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Deutschlands Flüsse leiden massiv unter der Dürre

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Zu wenig Regen, zu wenig Wasser: Gütertransport und Industrie an den Flüssen sind betroffen, Arten und Auen gefährdet. Experten erklären, was jetzt zu tun ist.

Der Rhein, hier bei Köln, führt an vielen Stellen Niedrigwasser, wie andere Flüsse in Deutschland auch. Foto: dpa
Der Rhein, hier bei Köln, führt an vielen Stellen Niedrigwasser, wie andere Flüsse in Deutschland auch. Foto: dpa  Foto: Oliver Berg

Bei Lauffen und Heidelberg ist der Wasserstand des Neckars niedrig. Entlang des Rheins gilt das laut den Daten der Wasserstraßen- und Schiffsverwaltung des Bundes (WSV) auf der ganzen Strecke zwischen Plittersdorf und Emmerich. Wegen der Trockenheit führen auch Elbe, Main und Oder viel zu wenig Wasser, kleine Flüsse sind ebenso betroffen. Das führt zu katastrophalen Folgen für die Umwelt und alarmiert die Schifffahrt. Forschende erklären, welche Konsequenzen die Dürre für die Ökosysteme am Fluss hat und was jetzt zu tun ist.

 


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Wie ist die Datenlage zu den deutschen Schifffahrtsstraßen?

"In Deutschland gibt es rund 7500 Kilometer Binnenwasserstraßen, von denen etwa 75 Prozent der Strecke auf Flüsse und 25 Prozent auf Kanäle entfallen", erklärt Boris Lehmann vom Fachgebiet Wasserbau und Hydraulik der Technischen Universität Darmstadt. Etwa 4800 Kilometer des Bundeswasserstraßennetzes besitzen demnach maßgebliche Bedeutung für den Güterverkehr in Europa: "Frachtschiffe transportieren vor allem Kohle und Erze, Agrargüter, Erdöl und Erdölprodukte, Sand und Kies, Stahl und Schrott sowie Container und auch Gefahrgüter", so Lehmann weiter. Hinzu komme die touristische Fahrgastschifffahrt, die in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen habe: "Mittlerweile verkehren auf deutschen Gewässern rund 1000 Fahrgastschiffe, die jährlich zehn Millionen Fahrgäste befördern."


Was bedeuten niedrige Pegelstände für die Schifffahrt?

Konkret bedeuten "niedrige Pegelstände einen verringerten Güterverkehr entlang der Wasserstraßen", sagt Lehmann. Durch die Verminderung der Fahrwassertiefen müssten Schiffe ihre Abladetiefe reduzieren, um ein Aufsetzen zu verhindern. "Das kann nur durch eine Verringerung der Frachtmenge erreicht werden." Je nach Pegelstand müsse die Schifffahrt in betroffenen Abschnitten aus Sicherheitsgründen ganz eingestellt werden. In den vergangenen Jahren hatten sich immer wieder Schiffe auf dem Rhein festgefahren − der Grund dafür war häufig Niedrigwasser.


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Welche Konsequenzen hat das für Kraftwerke und die Industrie?

"Flussnahe Kraftwerke entnehmen Wasser zu Kühlzwecken und leiten dies dann erwärmt wieder ein", erklärt Lehmann. Das könne behördlich untersagt werden, wenn die Pegelstände zu niedrig oder die Wassertemperaturen in den Flüssen zu hoch seien. So hat das Umweltministerium in Rheinland-Pfalz Ende Juli eine Warnstufe für den zu warmen Rhein ausgerufen. Sollte die Wassertemperatur weiter steigen, könnte sich das auf große Industriebetriebe wie die BASF auswirken. Sie wären dann verpflichtet, selbst weniger warmes Wasser in den Rhein einzuleiten und müssten dafür gegebenenfalls ihre Produktion drosseln. Extremes Niedrigwasser könne also Produktionsrückgänge oder -stopps bewirken, sagt Lehmann.


Wie wirkt sich die Dürre auf die Ökosysteme der Flüsse aus?

