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Wirtschaftskrimi um Oedheimer Unternehmer: Die Hintergründe

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Zbigniew Roch will mit einer von ihm geführten Schweizer AG in den USA eine Ölfirma übernehmen. Dabei kommt eine 450-Millionen-Euro-Police zum Einsatz, die nach Aussage der darin angegebenen Ergo-Versicherung gefälscht ist. Was steckt dahinter?

Eine geplante Firmenübernahme im Umfang von mehreren Hundert Millionen Euro soll von diesem Anwesen in Oedheim ausgegangen sein.
Eine geplante Firmenübernahme im Umfang von mehreren Hundert Millionen Euro soll von diesem Anwesen in Oedheim ausgegangen sein.  Foto: Christian Gleichauf

Es ist ein Wirtschaftskrimi mit ungewissem Ausgang. Im Zentrum steht ein Unternehmer aus dem Landkreis Heilbronn, der mit einer von ihm geführten Schweizer AG unter Zuhilfenahme eines britischen Finanzdienstleisters eine kanadische Firma übernehmen will, die finanziell am Boden liegt. Tausende Kleinanleger hoffen noch, dass sich der ganze Vorgang am Ende nicht als riesige Aktienmanipulation herausstellt.

Es gibt bei dieser Geschichte viele Akteure - in den USA, in Kanada, in der Türkei und in Großbritannien, und viele spielen eine fragwürdige Rolle. Ein Mann aber zeichnet für den Multimillionendeal offiziell verantwortlich, einer, der sich in der Region Heilbronn häufig als Wohltäter gezeigt hat: Zbigniew Roch (66), der Schlossherr von Oedheim.

Der Übernahme-Deal

Petroteq Energy Inc. ist ein kanadisch-amerikanisches Unternehmen, das angeblich eine besonders saubere Technik entwickelt hat, um Öl aus Ölsanden zu extrahieren. Ein grünes, nachhaltiges Unternehmen in der schmutzigen Fracking-Branche, so scheint es. Seit Jahren steht das Unternehmen nach eigenen Angaben vor dem Durchbruch.

Beflügelt von den guten Aussichten schaffte es die Aktie vor acht Jahren auf 37 Dollar. Das Unternehmen war damit 60 Millionen Dollar wert. Nach Ausgabe immer weiterer Anteile erreichte der Kurs an der Wall Street vor zwei Jahren sein Allzeittief bei unter drei Cent - und die Firma einen Börsenwert von sechs Millionen Dollar.

Irgendwann zu dieser Zeit könnte ein paar Leuten die Idee gekommen sein, wie man mit dem sogenannten Penny Stock Geld verdienen kann.

Erste Anzeichen gab es im April 2021. Da wurde im deutschen Bundesanzeiger ein "Freiwilliges öffentliches Kaufangebot" an die Aktionäre der Petroteq Energy veröffentlicht. Als es sich bis in die USA herumgesprochen hatte, vervierfachte sich der Aktienkurs auf mehr als 18 Cent. Dann ging es wieder bergab.

Der Chef des Unternehmens, das für die Offerte angeblich verantwortlich war, erklärt auf Anfrage unserer Zeitung, jemand habe seinen Firmennamen missbraucht. Er sei von amerikanischen Behörden deswegen bereits kontaktiert worden.

Am 25. Oktober 2021 dann der Aufschlag in den USA. Die Ontario Inc., eine hundertprozentige Tochter der Viston United Swiss AG, unterbreitet den Petroteq-Aktionären ihr Übernahmeangebot: 74 Cent pro Aktie statt der damals aktuellen 14. Nach einer Phase der Zurückhaltung vervielfacht sich die Marktkapitalisierung des Unternehmens Anfang 2022 auf 270 Millionen Dollar. Danach geht es wieder runter.

Irgendjemand verdiente mit diesem Auf und Ab viel Geld. Unterzeichner des Angebots: Zbigniew Roch, Oedheim, Germany.

 


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Am Bautzenschloss in Oedheim

"Videoüberwachung" informiert ein Schild am eisernen Tor vor dem Bautzenschloss in Oedheim. Ein Fußweg führt zum Kocher hinunter. Dort stehen zwei junge Männer, die die Geschichte des alten Gemäuers gut kennen. "Der alte Baron ist 1967 gestorben und hat verfügt, dass 25 Jahre niemand mehr hier wohnen darf", erzählt einer von ihnen.

