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Wasserstoff-Technologie wird einen großen Anteil an der Energieversorgung haben

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Wann sinken die Preise? Was können die Kommunen für die Energiewende tun? Diese Fragen beantwortet Thomas Haag, Geschäftsführer der Regionalwerke Neckar-Kocher, im Stimme-Interview.

Thomas Haag (rechts) und sein Stellvertreter Marcel Baumann  machen die Stadtwerke Neckarsulm fit für die Zukunft.
Thomas Haag (rechts) und sein Stellvertreter Marcel Baumann machen die Stadtwerke Neckarsulm fit für die Zukunft.  Foto: Berger, Mario

Die Regionalwerke Neckar-Kocher übernehmen die Betriebsführung für Neuenstadt und betreiben das Gasnetz in Neckarsulm, Bad Friedrichshall, Neuenstadt und Erlenbach. Geschäftsführer Thomas Haag schaut trotz des überhitzten Energiemarkts optimistisch in eine grüne Zukunft. 

 

Die Regionalwerke Neckar-Kocher wurden 2020 gegründet. Wie viele Kunden haben Sie und betreiben Sie auch das Gasnetz? 

Wir betreuen circa 8500 Gas-Hausanschlüsse in Neckarsulm, Bad Friedrichshall, Neuenstadt und Erlenbach. Die Regionalwerke sind für das Gasnetz und die technischen Anlagen verantwortlich. Daher kann man den Gas-Hausanschluss auch nur von den Regionalwerken bekommen. Den Lieferanten kann der Kunde frei wählen. Der Vertrieb ist bei den drei beteiligten Stadtwerken Neckarsulm, Bad Friedrichshall und Neuenstadt verblieben, egal ob Gas, Wasser oder Strom. Nur das Gasnetz, also die technischen Anlagen sind ins Regionalwerk übergegangen. 

 

Bieten die Regionalwerke Neckar-Kocher nur Gas oder auch Strom an? Wenn ja, wie sind hier aktuell die Tarife?

Die Regionalwerke sind nicht vertrieblich tätig, sie stellen nur das Gasnetz zur Verfügung und bieten Dienstleistungen an. Strom, Wasser, Wärme und Gas liefern die Stadtwerke Neckarsulm und Bad Friedrichshall, und bis auf Strom auch Neuenstadt. Bad Friedrichshall hat ein eigenes Kundenzentrum, Neckarsulm auch, Die Stadtwerke Neuenstadt haben uns darum gebeten, dass die Stadtwerke Neckarsulm die Kundenbetreuung mit übernimmt. 

 

Vor Kurzem haben Sie auch die Betriebsführung für Neuenstadt übernommen. Was heißt das konkret?

Die technische Betriebsführung übernehmen die Regionalwerke Neckar-Kocher GmbH & Co. KG für die Wasser- und Wärmeanlagen in Neuenstadt und Bad Friedrichshall. Eigentumsrechtlich gehören diese Anlagen den jeweiligen Stadtwerken. Das technische Personal ging über in die neuen Regionalwerke.

 

Der Übergang verlief in Neuenstadt aus Sicht einiger Kunden etwas holprig. Die Abschläge, die vorher alle zwei Monate eingezogen wurden, blieben gleich, wurden aber monatlich abgebucht, was einer Verdopplung gleichkommt. Haben Sie diesen Fehler mittlerweile korrigiert?

Der IT-Dienstleister hat die falsche Einstellung gewählt. Deshalb wurden die Abschläge monatlich abgebucht. Die Gaspreise haben sich aber nahezu verdoppelt, insofern sind die Beträge gleichgeblieben und es ist kein Fehler passiert. Vielen Kunden war dann die monatliche Abbuchung ganz recht. Dann fällt der Betrag nicht ganz so hoch aus, wie wenn nur alle zwei Monate abgebucht wird.  

 

Einige Kunden haben auch rückgemeldet, dass sie am Servicetelefon niemand erreicht haben, beziehungsweise von Neuenstadt nach Neckarsulm verwiesen wurden. Wie viele Beschwerden gab es und haben Sie das Personal im Servicebereich aufgestockt?

Die Kundennähe zählt viel für uns als regionale Stadtwerke. Aber es ist leider zu längeren Wartezeiten gekommen. Wir konnten nicht jeden Anrufer sofort beraten. Die Frequenz der Anrufe ist auf das sechsfache Aufkommen gestiegen. Es gab viele Fragen, dadurch waren die Anrufe auch deutlich länger. Wegen der Gaspreisbremse und der Gasspeicher-Umlage war die Unsicherheit groß. Das haben auch wir gespürt. Auch die Mitarbeiter im Kundenzentrum mussten sich mit den beschlossenen Änderungen durch die Bundesregierung vertraut machen, damit sie erklären konnten, warum man das so gemacht hat. Wir hatten schon letztes Jahr eine zusätzliche Kraft im Service-Bereich eingestellt, so dass wir die zusätzlichen Nachfragen gut auffangen konnten. Die Vervielfachung der Kundenanfragen durch die Gaspreisbremsen war Mitte des letzten Jahres noch nicht vorhersehbar.

 

Wie behaupten Sie sich als immer noch vergleichsweise kleines Stadtwerk am derzeit überhitzten Energiemarkt? 

Von der Vertriebsseite kann ich nur für Neckarsulm sprechen, da die Stadtwerke ja alle eigenständig geblieben sind. Wir behaupten uns ganz gut und haben unseren Marktanteil gesichert. Bei den Kunden haben wir eine geringe Fluktuation. 

