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Jugendlichen fehlt ein Anker im Heilbronner Zentrum

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Für Kinder ohne Geld gibt es kaum Möglichkeiten in der City. Streetworker wünschen sich eine Anlaufstelle für ihre Klientel.

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Jetzt heißt es Gas geben, gleich fängt der Nachmittagsunterricht an. Anna (15) und ihre Freundinnen haben ihre Mittagspause im Neckarbogen verbracht, nun laufen sie die Kaiserstraße Richtung Robert-Mayer-Gymnasium entlang. Wo sie sich mittags in der Stadt aufhalten könnten? Schulterzucken. Am ehesten im Friedenspark, aber sie müssen auch etwas zu essen kaufen. "In unsere Mensa kann nur noch ein Teil der Unterstufe", sagt Anna. Obwohl die Mädchen schon in der zehnten Klasse sind, würden sie gern dort essen. "Das ist einfach nicht so teuer wie in Heilbronn."

Für Jugendliche mit wenig Geld bietet die Innenstadt wenig

Ein Problem, das Pfarrer Steven Häusinger, geschäftsführender Pfarrer der Nikolaigemeinde, auch von seinen Konfirmanden hört. Dass sie nur noch ungern in die Stadt gingen, weil sie dort immer etwas konsumieren müssten, hatte der Grünen-Stadtrat im Mai im Jugendhilfeausschuss gesagt. "Was machen diejenigen, die nicht konsumfähig sind?", fragt er abseits der Sitzung. "Die sind am besten still, für sie gibt es in der City nicht viel."


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Dass ein Jugendhaus in der Innenstadt fehlt, hatte jüngst Aufbaugilde-Geschäftsführer Hannes Finkbeiner im Interview mit der Heilbronner Stimme thematisiert. "Stadtverwaltung und politisch Verantwortliche müssen überlegen, ob nicht doch ein Downtown-Jugendhaus nötig ist," hatte er gesagt.

Quartierszentren sind wichtige Schnittstellen

Eine Meinung, die Kathrin Finkbeiner, Leiterin Psychiatrie und Suchthilfe bei der Caritas Heilbronn-Hohenlohe und verantwortlich für die Caritas-Streetworker in der Innenstadt, nicht teilt. Sie findet: "Wir sollten bestehende Strukturen nutzen." Und sie fragt, ob die Kirchen sich nicht öffnen könnten. Kilianskirche und St. Peter seien sehr aktive Gemeinden. Auch das Heinrich-Frieß-Haus eigne sich eventuell als Treffpunkt für Jüngere. Wichtig seien auch die Quartierszentren als Schnittstellen.


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Jugendliche, die hier andocken, sind allerdings nicht die Zielgruppe der Streetworker. "Das sind Kinder, die keine Schule besuchen, Kinder, die durch alle Raster fallen." Jasmin Trefz, eine der Streetworkerinnen in Heilbronn, stimmt zu. "Unsere jungen Leute entsprechen solchen Treffs nicht. Sie fallen durch Drogen auf oder weil sie aggressiv sind, sie würden so einen Rahmen sprengen, auch wenn es teilweise unter Zwölfjährige sind."

Streetworker wollen den Jugendlichen eine verlässliche Größe sein

Während zahlreicher Lebensbrüche hätten sie erfahren, dass sie sich kaum auf jemanden verlassen könnten. Die Streetworker wollen vermitteln: "Wir sind für euch da, wendet euch an uns." Allerdings fehlt eine feste Anlaufstelle, die junge Leute in Not aufsuchen könnten. "Das wäre ein großer Wunsch von uns."

Wohnungslose Jugendliche brauchen einen besonderen Schutzraum, finden die Streetworker

Zu rund 80 Jugendlichen haben die Streetworker Kontakt, auch wenn sie die Dunkelziffer viel höher schätzen. 17 seien wohnungslos. "Ein schwieriges Thema, weil es das offiziell nicht geben sollte. Das sind junge Leute, die sich dem Jugendamt entziehen und nur durch uns erfassbar sind."


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Manche seien verdeckt wohnungslos, schlüpften bei Freunden unter. Auch ihnen fehle eine Anlaufstelle, wo sie waschen oder etwas essen könnten. Wenn ein 16-jähriges Mädchen auf der Straße schlafe, sei das kaum hinnehmbar. "Sie bräuchte einen besonderen Schutzraum." Teils empfiehlt sie, nach Stuttgart in den "Schlupfwinkel" zu fahren, der speziell für junge Leute auf der Straße gedacht ist.

Plätze, die gern aufgesucht würden, seien der Nußbaum an der Harmonie und der Friedenspark. "Ich würde nicht sagen, dass es der Marktplatz und die Kilianskirche sind. Das ist eher ein Treff der Drogenszene und verkaufender Personen." Die Frequentierung habe im Vergleich zu vor Corona eher abgenommen. "Mich wundert, dass die Diskussion jetzt aufkommt. Vielleicht, weil wir die Stille der vergangenen zwei Jahre gewohnt sind."

Stadt Heilbronn will das Streetwork aufstocken

Zunächst befristet auf drei Jahre plant die Stadt Heilbronn derzeit, die Zahl der Streetworker aufzustocken, eine 80-Prozentstelle ist im Gespräch, sagt Kathrin Finkbeiner von der Caritas. "Die Aufstockung ist auf jeden Fall wichtig. Und auch, mit der Zielgruppe zu sprechen und den Bedarf abzufragen."

Streetworker, die bei der Suchthilfe angesiedelt sind, sind ein Alleinstellungsmerkmal für Heilbronn

Trotz fehlender Anlaufstelle: Jasmin Trefz findet es "gut, dass es uns gibt". Streetworker, die bei der Suchthilfe angesiedelt sind, seien nicht selbstverständlich für eine Stadt in der Größe Heilbronns. "Das ist ein Alleinstellungsmerkmal."


 

Derzeit gibt es zwei Streetwork-Vollzeitstellen in Heilbronn

Die Stadt Heilbronn fördert zwei Vollzeitstellen im Streetwork, aufgeteilt auf vier Personen. Träger sind die Caritas Heilbronn-Hohenlohe und der Verein für Jugendhilfe mit Sitz in Böblingen. Derzeit wird eine Aufstockung geprüft, befristet auf drei Jahre, so Kathrin Finkbeiner von der Caritas. Grund seien zunehmender Konsum und Kriminalität im Zentrum, hieß es im Jugendhilfeausschuss im Mai. Zudem gibt es Jugendtreffs wie das Familienzentrum Augärtle, Sontheim-Ost, die Jugendcafés Wannenbad und Frankenbach, die Treffs Biberach, Horkheim, Kirchhausen und Klingenberg sowie nichtstädtisch das Arkus Familienzentrum. 


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