Gemeinsames Glück beim Nordic Walking in Talheim
Die Sportart vereint Gesellschaft, Fitness und Bewegung an der Natur. Die Gruppenleiterin erzählt von einem Schreckmoment, der mit dem Hammermörder zusammenhängt und sie bis heute erschauern lässt.

Vogelgezwitscher, ein leicht wehender Wind und das sanfte Rascheln der Bäume im Wald: es ist eine angenehme Atmosphäre, die der Talheimer Waldrand bietet. Dazu kommen weitere Geräusche der Nordic-Walking-Aktivgruppe: Flotte Schritte auf knirschendem Kies, klappernde Walking-Stöcke und angeregte Unterhaltungen.
Denn die Läufer haben sich immer viel zu erzählen: "Das Schöne an den Treffen sind die Gespräche. Wir besprechen unsere Probleme, tauschen uns über Rezepte aus oder fragen die Männer um technischen Rat", sagt Isolde Reitz. Sie leitet die Aktivgruppe, die sich seit 2009 neben dem Nordic-Walking etwa zum Wandern oder Radfahren trifft.
Gruppentreffen motivieren zur Bewegung
An diesem Tag besteht die Truppe aus "dem harten Kern", sagt Reitz, sprich acht Läufern. Sie alle sind zwischen Mitte 50 und Anfang 70. Und wirken topfit und zufrieden, während sie in zügigem Tempo ihre gewohnte Route entlang gehen. "Alleine würden wir die Strecke nicht laufen", bestätigt eine andere Teilnehmerin - der Rest nickt zustimmend. Dadurch, dass sie sich auch abseits vom Walken treffen, etwa zu Städtetrips oder zum Boulen, haben sich Freundschaften entwickelt.
Wie herzlich und rücksichtsvoll miteinander umgegangen wird, zeigt sich auch bei der Reaktion auf Neulinge - in diesem Fall die Redakteurin: Normalerweise läuft die Nordic-Walking-Gruppe eine Strecke von acht Kilometern in etwa eineinhalb Stunden - ohne Pause. Für die Gespräche mit der weniger fitten Redakteurin nehmen sich die Läufer vorab Zeit, legen eine Pause ein und kürzen die Strecke auf fünf Kilometer. "Wir lassen niemanden zurück", sagt Brigitte Schönrich, die seit etwa zehn Jahren mit dabei ist und die Treffen sehr schätzt. Wie man den inneren Schweinehund auch mal überwindet? "Durch den festen Termin. Und ich weiß, auch wenn ich mal mit schlechter Laune starte, geht es mir danach besser. Das gemeinsame Laufen macht einfach froh."
Eintauchen in Natur und Bewegung an der frischen Luft
Die Route, die immer an der Siegfried-Reichert-Holzstatue startet, bietet viel Abwechslung. Die erste Etappe führt vorbei an zufrieden grasenden Kühen vor Weinberg-Kulisse und hoch zum Hohrainhof - hier wird es kurz steil, insgesamt der anspruchsvollste Abschnitt. Im Hohrainhof kann man Gemüse, Obst, Fleisch und Milch kaufen. Der Hof ist aber auch Außenstelle des Heilbronner Gefängnisses und beherbergt rund 30 Strafgefangene, die kurz vor ihrer Entlassung stehen. Oben beim Hof angekommen, wird man mit einem tollen Blick auf Talheim belohnt.
Weiter führt die Strecke am Schozacher Sportplatz vorbei, bevor es dann in den Wald weitergeht. Ein weiterer positiver Aspekt bei diesem Sport sei das Eintauchen in die Natur und die Bewegung an der frischen Luft, erklärt Isolde Reitz. "Die Waldwege sind ideal, schön schattig, und man kann die Landschaft genießen." Und auch mental profitiere sie vom Nordic-Walking, sagt sie: "Durch die Bewegung bekomme ich einen freien Kopf - und der Seele tut es auch gut."
Hammermörder-Parkplatz weckt schaurige Erinnerungen
Im Waldabschnitt kommt die Gruppe an einem Parkplatz vorbei, den sie den Hammermörder-Parkplatz nennen. Als Hammermörder wurde Norbert Hans Poehlke bezeichnet, der in den Jahren 1985/86 sechs Menschen umgebracht hat. Seine brutale Masche: Er hat unter anderem auf ebendiesem Parkplatz einem Mann aufgelauert, hat ihn überfallen und erschossen, um im Anschluss mit dessen Auto eine Bank auszurauben. "Da habe ich wirklich Angst gehabt, weil das bei uns in der Nähe war", gesteht Schönrich. Bei den Banken habe er immer mit einem Hammer die Scheiben eingeschlagen.
"Irgendwann hat die Polizei dann herausgefunden, dass er seine Opfer mit einer Polizeiwaffe umbringt, dass es also jemand aus den eigenen Reihen war." Schlussendlich brachte er seine Frau, seine zwei Söhne und sich selbst um. Isolde Reitz erschauert auch heute noch: "Mein Mann und ich haben an genau diesem Parkplatz einen Tag vor dem Mord dort eine Pause gemacht."
Hier trifft sich die Nordic-Walking-Gruppe
Bei der kurzen Rast im Waldabschnitt begegnet der Gruppe ein spazierendes Seniorenpaar. Das Interesse ist direkt groß - ob man sich beim Nordic Walking auch mal anschließen dürfe? "Sehr gerne", sagt Isolde Reitz. Die Gruppe trifft sich immer montags und mittwochs um 9.15 Uhr an der Siegfried-Reichert-Holzstatue. Man biegt von der L2155 zum Hohrainhof ab.
Wer mitmachen will, sollte eine gewisse Grundfitness haben. "Einen gemütlichen Spaziergang machen wir hier nicht". Reitz fügt lachend hinzu: "Schließlich sind wir ja eine Aktivgruppe."