Inzwischen gebe es wieder einen Schlossherrn. "Wenn man sich gut mit ihm stellt, dann kann man wohl auch seine Hochzeit hier feiern", erzählt einer.

Der Schlossherr Zbigniew Roch ist als Pole mit deutschen Wurzeln 1990 nach Deutschland übergesiedelt. Inzwischen hat er die deutsche Staatsbürgerschaft. Er war in den frühen 90ern zu einem kleinen Vermögen gekommen und bereit, es in einer außergewöhnlichen Immobilie anzulegen.

Die Chance ergab sich 1995, als die Gemeinde Oedheim ihr Schloss samt 2500 Quadratmeter großem Grundstück zum Kauf anbot. 450.000 Mark bezahlte er und gab die Zusage, das denkmalgeschützte Gebäude aus dem 12. Jahrhundert zu sanieren. Mit seinen Bauunternehmen und engen Beziehungen zu Handwerkern aus Polen ging es an die Arbeit. Er löste das Versprechen ein und erhielt viel Lob für die Sanierung.

Wofür das "Schloss Roch" alles genutzt wird

Das alte Bautzenschloss ist seit vielen Jahren Tagungsort des von Roch initiierten European Business Club, ein "elitärer Club von Geschäftsleuten", so stellt der 66-Jährige seinen Verein deutscher, schweizerischer und polnischer Unternehmer im Internet vor. Lobbyarbeit sei ein Ziel.

Tatsächlich empfängt er als "Präsident" des Clubs regelmäßig hochrangige Politiker - überwiegend aus Polen. Er begleitet Delegationsreisen, häufig in die Türkei. CDU-Politiker Thomas Strobl ließ sich zweimal mit Roch ablichten, zuletzt kurz vor seiner Ernennung zum Innenminister von Baden-Württemberg.

Sein Bild mit Strobl nutzt Roch wahlweise zur Illustration seiner Aktivitäten im Business-Club als auch für den Sankt-Stanislaus-Orden, einen ehemaligen polnischen Ritterorden, der später privatrechtlich wiederbelebt wurde.

Um 2008 wurde Roch in Polen in den Orden aufgenommen. Umgehend habe er dann das bestehende "Großpriorat", also den deutschen Ableger des Ordens, zu einem Club der Millionäre umbauen wollen, erklärt ein Insider der Heilbronner Stimme.

Nach Widerstand der Führungsriege gründete er daraufhin sein eigenes "Großpriorat Deutschland" und pflegt dazu einen Internetauftritt in der Schweiz - eine Lösung, mit der für eine gewisse Zeit alle Seiten leben konnten.

Inzwischen erlaubt ihm der Großmeister, das Oberhaupt des Ordens in Polen, allerdings keine "Investituren" mehr - also keine Aufnahme neuer Mitglieder -, nachdem "Großprior" Roch angeblich mehrere Personen aus seinem persönlichen Umfeld mit einer Ordenszugehörigkeit ausgestattet hatte.

Roch, der sein Zuhause selbstbewusst "Schloss Roch" oder "Roch Castle" nennt und es so auch von der Touristikgemeinschaft bewerben lässt, ist allerdings nicht der Eigentümer der Immobilie. Anfangs gehörte sie je zur Hälfte seiner Frau und ihm, inzwischen gehört alles seiner Frau.

Die Möglichkeit, zu diesen Sachverhalten Stellung zu nehmen, schlägt Roch aus. Als "Jurist, Diplomat und Journalist" sei er sich stets dem "Grundsatz treu geblieben, Gerüchte nicht zu kommentieren", erklärt er gegenüber unserer Zeitung. Die Vorwürfe entsprächen nicht der Wahrheit.

Unbeantwortet bleibt auch die Frage, woher das Geld für ein Geschäft im Umfang von mehreren hundert Millionen Euro kommt. Er verweist in diesem Zusammenhang auf die Dokumente, die bei den Aufsichtsbehörden in Kanada und den USA eingereicht wurden.

