Corona: Impfen lassen oder nicht?
Bestimmte Gruppen sollten ihren Schutz gegen Sars-CoV-2 auffrischen, rät die Stiko. Was sonst noch wichtig ist und welche Maßnahmen der Neckarsulmer Hausarzt Tobias Neuwirth ergreift, um Patienten und Mitarbeiter zu schützen.

Seit diesem Montag ist der an aktuelle Virusvarianten angepasste Impfstoff von Biontech/Pfizer in Arztpraxen in Deutschland zu bekommen. Acht Anmeldungen zur Impfung gebe es für die Neckarsulmer Hausarztpraxis am Bahnhof bereits, sagt Praxisinhaber Dr. Tobias Neuwirth. Ab Dienstag, 19. September, wird dort und andernorts geimpft. Ein Überblick.
Was für ein Impfstoff steht bereit?
Es handelt sich um einen an die Omikron-Sublinie XBB.1.5 angepassten Impfstoff. Erreicht werden soll damit besserer Schutz vor aktuell kursierenden Varianten, vor allem vor schweren Corona-Verläufen und Krankenhausaufenthalten. Für diese Saison werden insgesamt 14 Millionen Dosen davon erwartet.
Der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lars Schaade, sagte, derzeit zirkulierten in Deutschland fast nur Viren der XBB-Linien. Es gebe international bislang keine Hinweise, dass diese Varianten mit schwereren Erkrankungsmustern verknüpft wären.
Wer sollte sich impfen lassen?
Die Ständige Impfkommission (Stiko) hält an ihren bisherigen Empfehlungen fest. Bestimmte Risikogruppen sollten sich durch eine Auffrischungsimpfung schützen, so das Expertengremium. Dazu zählen etwa Menschen ab 60 Jahren, Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen ab einem Alter von sechs Monaten, Pflege- und Gesundheitspersonal sowie Angehörige von Risikopatienten.
Für gesunde Erwachsene gilt: Wer zweimal gegen Sars-CoV-2 geimpft sowie geboostert oder infiziert wurde, hat aus Stiko-Sicht eine Basisimmunität aufgebaut und muss erst einmal keinen weiteren Booster einplanen.
Kann die Impfung gegen Covid zeitlich zur Influenza-Impfung, landläufig Grippe, erfolgen?
Ja, das ist möglich und kann sinnvoll sein bei Personen, bei denen die Indikation für beide Impfungen besteht. Die Kosten übernehme die Krankenkasse. Im Regelfall wird eine Impfung in den Arm rechts, die andere links verabreicht.
Von welcher Nachfrage ist auszugehen?
Tobias Neuwirth sagt: "Infekte sind einfach die dominierenden Erkrankungen im Herbst und Winter." Er rechnet mit einer normalisierten Nachfrage nach den Impfungen. Die Kassenärztliche Vereinigung im Land teilt diese Einschätzung. Von dort heißt es: "Die neueste Virus-Variante scheint nach allem, was uns bekannt ist, keine anderen Verläufe erwarten zu lassen als bisher."
Was weiß man überhaupt noch über die Corona-Lage?
Standardmäßig auf Covid getestet werden Erkrankte nicht mehr, deshalb gibt es auch nicht mehr so viele Daten wie zu den Hochzeiten der Pandemie. Aktuelle Erhebungen stammen aus dem Abwassermonitoring des Bundes. Demnach hat der Anteil der Standorte, die eine steigende Viruslast im Vergleich zur Vorwoche melden, um elf Prozentpunkte auf 43 Prozent zugenommen. Wie verlässlich diese Daten sind, ist jedoch unklar. Die ermittelten Werte können durch eine Vielzahl von Faktoren, wie etwa Starkregenereignisse, beeinflusst werden, heißt es von Seiten des Bundes.
Doch andere Daten bestätigen den Trend, wie der Bericht der "ARE-Surveillance". Dafür werden erregerübergreifend akute Atemwegsinfektionen anhand von Symptomen beziehungsweise Diagnosen systematisch in einer Stichprobe, etwa einem Netzwerk von Arztpraxen (Sentinel), erfasst. Demnach ist die Zahl der gemeldeten Corona-Fälle seit Anfang August merklich angestiegen.
Wird erneutes Masketragen oder andere Maßnahmen nötig?
Minister Karl Lauterbach sagte, es sei zwar wieder mit sehr vielen Infektionsfällen zu rechnen. Es gebe aber eine breite Immunität in der Bevölkerung. "Wir brauchen auch keine Maßnahmen im Sinne von Kontaktbeschränkungen nach allem, was wir derzeit wissen." Trotzdem sollte jeder sich auch selbst schützen, wenn er Risikofaktoren trage. "Dazu kann auch die Maskennutzung gehören in Räumen mit vielen Personen, wenn er ein Risiko hat." Eine Covid-Infektion sei keine Erkältung und keine Kleinigkeit, so Lauterbach weiter.
Wie steht es um andere Infektionswellen?
Sogenannte RSV-Viren hatten in der vergangenen Saison zu enorm hohen Erkrankungszahlen bei Babys und Kleinkindern geführt, Arztpraxen und Kliniken waren zeitweise überlastet. Für diesen Winter rechnen Fachleute eher wieder mit einer Normalisierung der Lage. Nachgeholte Infektionen bei Ein- bis Zweijährigen, die in der Corona-Pandemie nicht mit RSV in Kontakt gekommen waren, seien voraussichtlich nicht mehr ganz so ausgeprägt zu sehen. RSV ist die Abkürzung für Respiratorisches Synzytial-Virus, einen Atemwegserreger.
Was ist von den neu zugelassenen RSV-Impfstoffen zu halten?
In den vergangenen Monaten sind in der EU erstmals zwei RSV-Impfstoffe zugelassen worden, allerdings nicht für Kinder. Sie sind für Menschen ab 60 Jahren gedacht, und einer der beiden auch für Schwangere, mit dem Ziel der Weitergabe des Immunschutzes an den Säugling. Bisher liegt in Deutschland jedoch keine Empfehlung der Stiko zu deren Einsatz vor. Eine solche ist für diesen Herbst auch nicht mehr zu erwarten.
Separate Infektpraxis im Ärztehaus Neckarsulm
Eine Lehre, die Tobias Neuwirth aus der Pandemie gezogen hat, ist es, Infektpatienten von anderen Patienten zu trennen. So soll das Ansteckungsrisiko minimiert werden. Neuwirth hat das in den neuen, über 500 Quadratmeter großen Räumen im Ärztehaus am Bahnhof in Neckarsulm umgesetzt. Infektpatienten betreten die Praxis über einen separaten Eingang und bekommen Atemschutzmasken, erzählt er. Auch das Personal schütze sich besonders. Neuwirth sagt, die Praxis gehe in Betrieb, sobald die erste Infektwelle rolle, damit rechnet er etwa ab Mitte November. Bis dahin werden die Räume auch genutzt, um Geflüchtete medizinisch zu versorgen.




Stimme.de