Was es braucht, um grünen Wasserstoff voranzubringen
Beim Wasserstofftag von DLR und WFG zeigt sich wieder einmal, wie groß das Potenzial des grünen Energieträgers ist und wie wenig es noch ausgeschöpft wird.

Aus einer kleinen Runde im Konferenzraum des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist eine Kongress-ähnliche Veranstaltung mit fast 200 Teilnehmern geworden. Mit der fortschreitenden Energiewende wird auch das Thema Wasserstoff wichtiger. Zum zehnten Mal fand am Dienstag der Wasserstofftag in Hardthausen statt, veranstaltet von DLR und Wirtschaftsförderung Raum Heilbronn (WFG).
Der kleine Unterschied: 150 hier und 20.000 dort
Vor der Buchsbachtalhalle in Hardthausen-Gochsen wartet Heiko Weißert, Großkundenbetreuer bei Hofmann Fördertechnik aus Neckarsulm-Obereisesheim, mit seinen Brennstoffzellen-Staplern. Sie sind ein Beispiel dafür, wo Wasserstoff bereits eine wichtige Rolle spielt.
"Eine Blei-Säure-Batterie zu laden, dauert acht Stunden, bei einer Lithium-Ionen-Batterie dauert es drei", erzählt Weißert. Das Tanken mit Wasserstoff sei in zwei Minuten erledigt. 150 solcher Stapler sind in Deutschland bereits im Einsatz, weitere 70 in Frankreich. Das Potenzial zeigt aber die Zahl aus den USA: Dort gab es dem Energieministerium zufolge bereits 2018 mehr als 20.000 Brennstoffzellen-Stapler.
Es sind verschiedene Dimensionen, Unterschiede im Faktor 100 und mehr, während selbst in den USA der Wasserstoff nur am Rande eine Rolle spielt. Das illustriert ein zentrales Problem, das an diesem Tag häufiger sichtbar wird.
Es geht um Förderungen in Millionenhöhe, riesiges prozentuales Wachstum, neue Projekte, große Pläne. Doch im Verhältnis zu all dem, was notwendig wäre, um wirklich eine Wasserstoffwirtschaft in Gang zu bringen, um einen Unterschied zu machen, bewegt sich alles noch im Anfangsstadium.
Alles muss viel mehr, viel größer und viel besser werden

Das zeigt beispielsweise der Vortrag von Pawel Gazdzicki vom DLR-Institut für Technische Thermodynamik in Stuttgart. Um etwa Schiffe mit Wasserstoff zu betreiben, braucht es nicht nur riesige Mengen an Wasserstoff, sondern auch riesige Brennstoffzellen - mindestens um den Faktor 100 größer als in einem Pkw.
Auch die relativ kurze Lebensdauer dieser "Stacks" genannten Brennstoffzellenstapel ist ein Problem, das gelöst werden muss. Zehn Jahre sind bei einem Schiffsantrieb schließlich keine Zeit.
Unbeantwortet ist die Frage, in welcher Form der grüne Wasserstoff im großen Stil gelagert, transportiert und dann an den Endverbraucher abgegeben wird. Es gibt die Möglichkeit, ihn mit der sogenannten LOHC-Technik an eine Trägerflüssigkeit zu binden. Ammoniak ist ein weiterer möglicher Träger. Komprimiert man den Wasserstoff, gibt es viele Standards - 85, 350 oder 700 Bar - oder man kann ihn verflüssigen. Wann es sinnvoll ist, mit dem Wasserstoff E-Fuels herzustellen, die einfach verbrannt werden können wie Heizöl oder Benzin, bleibt ebenso offen.
Keine Zahlen sind derzeit belastbar
Am Ende braucht es auf jeden Fall auch ein Pipeline-Netz, das den Wasserstoff zu Industrie, Kraftwerken und anderen Großverbrauchern bringt. Die Landesregierung setzt sich dafür ein, dieses Netz zügig auszubauen. Doch es wird mehr als 15 Jahre dauern. Wie groß der Bedarf dann sein wird, ist derzeit aber noch ein Rätsel.
Das Fraunhofer-IAO-Institut hat dazu eine Online-Befragung gestartet. Die geschätzten Zahlen, die an diesem Tag durch die Halle wabern, sprengen teilweise die Vorstellungskraft - sind aber letztlich nicht belastbar. Es kommt eben auch darauf an, ob dieser Energieträger irgendwann bezahlbar ist, sagt auch der Innovationsbeauftragte "Grüner Wasserstoff" der Bundesregierung, Till Mansmann, in einer Videobotschaft.

Kampf gegen Bürokratie und Zeit
Nur vereinzelt werden bisher geförderte Projekte umgesetzt. Auch Claus Flore von Energy Transformation, der in der Vergangenheit mit der Zeag und dem DLR bereits das Projekt H2orizon im Harthäuser Wald verantwortete, erzählt von einem neuen Projekt in Stuttgart und Esslingen. 11 Millionen Euro gibt es für H2Genesis.
Elektrolyseure sollen am Neckar bei Stuttgart aus Sonnenstrom Wasserstoff erzeugen, der dann über eine Pipeline in die Innenstadt transportiert wird, damit dort Busse betankt werden. Die Verbindung soll später an das geplante deutschlandweite Netz angeschlossen werden. Doch schon jetzt kommt alles nur sehr mühsam voran. Vor einem Jahr gab es den Förderscheck.
Derzeit kämpfen die Verantwortlichen mit Genehmigungsverfahren, die den Artenschutz berücksichtigen und die vielen verantwortlichen Stellen mit einbeziehen müssen. Schritt für Schritt soll es dennoch vorangehen. Denn Deutschland will 2045 klimaneutral sein, das Land schon fünf Jahre früher. "Wir sind schon etwas spät dran, wenn wir diese Ziele erreichen wollen", sagt Flore.
Testzentrum
Der größte Wasserstoffverbraucher Europas, das DLR in Lampoldshausen, will seinen Bedarf an Wasserstoff bald schon nachhaltig erzeugen und den gesamten Standort klimaneutral betreiben. Dafür gab es Geld vom Landeswirtschaftsministerium und dann auch noch einmal Mittel der EU, um das sogenannte Hydrogenium aufzubauen - ein Testzentrum, das auch mittelständischen Unternehmen den Zugang zum Wasserstoff-Knowhow des DLR ermöglicht. Für Landrat Norbert Heuser steht außer Frage, dass der grüne Wasserstoff ein Schlüssel für den künftigen Wohlstand in der Region und im Land sein wird. Als Leiter der Arbeitsgemeinschaft H2-Ökosystem in der Metropolregion Stuttgart will er das Thema weiter voranbringen. Demnächst gibt es ein Strategietreffen mit Energieversorgern und Stadtwerken.