Massive Förderung von Wärmepumpen, KfZ-Steuer für manche Autos erhöhen
Das Umweltbundesamt hat eine Studie mit Maßnahmen vorgelegt, wie die Emissionen bis 2030 um 65 Prozent sinken sollen. Es wird klar, dass das alles andere als einfach wird. Zumal einige der Vorschläge reichlich umstritten sind.

Deutschland will bis 2045 klimaneutral zu werden. Damit das klappt, sollen die deutschen Emissionen schon bis 2030 um 65 Prozent sinken. Bisher steht unter dem Strich ein Minus von rund 40,4 Prozent. Deshalb hat das Umweltbundesamt eine Studie in Auftrag gegeben. Das Ziel: Herausfinden, was in den kommenden sieben Jahren passieren muss, damit das Klimaziel 2030 erreicht wird. Wir geben einen Überblick, was die Forscher auf 462 Seiten empfohlen haben.
Klimaziel erreichen: Keine Kohlekraftwerke mehr, keine neuen Erdgas-Kraftwerke
Im Energiesektor könnten die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um fast 83 Prozent sinken. Dafür dürften bis dahin aber keine Kohlekraftwerke mehr am Netz sein. Auch dürfte ab 2027 kein neues Erdgas-Kraftwerk mehr in Betrieb gehen. Damit fossile Energieträger nicht mehr wirtschaftlich sind, müsste der CO2-Preis laut den Autoren schneller steigen und höher ausfallen, als bisher geplant. So kostet eine Tonne CO2 ab 2025 im europäischen Emissionshandel 25 Euro und ab 2030 dann 30 Euro. Die Studie plädiert in diesen Jahren für 82 und 115 Euro.
Gleichzeitig sollen die erneuerbaren Energien und Speicher massiv ausgebaut werden: Die installierte Leistung bei Photovoltaik müsste sich bis 2030 vervierfachen (von 45 auf 199 Gigawatt), Windkraft auf See verfünffachen (von 6 auf 30 GW) und Windkraft an Land verdoppeln (von 52 auf 103 GW). Genutzt würden dafür auch Flächen am Rand von Autobahnen und Bahnstrecken. Die Experten empfehlen außerdem, die Stromsteuer auf das in der EU zulässige Minimum zu senken. Dafür sollen alle Ausnahmen wegfallen, etwa für energieintensive Unternehmen, die derzeit von der Steuer befreit sind. Für fossile Brennstoffe wie Kohle und Erdgas soll die Energiesteuer steigen.
Die Industrie sollte eine "Superabschreibung" für Klimaschutz-Investitionen bekommen
Im Industrie-Bereich machen sich die Maßnahmen, die für die Energiewirtschaft vorgeschlagen werden, ebenfalls bemerkbar. Kraftwerke, Hochöfen und die chemische Industrie verursachen dort nämlich einen Großteil der Emissionen. Die Forscher schlagen vor, dass Unternehmen Investitionen in den Klimaschutz und die Energieeffizienz schneller abschreiben können. Eine solche "Superabschreibung" hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zwar angekündigt, bisher aber nicht umgesetzt. Im Gegenzug sollen Unternehmen stärker in die Pflicht genommen werden, etwa durch ein verpflichtendes Energiemanagement oder einen "Transformationsplan zur CO2-Neutralität", der veröffentlicht werden soll.
Ebenfalls für denkbar halten die Studienautoren, dass für Produzenten und Händler eine feste Quote für CO2-arme Produkte vorgeschrieben wird oder Recycling-Material beim Bauen Pflicht wird. Damit Unternehmen ihre Produktion nicht ins Ausland verlagern oder klimaschädliche Importprodukte einen Wettbewerbsvorteil bekommen, sollen Emissionen beim Import gesondert besteuert werden. Die EU hat einen solchen CO2-Zoll bereits beschlossen. Er könnte 2026 starten. Die Abgabe wird für importierten Stahl, Zement, Aluminium, Dünger, Wasserstoff und Energie fällig.
Die Wärmewende muss vorangetrieben werden
Alles, was die Ampel-Koalition mit der Reform des Gebäudeenergiegesetzes beschließen wollte, halten die Experten im Gebäudesektor für notwendig: ein Einbauverbot für neue Gaskessel ab 2025, ein Verbot von Hybridheizungen ab 2030 und massive staatliche Förderungen für Wärmepumpen. Gasheizungen, die irgendwann Wasserstoff verbrennen könnten (H2ready), seien keine Option, weil sie teuer und kaum verfügbar sind. Der Kauf einer Hybridheizung führe so "zwangsläufig in einen Lock-in". Für denkbar halten die Experten zudem eine Klimaabgabe für Gebäudeeigentümer. Sie soll sich danach richten, wie groß die Lücke zwischen dem aktuell besten Energiestandard und dem tatsächlichen Zustand des Gebäudes ist.
Besonders deutlich kritisieren die Autoren, dass es keine langfristigen Zusagen gibt, wie energetische Sanierungen vom Staat unterstützt werden. Die Energiestandards für Gebäude würden immer erst neu bewertet, wenn eine Gesetzesänderung ansteht. Wenn dann die Energiepreise niedrig und die Baukosten hoch sind, würden die Standards nicht verschärft. Nötig sei ein Fahrplan, "der die gesetzlichen Standards bereits heute für die nächsten Jahrzehnte festlegt". Dadurch seien Investitionen langfristig planbar.
Die Ziele im Verkehrssektor sind zu wenig ambitioniert
Im Verkehrssektor seien "deutlich ambitioniertere" Maßnahmen nötig, um das Klimaziel zu erreichen. Die Autoren schlagen vor, die Kfz-Steuer für Autos mit hohem CO2-Ausstoß drastisch zu erhöhen. Statt bisher zwei bis vier Euro soll jedes Gramm CO2 beim Ausstoß zwischen 60 und 400 Euro kosten. Ein neu zugelassenes Auto mit 165 Gramm CO2 pro Kilometer käme demnach im ersten Jahr auf 5000 Euro KfZ-Steuer zusätzlich, im zweiten Jahr auf 10.000 Euro. Von dem Geld soll eine Kaufprämie für reine Elektro-Autos und E-Lkw finanziert werden, Plug-in-Hybride sollen nicht mehr gefördert werden. Der Steuervorteil für Dieselkraftstoff wird in der Studie abgeschafft und das Dienstwagenprivileg so umgestaltet, dass nur noch sparsame Fahrzeuge (weniger als 95 Gramm CO2 pro Kilometer) voll begünstigt werden.
Selbst eine Pkw-Maut haben die Experten in die Liste der Vorschläge aufgenommen: Sie solle ab 2029 für alle Straßen eingeführt werden. Ein Kilometer kostet zunächst einen Cent, in den Folgejahren steigt der Satz auf 4,3 Cent. Der ÖPNV müsste massiv ausgebaut werden, der Deutschlandtakt soll bis 2030 zur Hälfte stehen. Kommunen sollen verpflichtet werden, Klimamobilitätspläne zu entwerfen und vor Ort freier über Parkgebühren und Tempolimits entscheiden.




Stimme.de