Der Unternehmer Zbigniew Roch

Dauerhafter unternehmerischer Erfolg blieb Zbigniew Roch verwehrt. Seine drei Unternehmen aus den 1990ern gibt es nicht mehr. Über viele Jahre ist über ihn nur zu lesen, wie er sich um das Schloss kümmert, wie er behinderten Kindern aus Polen ein paar schöne Tage in Deutschland ermöglicht oder sein Anwesen für andere wohltätige Zwecke öffnet. Einkommen generieren seltene Ausstellungen und Festivitäten im Schloss.

2011 übernahm er die Kontrolle bei der Viston United Swiss AG als Verwaltungsratspräsident. Mit der Vorstellung, die man üblicherweise mit einer Aktiengesellschaft in Deutschland verbindet, hat eine Schweizer AG allerdings nicht zwingend viel gemein. Die Gründung der AG nach Schweizer Recht ist denkbar einfach. Die Viston-Geschäftsadresse ist ein Wohnhaus in St. Gallen.

Ein großes Kapital ist aber ihr Name. Viston United Swiss. Das klingt nach Vision, nach Weitblick, nach Zukunft. Es klingt seriös.

Die Finanzierung über die Uniexpress

Der Petroteq-Deal wird begleitet von der Uniexpress Investment Holding aus London und ihren Chefs Gurkan Vural und Hasan Yilmaz. Die Homepage des Finanzdienstleisters weist Geschäftsverbindungen mit bekannten Institutionen aus, darunter die Royal Bank of Scotland, die Rothschild Vermögensverwaltung, die Unicredit-Bank, die Hannover Rück Versicherung oder - in der Vergangenheit - die Ergo-Versicherung.

Vorübergehend hatte Uniexpress die J. Safra Sarasin Bank als "Direktor" eingesetzt. Automatisierte Analyse-Tools wie North Data weisen die Verbindung somit als vermeintliche Geschäftsbeziehung aus. Wie Recherchen unserer Zeitung ergaben, bestehen mehrere der genannten Geschäftsverbindungen nicht.

Die Uniexpress teilt sich ihre Adresse mit 4000 anderen Firmen in einem Gebäude in London. Wer das Online-Banking nutzen will, wird vor einer unsicheren Verbindung gewarnt. Dennoch wird mit "15 000 happy clients" geworben.

Das türkische Nachrichtenportal Haber48 berichtete im April und im Mai über einen Immobilienbetrug in der Türkei. Mittendrin damals die "Uniexpress Bank", die vorübergehend bei einem Zahnarzt in Istanbul registriert gewesen sei.

Die türkischen Journalisten fanden demnach auch heraus, dass vorgelegte Garantien der Hannover Rück Versicherung gefälscht waren. Eine Vorgehensweise, die sich in ähnlicher Form wiederholen sollte.

Auf Spurensuche

Mario K. kennt sich an der Börse aus, auch beruflich. "Anfang des Jahres hat mich ein Freund darauf aufmerksam gemacht, dass mit der Petroteq-Aktie etwas nicht stimmt", erzählt er. Er habe es sich genauer angeschaut und sei aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen.

Er findet die angeblichen Übernahmeofferten im Bundesanzeiger, "damit sollten die Kleinaktionäre wohl angefixt werden". Er verfolgte Handelsregistereinträge, informierte sich bei ausländischen Behörden und kam bald zu dem Schluss, dass die Bank, die angeblich das Geld für einen Hunderte-Millionen-Dollar-Deal bereitstellte, keine Bank ist.

Dann meldet er die Ergebnisse seiner Recherchen betroffenen Finanzinstituten und Versicherern. Er wendet sich an die Polizei und findet irgendwann einen Kommissar, der ihm zuhört. Und endlich: Die Staatsanwaltschaft Ellwangen ermittelt. Angesichts der Komplexität des Falls fragt sie bei der Bafin nach. Die hat gegen Petroteq oder Viston aber nichts vorliegen. Das Verfahren wird eingestellt.

Die Frustration könnte größer nicht sein. Mario K. fürchtet, das "Old Boy"s Network", wie er es nennt, könnte damit durchkommen. Er wendet sich an die Heilbronner Stimme.