 

Thomas Haag (links) und sein Stellvertreter Marcel Baumann  schauen im Stimme-Interview optimistisch auf die Energieversorgung von Morgen.
Thomas Haag (links) und sein Stellvertreter Marcel Baumann schauen im Stimme-Interview optimistisch auf die Energieversorgung von Morgen.  Foto: Berger, Mario

Sinken die Energiepreise derzeit wieder und können Sie diese in absehbarer Zeit an die Kunden weitergeben?

Wir werden, wie es im Moment aussieht, schon nächstes Jahr die Preise durch einen günstigeren Einkauf senken können. Für dieses Jahr sind die Beschaffungen abgeschlossen. Wir beschaffen immer ein Jahr im Voraus. Dadurch konnten wir letztes Jahr die Preise bis auf geringe Anpassungen nahezu konstant halten, obwohl an der Börse Spitzenpreise im Einkauf von bis zu 35 Cent pro Kilowattstunde gehandelt wurden. Mit Umlagen und Netzentgelten sind wir dann bei knapp 40 Cent netto. Im Jahr 2023 wirken die hohen Einkaufspreise aus dem Jahr 2022 noch nach, aber wir können davon ausgehen, dass es im nächsten Jahr deutlich nach unten gehen wird. Die staatliche Gaspreisbremse hat einen Vorteil für den Bürger, das muss man ganz klar sagen. Aber IT-technisch und beratungstechnisch ist die Umsetzung dieses Konstruktes schwierig. Wie setzen sich die Preise zusammen, wie wird der neue Abschlag ermittelt, wie hoch ist der Entlastungsbetrag? Diese komplexen Themen sind gegenüber den Kunden schwer verständlich zu vermitteln. 

 

Erneuerbare Energien werfen ja erst mal keinen Profit ab. Sehen Sie die Stadtwerke da in einer Vorreiter-Rolle? 

Die kommunale Wärmeplanung haben alle Städte ab 20000 Einwohner als Aufgabe bekommen, und dies wird sicher auch noch für kleinere Kommunen kommen. Die Wärmeversorgung hat in der Energiekrise eine große Bedeutung bekommen. Und es ist richtig: Der Betrieb ist defizitär, wobei wir versuchen, unsere Bestandsanlagen auf ein ausgeglichenes Ergebnis zu bringen. Die kommunale Wärmeversorgung wird ausgebaut werden müssen, das ist eine staatliche Vorgabe. Es gibt bei uns schon seit 25 Jahren die solargestützte Wärmeversorgung in Amorbach. Das war ein damals belächeltes Pilotprojekt mit hohen Investitionskosten, mit dem wir heute immer noch, wie auch bei den thermischen Solaranlagen, auf städtischen und privaten Gebäuden, weit vorne liegen. Wir haben ebenfalls schon ein sehr großes Biomasseheizwerk im Gewerbegebiet Trendpark, welches das Gewerbegebiet und die Innenstadt mit Wärme versorgt. Wir wollen den fossilen Gaseinsatz weiter nach unten bewegen und suchen nach weiteren regenerativen Energiequellen wie zum Beispiel Groß-Wärmepumpen. Den hierzu benötigten Strom wollen wir über PV-Anlagen selbst erzeugen. Das Gutachten zur kommunalen Wärmeplanung wird demnächst im Gemeinderat vorgestellt. Deshalb können wir hier auch noch nicht über konkrete Summen und Investitionen reden. Aber angesichts der gestiegenen Material- und Baupreise in der Versorgungswirtschaft werden die Kosten deutlich nach oben gehen. 

 

Welche konkreten Investitionen sind 2023/24 geplant?

Wir wollen die Eigen-Wasserförderung von derzeit 35-40 Prozent weiter ausbauen. Der Ausbau des Gasnetzes ruht derzeit, weil niemand weiß, wohin die gesetzlichen Vorgaben gehen werden. Nach der Aussage von Wirtschaftsminister Robert Habeck, dass ab 2024 keine neuen Gasheizungen installiert werden sollen, hat man die Unsicherheit am Markt und bei unseren Kunden gespürt. Daher führen wir nur Erneuerungen von bestehenden Gasleitungen durch, den Neubau haben wir erst mal zurückgestellt. Es ist durch diese Unsicherheit auch kein Bedarf und keine Nachfrage in Neubaugebieten nach einer Gasversorgung da. 

 

Welchen Beitrag können die Regional-Werke Neckar-Kocher für die Energiewende liefern?

Da geht es uns wie den privaten Unternehmen und Bauherren. Der Umbau der Energienetze ist in dem gesteckten Zeitrahmen nicht umsetzbar. Wir gehen aber dennoch optimistisch in die Zukunft und planen zweigleisig. Zum einen versuchen wir unser Gasnetz für Wasserstoff fit zu machen und bauen zum anderen die kommunale Wärmeversorgung aus. Die Wasserstoff-Technologie wird einen großen Anteil an der Energieversorgung der Zukunft haben. Dafür müssen wir unser Gasnetz modernisieren. Ein harter Cut ist sicher nicht realisierbar, aber eine Umstellung nach und nach auf neue Technologien wie Grüner Wasserstoff ist sicher gut machbar. 

 


Zur Person

Seit Januar 2022 ist Thomas Haag (58) Geschäftsführer der Regionalwerke Neckar-Kocher GmbH & Co. KG. Sein Einstieg war im April 1996 als Leiter der kaufmännischen Abteilung der Stadtwerke Neckarsulm. Bei der Umsetzung von neuen Projekten wird Thomas Haag von seinem Stellvertreter Marcel Baumann sowie rund 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einer Auszubildenden unterstützt.

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