Trotz tausender Hitzetoter geschieht wenig zum Schutz der Bürger
Die Heilbronner DRK-Seniorenresidenz-Chefin Annemarie Stange spricht von einer großen Herausforderung durch die Hitze und fordert, den Hitzeschutz bei neuen Gebäuden gleich mitzubedenken. Bisher verfügen nur wenige Kommunen über Hitzeaktionspläne.

Die Klimakrise wirkt sich inzwischen messbar auf Gesundheit und Leben der Menschen im Land aus. Einer Studie zufolge kam es in den Jahren 2018 bis 2020 jeweils zu tausenden hitzebedingten Sterbefällen in Deutschland. Zum ersten Mal seit Beginn des Untersuchungszeitraums im Jahr 1992 sei eine Übersterblichkeit aufgrund von Hitze in drei aufeinanderfolgenden Jahren aufgetreten, schreiben Forschende von Robert-Koch-Institut (RKI), Umweltbundesamt (UBA) und Deutschem Wetterdienst (DWD) in einer gemeinsamen Veröffentlichung im Deutschen Ärzteblatt.
2018 waren die Effekte durch die lange Hitzeperiode besonders deutlich
Besonders stark war der Effekt vor vier Jahren, dem zweitwärmsten Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1881. "Insbesondere das Jahr 2018 liegt mit einer geschätzten Anzahl von etwa 8700 hitzebedingten Sterbefällen in einer ähnlichen Größenordnung wie die historischen Hitzejahre 1994 und 2003 (jeweils rund 10.000 Sterbefälle)", so die Autoren. 2018 habe es in Deutschland eine ungewöhnlich lange Hitzeperiode gegeben, es seien zudem auffallend hohe Wochenmitteltemperaturen in diesem Zeitraum gemessen worden.
Akute Gefahr droht durch Hitzekollaps, Hitzeerschöpfung und Hitzschlag. Hitze kann auch bereits bestehende Erkrankungen verschlimmern und Probleme mit dem Herz-Kreislauf-System oder der Atmung hervorrufen, warnt das Bundesgesundheitsministerium. Ältere, Kinder und Menschen mit chronischen Erkrankungen sind besonders gefährdet.
Doch auch bei gesunden Erwachsenen oder Jugendlichen kann Hitze zu Unwohlsein und Gesundheitsproblemen führen. Schulsport am Nachmittag ist deshalb bei hohen Temperaturen keine gute Idee - und zwar auch deshalb, weil die Ozonbelastung bei großer Hitze steigt. Das führt bei vielen Menschen, selbst wenn sie völlig gesund sind, zu Beschwerden der Atemwege und kann Reizungen der Augen, der Schleimhäute und Kopfschmerzen verursachen.
Schatten suchen und viel trinken, raten Experten
Oberstes Gebot bei großer Hitze: den Schatten suchen und viel trinken. "An ganz heißen Tagen sollte deutlich mehr Flüssigkeit getrunken werden als sonst - bis zu drei Liter", heißt es von den SLK-Kliniken. Wichtig sei, nicht auf den Durst zu warten, sondern vorsorglich zu trinken - und zwar am besten nicht eiskalt, denn das stimuliert das Schwitzen. Vor allem elektrolythaltige Getränke wie Mineralwasser seien zu empfehlen, auch verdünnte Säfte. Auf Alkohol sollte man dagegen ganz verzichten. Hitzeschäden bei Patienten, schreibt SLK, seien in dieser Saison bislang "nur sehr vereinzelt" aufgetreten, etwa "bei übermäßigem Alkoholkonsum im Freien". Ansonsten gebe es noch keine Auffälligkeiten.
Schnell lebensbedrohlich kann es vor allem für ältere Menschen werden, die nicht mehr gut in der Lage sind, sich selbst mit ausreichend Flüssigkeit zu versorgen. Gerade Bewohner von Pflegeheimen brauchen beim Trinken häufig Hilfe. "Wir haben das im Moment noch im Griff, aber wenn das so weitergeht mit der Hitze, ist das schon eine Herausforderung", sagt Annemarie Stange, Leiterin der DRK-Residenz in Heilbronn.
In allen Wohnbereichen stünden Flaschen und Wasserspender bereit, an denen sich Mitarbeiter und Bewohner stets bedienen könnten, zusätzlich gebe es an heißen Tagen ein Angebot an kalten Desserts wie Wassermelone, Wackelpudding oder Eis. Zimmer würden verdunkelt, bei besonders hohen Temperaturen auch zusätzlich feuchte Tücher aufgehängt oder Ventilatoren aufgestellt, sagt Stange. "Wir versuchen, viel zu tun."
Der Aufwand dafür ist jedoch gewaltig - wenn jemand nicht genug trinkt, müsse darüber Protokoll geführt und überwacht werden, dass die verordnete Menge auch eingehalten wird, erklärt die Heimleiterin. "Das ist eine enorme Bürokratie, aber das würde sonst wegen der Schichtarbeit untergehen." Annemarie Stange wünscht sich, dass bei neu geplanten Einrichtungen für Ältere der Hitzeschutz gleich mitgeplant wird - zum Beispiel mit guter Wärmedämmung oder Beschattung.
Im SLK-Neubau ist Geothermie installiert
Bei SLK sei das für den ersten Teil des Neubaus realisiert, heißt es von dort: "Über moderne und energieeffiziente Betonkernaktivierung regulieren wir die Temperaturen in den Patientenzimmern zu jeder Jahreszeit. Darüber hinaus beschatten automatisierte Jalousien die Patientenzimmer." Damit die Systeme so funktionieren, dass durchgehend angenehme Temperaturen herrschen, sei es jedoch "entscheidend, sinnvoll zu lüften". Dazu informiere man regelmäßig.
Die Empfehlung der Studienautoren lautet: Der Umgang mit Hitzeperioden in Deutschland müsse deutlich verbessert und vulnerable Bevölkerungsgruppen adäquat geschützt werden. Handlungsempfehlungen für die Erstellung von sogenannten Hitzeaktionsplänen zum Schutz der menschlichen Gesundheit hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe 2017 erstellt, vom UBA gibt es seit 2019 eine Blaupause für Kommunen. Doch bis heute verfügen nur wenige Städte und Gemeinden über solche Pläne, darunter Köln, Erfurt und Mannheim, das seinen Hitzeaktionsplan Ende 2021 verabschiedet hat.