Die Fälschung

Am 6. Juli 2022 lädt die Viston United Swiss AG, also verantwortlich Zbigniew Roch, gemeinsam mit der Uniexpress Investment Holding PLC ein Versicherungsdokument bei der amerikanischen Börsenaufsicht SEC hoch. Die Police soll eine mögliche Zahlungsunfähigkeit des Versicherungsnehmers absichern. Höhe: 450.000.000 Euro.

Der Text ist voller Fehler. Die Adresse des Versicherungsnehmers Zbigniew Roch lautet auf "Schloss 0-74229 Oedhiem", Adresse und Logo der Ergo sind nicht aktuell, der Ombudsmann findet sich angeblich in "0006 Berlin". Der QR-Code führt über eine Umleitung zur Unternehmensseite.

Mario K. jubiliert. "Im Großen agieren sie unglaublich raffiniert, im Kleinen einfach nur dilettantisch", sagt er.

Er meldet den Fund der Ergo. Er meldet ihn der Polizei. Nichts tut sich. Gegenüber unserer Zeitung erklärt die Staatsanwaltschaft Ellwangen, dass sie nach den Hinweisen auf das mutmaßlich gefälschte Dokument die Ermittlungen wieder aufgenommen, das Verfahren aber an die Staatsanwaltschaft Heilbronn abgegeben habe.

Dort wurde es innerhalb weniger Tage wieder eingestellt, obwohl auf dem Dokument gut sichtbar die Zahl 450.000.000,00 Euro prangt. Begründet wird der Schritt auf Nachfrage nicht.

Transparent geht die Ergo Group in Düsseldorf mit dem Thema um. Ein Unternehmenssprecher erklärt gegenüber unserer Zeitung: "Bei dem im Rahmen der geplanten Übernahme von Petroteq Energy Inc. durch die Viston United Swiss AG eingereichten Dokument zu einer angeblichen ‚Bond Insurance Policy’ handelt es sich um eine Fälschung."

Eine vertragliche Beziehung wie im Dokument wiedergegeben bestehe nicht. Die Ergo habe zudem Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf gestellt und die amerikanische Börsenaufsicht SEC informiert.

Die SEC antwortet auf die Anfrage unserer Zeitung, sie werde sich in dieser Angelegenheit nicht äußern. Was Personen droht, die betrügerische Angaben gegenüber der SEC machen, zeigt sie aber auf ihrer eigenen Seite. Ein Mann, der mit einer gefälschten Übernahmeofferte den Kurs einer Aktie manipuliert hatte, musste den erzielten Gewinn zurückzahlen und wurde zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Es ging um gut 3000 Dollar.

Reibungsverluste bei den Behörden

In Düsseldorf hat die Staatsanwaltschaft inzwischen den Eingang der Anzeige bestätigt - Wochen, nachdem die Ergo sie gestellt hatte. Die Recherchen unserer Zeitung führten die Ermittlungsbehörden in Düsseldorf und Heilbronn zusammen - eine zentrale Stelle zum Abgleich solcher Verfahren gibt es in Deutschland nicht.

Die Staatsanwaltschaft Heilbronn will die mutmaßliche Urkundenfälschung nun noch einmal prüfen. In besonders schweren Fällen drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Zbigniew Roch erklärt auf Anfrage, er könne keine Informationen teilen, die nicht öffentlich und für alle zugänglich sind. Ob die Ergo-Versicherungspolice gefälscht sei, kommentiert er nicht, verweist aber zur "Klarstellung" unter anderem explizit auf das Ergo-Dokument bei der SEC.

 

Berichterstattung (chronologisch)


17. August 2022 Millionendeal mit gefälschter Versicherung: Oedheimer Unternehmer im Fokus 

17. August 2022 Wirtschaftskrimi um Oedheimer Unternehmer: Die Hintergründe 

18. August 2022 Staatsanwaltschaft Heilbronn ermittelt gegen Unternehmer aus Oedheim

26. August 2022 Dämpfer für Oedheimer Unternehmer bei geplanter Übernahme von Ölfirma

29. August 2022 Geplante Übernahme kanadischer Ölfirma: Viston zieht Angebot für Petroteq zurück

29. November 2022 Die Spur des Geldes im Viston-Petroteq-Deal führt in die Türkei

29. November 2022 Viston und Uniexpress: Der merkwürdige Trick mit geklauten Unterschriften

 

 

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