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Was es für die Gefangenen auf dem Hohrainhof zu tun gibt

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Kuhstall statt Knast: Auf dem Hohrainhof bei Talheim, einer Außenstelle der Justizvollzugsanstalt (JVA) Heilbronn, wird der offenen Vollzug praktiziert. Wie der Arbeitsalltag der Gefangenen aussieht.

von Philip-Simon Klein
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Gurken, Erdbeeren, daneben Weinbau und Viehzucht: Auf dem Hohrainhof in Talheim arbeiten Gefangene in der Landwirtschaft.
Gurken, Erdbeeren, daneben Weinbau und Viehzucht: Auf dem Hohrainhof in Talheim arbeiten Gefangene in der Landwirtschaft.  Foto: Klein, Philip-Simon

Es sei eine Bewährungsprobe, berichtet ein Gefangener. "Es ist nicht vergleichbar mit der normalen Haft, wo man nur einmal am Tag eine Stunde Hofgang hat". Gemessen an dem Blick auf die Mauer, die den Hof begrenzt, wertet der 63-jährige Mann es als "enormes Stück Freiheit", das er empfindet, wenn er den Blick über die Felder schweifen lassen kann.

Auf der Staatsdomäne Hohrainhof, einer Außenstelle der Justizvollzugsanstalt (JVA) Heilbronn, ist das möglich - im Rahmen des offenen Vollzugs. Man müsse sich aber das Vertrauen erst erarbeiten, räumt der Häftling ein, damit man hier einen Teil der Reststrafe mit landwirtschaftlicher Arbeit hier verbüßen kann.

Tätigkeiten der Gefangenen: Ackerbau, Rinderzucht und Weinbau

Von 7.30 Uhr bis 9 Uhr wird gearbeitet, dann gibt es eine Pause, bevor die Schicht bis zum Mittagessen weitergeht. Nachmittags arbeiten die Häftlinge nochmals bis 16 Uhr. Die landwirtschaftliche Tätigkeit der Gefangenen besteht aus Ackerbau, Gemüseanbau, Rinderzucht und Weinbau. Im Prozess von der konventionellen hin zur ökologischen Landwirtschaft hat der Hohrainhof eine Etappe genommen, denn seit diesem Jahr sind der Weinbau und die Landwirtschaft vollständig auf Bio-Norm umgestellt.

Ralf Schäfer ist Justizvollzugsbeamter und leitet die Staatsdomäne.
Ralf Schäfer ist Justizvollzugsbeamter und leitet die Staatsdomäne.  Foto: Klein, Philip-Simon

Derzeit sind es 16 Gefangene, die am Hohrainhof lebten und arbeiten, erklärt Ralf Schäfer, Hofleiter der Außenstelle und damit hier oberster Justizvollzugsbeamter. Der Standort könnte mit 32 Gefangenen belegt werden, doch in den vergangenen Jahren waren es meist weniger. Das ist laut Schäfer ein Problem. "Jetzt sind es eigentlich zu wenige für die ganzen Aufgaben", sagt der Justizvollzugsbeamte, "da wäre es besser, wenn es 25 wären, die mitarbeiten." Doch hierher verlegt werden können nur Häftlinge, die "lockerungsgeeignet" sind, wie es seitens der JVA heißt. Gefangene, die später zum Freigang zugelassen werden können. Mit dem offenen Vollzug kommt, dass die Häftlinge immer wieder Ausgang und Urlaub haben.

Andere Bedingungen als in der JVA

Umstände, die gegen offenen Vollzug sprechen, erklärt Schäfer so: "Wenn es noch offene Verfahren gibt, ist das nicht möglich oder natürlich, wenn Fluchtgefahr besteht." Ähnlich sei es bei Drogenproblemen. Denn die Gefangenen arbeiten am Hohrainhof größtenteils eigenständig an den verschiedenen Aufgaben - Sie werden eher durchgezählt, denn überwacht. Auch sonst gibt es andere Bedingungen als bei der JVA. "Einschluss bedeutet hier nur, dass die Tür zum Korridor verschlossen wird, wo die Häftlinge ihre Zimmer haben." Auf dieser Etage könnten sich die Gefangenen nach Einschluss frei bewegen, dort habe es eine Küche, zudem hätte es Zimmer mit eigener Toilette und Bad. Auch diese Zimmer werden nicht abgeschlossen, erklärt Schäfer. Im Gegenteil, die Häftlinge haben Schlüssel für ihre Zimmer. Bei guter Sozialprognose bereiten sich Gefangene hier auf das Leben in Freiheit vor. Ralf Schäfer sagt, diejenigen, die vor der Haft noch nicht richtig gearbeitet hätten, landeten kaum auf der Staatsdomäne.

Gut schlafen könne er nach der körperlichen Arbeit, sagt der Gefangene, der sich um die Gurken kümmert. Ihm imponiert, dass diese Pflanzen so schnell seine eigene Körperhöhe erreichten, und wenn er, wie jetzt den Hofladen bestückt, erkenne er den Erfolg seiner Hände Arbeit in den Erzeugnissen wieder.

Produkte werden im Hofladen verkauft

Das Limpurger Rind, früher gehalten als Milchvieh, liefert heute Biofleisch. Wenn die Kühe kalben, ist das ein besonderes Erlebnis für die Häftlinge.
Das Limpurger Rind, früher gehalten als Milchvieh, liefert heute Biofleisch. Wenn die Kühe kalben, ist das ein besonderes Erlebnis für die Häftlinge.  Foto: Klein, Philip-Simon

"Da ist vieles Neuland für mich", sagt der Mann. "Aber gerade als Stadtmensch ist es eine besondere Erfahrung, wenn die Kühe kalben. Zuerst war das total fremd für mich, inzwischen, habe ich bei vier Geburten mitgeholfen", berichtet der 63-Jährige. Vor den Kühen habe man zuerst Respekt, aber "man ist doch ganz nah am Geschehen".

Beim Hofladen sitzt heute Markus Garcia ist an der Kasse. Der Justizvollzugsbeamte berichtet, für die kurze Zeit, die gerade geöffnet habe, sei er bereits sehr zufrieden mit dem Umsatz. "Heute ist es verhältnismäßig ruhiger, freitags sind mehr Kunden da", sagt Garcia. Dieter Schramm kauft seit drei bis vier Jahren bereits hier ein. Er schätzt die Qualität und das Preis-Leistungs-Verhältnis. Ihm gefällt die Nähe, die er zwischen der Region und den Erzeugnissen vorfindet: "Vom Acker direkt auf den Tisch", sagt Schramm.

 


Ökologischer Landbau auf dem Hohrainhof

Seit beim insgesamt 100 Hektar großen Hohrainhof bis ins laufende Jahr bereits der Weinbau und der Landwirtschaft vollständig auf Bio-Verfahren umgestellt worden ist, hatte sich eine Menge im Alltag auf dem Hof geändert, berichtet Ralf Schäfer. Obstbäume seien gepflanzt worden, ebenfalls Beerensorten und Gemüse - wie die Gurken im Folienhaus -und die Anzahl der Kühe sei stark gesunken, weil früher Milchvieh gehalten wurde. Heute kommt der Schlachter und holt einzelne Tiere ab. Die Erzeugnisse des Hohrainhofs werden sowohl vor Ort als auch im Gitterladen in Heilbronn verkauft.

 
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