Hier sind drei Faktoren zu nennen: das Verdünnungspotenzial, die stärkere Erhitzung und der Verlust von Biodiversität sowie gestörte Auen. Wegen des fehlenden Verdünnungspotenzials durch Niedrigwasser erhöhe sich die Konzentration von Schad- und Nährstoffen im Wasser, erklärt Karsten Rinke vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Magdeburg. "Damit verstärken sich toxische Effekte." Bei zu geringen Sauerstoff- oder ungünstigen pH-Verhältnissen komme es zu Fischsterben − und in der Folge zum Sterben anderer Organismen wie Muscheln und Insektenlarven. Auch die menschliche Nahrungsversorgung sei mittelbar betroffen − durch Schadstoffanreicherungen in Fischen. Zweiter Faktor: Durch die hohen Temperaturen können "bekannte Arten im Gewässer ihre ökologische Nische verlieren". Gleichzeitig rückten Arten aus wärmeren Gebieten nach. Das beobachte man bereits − es werde in Zukunft stark zunehmen und die Artengemeinschaften verändern, sagt Rinke. Als dritten Faktor fürchtet er ein Sterben der Auwälder durch Austrocknung. "Diese sehr artenreichen Lebensräume gehen verloren und damit auch die dazugehörigen Arten." Die Konsequenzen seien der Verlust von Biodiversität und bestimmten Lebensräumen. Bereits gefährdete Gruppen wie Amphibien seien besonders betroffen. Auch die Landschaft werde sich durch Verlust der Auen stark verändern − hin zu einer Versteppung.


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Welche Anpassungsmaßnahmen lassen sich im Bereich Schifffahrt treffen?

Es gebe im Prinzip zwei Möglichkeiten, sagt Jonathan Köhler vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe: "Sie können die Flüsse ausbaggern. Das wird aber wahrscheinlich nicht passieren, weil es schlecht für Tiere, Pflanzen und den Wasserhaushalt ist und weil der Aufwand, mehrere Strecken dauernd auszubaggern nicht praktikabel ist." Alternativ müsse die Binnenschifffahrt in neue Schiffe investieren, die auch bei niedrigem Pegelstand fahren können. Mit der bestehenden Infrastruktur werde es dann aber Probleme geben, weil solche Schiffe breiter, länger oder höher als heutige seien, wenn sie genauso viel Fracht laden können. "Damit passen sie aber nicht durch die bestehenden Schleusen und sie können auch nicht unter den Brücken durchfahren." In der Konsequenz bedeute das, so Köhler weiter: "Man müsste kleinere Schiffe mit weniger Tiefgang bauen. Kleinere Schiffe könnten aber weniger Fracht laden. Man bräuchte also mehr Schiffe, und das würde wiederum teurer." Investitionen in die Infrastruktur, also zum Beispiel größere Schleusen, könnten nach den Worten von Köhler eine Alternative sein, um einer Verkehrsverlagerung auf die Straßen entgegenzuwirken.


Wie steht es um den Schutz des Ökosystems Fluss und Auen?

"Ein Fördern der Strukturvielfalt der Gewässer, zum Beispiel durch Renaturierungsmaßnahmen, kann die Resilienz der Systeme stärken. Das heißt, sie werden weniger anfällig gegenüber Extremen", sagt Jürgen Geist vom Bereich Aquatische Systembiologie der Technischen Universität München. Außerdem sei es empfehlenswert, die "Entwässerung der Landschaft wieder umzukehren" − also Drainagen zurück- und dafür Schwamm-Einzugsgebiete aufzubauen. "Dann werden Extreme wie Hochwasser und Dürren besser abgepuffert". Auch Karsten Rinke plädiert dafür, "den Wasserrückhalt in der Landschaft zu maximieren". Versiegelte Flächen oder Entwässerungsmaßnahmen führten zu einem schnellen Abfließen des Wassers: "Alles Wasser, das in den Fluss kommt, ist ein bis zwei Wochen später im Meer und damit für das Land verloren." Das gelte es zu ändern: Wasser müsse versickern, statt abzulaufen. "Das hilft übrigens auch bei Hochwassersituationen und Starkregen und unterstützt die landwirtschaftliche Produktion."

 

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