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Europäischer Notfall-Kongress
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Möglicher Nato-Bündnisfall: Lernen von Ärzten aus der Ukraine

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Es fehlt an Ausbildung, Bewusstsein und Geld: Was dringend geschehen muss, um zivile Kliniken für die Versorgung von Kriegsverletzten zu wappnen, diskutieren Mediziner bei einem Kongress in Aachen.

Die militärische Vorbereitung auf einen möglichen Nato-Bündnisfall ist in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Doch auch das Gesundheitssystem muss sich besser für solch ein Szenario rüsten, mahnen Experten.
Die militärische Vorbereitung auf einen möglichen Nato-Bündnisfall ist in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Doch auch das Gesundheitssystem muss sich besser für solch ein Szenario rüsten, mahnen Experten.  Foto: Marcus Brandt

Die Krankenhausreform nach den Plänen des Gesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) ist auf den Weg gebracht. Sie sieht eine weitere Spezialisierung von Kliniken und die Konzentration medizinischer Leistungen in Zentren vor. Kliniken ohne Spezialprofil sollen geschlossen oder zu ambulanten Grundversorgungs-Einrichtungen umgebaut werden. Für das Szenario eines möglichen Nato-Bündnisfalls mit täglich bis zu 1000 Verletzten auf deutschem Boden sind diese Pläne ein Problem. Das wurde beim Europäischen Kongress von Trauma- und Notfallchirurgen in Aachen ECTES deutlich. 

Im Kriegsfall müssen zivile Kliniken Versorgung von Verletzten übernehmen

In diesem schlimmsten Fall, einer Ausweitung des Krieges auf Nato-Territorium, müssten zivile Krankenhäuser voll in die Versorgung Verwundeter einsteigen, denn das Personal an den fünf Bundeswehrkrankenhäusern in Deutschland würde vermutlich in Frontnähe verlegt werden – und die insgesamt 2000 Betten an diesen Kliniken würden ohnehin nicht ausreichen. Auch der hohe Grad an Spezialisierung von Ärzten in der zivilen Medizin wäre in einem solchen Szenario ein Problem. Denn für die Versorgung von Menschen mit schweren Spreng- oder Amputationsverletzungen oder Verbrennungen sind Generalisten gefragt, vor allem Chirurgen, die eine große Bandbreite von lebenserhaltenden und stabilisierenden Eingriffen beherrschen.    Wie kann dieser Widerspruch aufgelöst werden? Darüber diskutierten Ärzte aus europäischen Ländern gemeinsam mit Vertretern einer ukrainischen Delegation um Professor Mykola Ankin aus Kiew. Er ist einer der bekanntesten zivilen Chirurgen des Landes. 65 Prozent seiner Patienten sind inzwischen Kriegsverletzte, wie Ankin sagte. Kiew ist hunderte Kilometer von der Frontlinie entfernt, so sind er und sein Team Sekundärversorger. Das heißt: Sie rekonstruieren Knochen und Gewebe von Versehrten nach der Evakuierung und der Erstversorgung in Krankenhäusern im Osten des Landes. Ankin mahnte seine europäischen Kollegen eindringlich: „Man muss immer auf den Fall eines Krieges vorbereitet sein.“

Möglicher Nato-Bündnisfall: Vorbereiten, so gut es geht 

Das deutsche Gesundheitssystem habe in der Pandemie gezeigt, dass auf Arbeitsebene flexible und schnelle Entscheidungen möglich sind, sagte Oberstarzt Dr. Gerhard Achatz vom Bundeswehrkrankenhaus Ulm. Es sei dringend nötig, nun das Bewusstsein dafür zu schaffen, was im Ernstfall auf zivile Kliniken zukommen könnte. Außerdem müsse das Personal bestmöglich geschult werden und es brauche Geld, um Versorgungsketten aufzubauen. Der Austausch mit den Kollegen aus der Ukraine sei wertvoll gewesen: „Die Kontakte wollen wir nutzen, um die Themen in Deutschland und auf europäischer Ebene vorzubereiten.“

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