmte.

Am 18. Juli 1970 wurde das Alte Theater schließlich gesprengt. Innerhalb von vierzig Sekunden sackte der Torso des Bürgertheaters zusammen.

 


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Die letzten Sekunden des alten Theaters: Am Samstag, den 18. Juli 1970, kurz nach 15.40 Uhr sinkt das Jugendstilgebäude in sich zusammen. Rotbraune Wolken umhüllen nach der Sprengung vierzig Sekunden lang den Theaterplatz.Fotos: Archiv/Eisenmenger
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Vor 40 Jahren fiel das Jugendstil-Theater des alten Heilbronn


Für Kritiker gehören die Abrisse zu einer Reihe neuzeitlicher Bausünden. Die Stadt sei nicht nur im Krieg zerstört und danach zu schnell wiederaufgebaut worden, die Spur der "zweiten Zerstörung" ziehe sich bis in die Gegenwart: von der alten Harmoniefassade über Moltkekaserne, Friedenskirche bis hin zu etlichen historischen Fabrikgebäuden und Stadtvillen. 

Jägerhausklinik: Langer Kampf um den Erhalt des Bettenhauses

Mit dem geschwungenen Bettentrakt der Jägerhausklinik im Heilbronner Osten verschwand kurz nach der Jahrtausendwende ein weiterer historischer Bau aus dem Stadtbild.

Nach dem Umzug der Kliniken in den Neubau am Gesundbrunnen, der im Jahr 1989 begonnen hatte und 1996 vollendet wurde, wollte die Stadt das Areal veräußern. Zuvor hatte ein im Auftrag der Stadt erstelltes Gutachten eines renommierten Schweizer Planungsbüros ergeben, dass Erhalt und Umbau des nicht unter Denkmalschutz stehenden Bettenhauses günstiger sei als ein Neubau. Allerdings fand sich kein Investor, der den Umbau in ein Wohngebäude anpacken wollte und bereit war, den von der Stadt auf 16 Millionen D-Mark taxierten Kaufpreis zu bezahlen. Eine profitable Finanzierung scheiterte auch daran, dass das Landesdenkmalamt keine Schutzwürdigkeit erkennen wollte und deshalb entsprechende Abschreibungsmöglichkeiten ausschieden.

Am 23. September 2000 titelte die Heilbronner Stimme "Gemeinderat gibt Jägerhausklinik auf". Der Gemeinderat hatte mit 19:16 Stimmen für einen Verkauf des Grundstück und den damit verbundenen Abriss des 1937 im Heimatstil erbauten ehemaligen Garnisonslazaretts votiert. "Trotz intensiver Bemühungen um den Erhalt des Bettenhauses gab es keine wirtschaftlich akzeptable Alternative zu dieser Entscheidung", fasste der damalige OB Helmut Himmelsbach die kläglich gescheiterte Investorensuche zusammen. 

Viele Heilbronner wollten diese Entscheidung nicht tatenlos hinnehmen. Die Heilbronner SPD um den damaligen Fraktionschef Harry Mergel (heute Oberbürgermeister), Anrainer, Umweltverbände und die Lokale Agenda bemühten sich um den Erhalt des Bettenhauses und des alten Baumbestandes in der Parkanlage - vergeblich. Nach einer jahrelangen Hängepartie und einer drohenden Schadensersatzklage wurde schließlich eine 3,7 Hektar große Fläche des insgesamt rund 5 Hektar großen Areals für 16 Millionen D-Mark an die Bietergemeinschaft Schwäbisch Hall/Aalen Immobilien GmbH veräußert. 

Im Juli 2001 wurde mit dem Abriss der Klinik-Gebäude begonnen. Die Abbruchkosten verschlangen rund drei Millionen D-Mark. Auf der Robert-Mayer-Höhe - unter diesem Namen wurde das neu entstandene Baugebiet vermarktet - wurden ab 2002 mehrgeschossige Mehrfamilienhäuser und Einzelhäuser mit insgesamt rund 200 Wohneinheiten gebaut. 

 


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Original-Kategorie: Stadtbad; Original-Datierung: 02.1972; Originalformat: Kleinbild; Filmtyp: Ilford Panchromatic Extra Fine Grain PAN F; Zusammenhang: N 201117204 - N 201117208 auf einem Negativstreifen
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