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Algenschleim hat Adria im Griff: Was Urlauber wissen müssen

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Wer dieser Tage an der Adria baden möchte, muss in gelb-grünen Schleim eintauchen. Warum die Algenblüte derzeit so schlimm ist und welche weiteren Unannehmlichkeiten Badeurlaubern begegnen können.

von dpa und Christoph Donauer

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An einigen Adria-Stränden in Italien, Kroatien und Slowenien treibt dieses Jahr ein glitschig-glibbriger Schleim an der Oberfläche: der sogenannte Algenschleim, mal mehr, mal weniger dick, durchsetzt mit kleinen Bläschen. Manchmal sind es nur kleinere Flecken mit viel Platz dazwischen, manchmal aber auch ein dichter Teppich. Die Farbe reicht von Weiß über Gelb bis ins Bräunliche. Die Gesundheit gefährdet der Schleim nach einhelliger Einschätzung der Wissenschaft nicht. Giftig ist er schon gar nicht. 

Den Anfang nahm die Plage vor ein paar Wochen im Norden von Italien, im Golf von Triest. Inzwischen sind weitere Städte betroffen, Ravenna zum Beispiel, die Urlauberhochburg Rimini oder Ancona, noch weiter unten im Süden. 

Algen durch den Klimawandel? Warum der Schleim die Adria trifft

Mit Algenschleim, oder auch "Meeresrotz", wie manche sagen, haben die Einheimischen Erfahrung. Ende der 1980er, Anfang der 1990er war es schon einmal schlimm. Mehrere Jahre hintereinander verdarb die Mucillagine, wie das auf Italienisch heißt, damals das Sommergeschäft. Auch 2006/07 war der Ekelfaktor recht hoch. Bislang war dann nach einigen Tagen oder Wochen aber stets alles wieder vorbei. Jetzt, in der Hauptsaison, sind die Sorgen natürlich besonders groß. Wer mit Urlaubern sein Geld verdient, will am liebsten gar nicht über Algenschleim sprechen. 

Algenschleim ist auf der Wasseroberfläche des Meeres an der Küste bei Ancona zu sehen (undatierte Aufnahme aus dem Sommer 2024). Das Phänomen ist schon lange bekannt. Vermutlich begünstigen heiße Sommer ein verstärktes Algenwachstum in der Adria.
Algenschleim ist auf der Wasseroberfläche des Meeres an der Küste bei Ancona zu sehen (undatierte Aufnahme aus dem Sommer 2024). Das Phänomen ist schon lange bekannt. Vermutlich begünstigen heiße Sommer ein verstärktes Algenwachstum in der Adria.  Foto: Roberto Danovaro

In all der Zeit hat aber noch niemand eine alle überzeugende Erklärung gefunden, warum es in der Adria (woanders übrigens nicht) manchmal solchen Schleim gibt und sie dann wieder längere Zeit verschont wird. Vermutet wird, dass besonders heiße Sommer mit folglich hohen Wassertemperaturen in dem verhältnismäßig kleinen Meer das Wachstum begünstigen - der Klimawandel also?

Hohe Wassertemperatur an der Adria – Algen beeinträchtigen Badeurlauber

Der Meeresbiologe Roberto Danovaro von der Universität Ancona sagte der Tageszeitung "La Repubblica": "Die Adria ist ein tropisches Meer geworden. Wir sind jetzt auf dem Niveau der Malediven, nur ohne die tropische Farbe." 

Vor einigen Tagen wurden tatsächlich 30 Grad Wassertemperatur gemessen. Dann vermehren sich manche Algenarten besonders gut. Vermutet wird auch, dass der viele Regen dieses Frühjahr ungewöhnlich viel Wasser ins Meer gespült hat, was zur Algenblüte beiträgt. Sicher ist, dass Italiens längster Fluss, der Po, enorme Mengen Düngemittel, Pestizide und Fäkalien aus der Landwirtschaft in die Adria spült. "Wenn alle diese Faktoren zusammenkommen, können aus einigen Hundert Algen innerhalb weniger Tage Hunderte Millionen werden", sagt Danovaro. 

Wärmere Temperaturen verändern Gleichgewicht der Meere

Der Algenschleim ist nicht die einzige unangenehme Überraschung, die Urlaubern den Badespaß vermiesen kann. In Spanien ist Baden im Sommer mitunter wegen der giftigen Qualle Portugiesische Galeere tabu, in den USA und Australien verursachen sogenannte Meeresläuse ein lästiges Jucken. Auch in Deutschland wurden immer wieder Strände gesperrt, wenn die Konzentration sogenannter Vibrionen zu hoch ist.


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Wie groß das Problem ist, erforscht der Meeresökologe Christian Buschbaum vom Alfred-Wegener-Institut. Unsere Redaktion hat bereits im Sommer 2022 mit ihm über lästige Meeresphänomene gesprochen. "Das gesamte ökologische Spiel in unseren heimischen Meeresgebieten wird durch wärmere Temperaturen verändert. Das hat Konsequenzen", erklärt Buschbaum.

Eingeschleppte Quallen-Arten können zum Problem am Mittelmeer werden

Für Arten, die bisher nur in wärmeren Gefilden zu Hause waren, sei es nun leichter, sich in Nord- und Ostsee anzusiedeln, egal ob sie selbst eingewandert sind oder eingeschleppt wurden. Ein Beispiel ist der Japanische Beerentang: Er wurde eingeschleppt und wächst nun in der Nordsee. "Der wird mit bis zu vier Meter Länge sehr groß im Sommer und häufig an den Strand angespült. Das ist nicht gefährlich, aber natürlich nicht so schön."

Auch die Amerikanische Schwertmuschel und die Pazifische Auster sind mittlerweile an deutschen Küsten zu finden. "Austernschalen sind scharfkantig und es gibt zunehmend Schnittverletzungen, wenn Menschen reintreten."

Eine Gefahr durch Quallen droht hierzulande aus Sicht des Experten nicht. Zwar kämen die blaue und die gelbe Nesselqualle vor und könnte Hautreizungen verursachen. Lebensgefährlich ist das aber nicht. Unangenehm kann es werden, wenn die ungefährliche Ohrenqualle zuhauf am Strand liegt. Das passiert, wenn starke Ostwinde das Wasser von der Küste wegtreiben und tieferes Wasser aus der Nordsee nach oben treibt und die Quallen mitbringt. "Das wissen die Leute hier an der Küste aber."

Blaualgen und "Rote Flut" trüben den Badespaß beim Urlaub am Mittelmeer

Zum echten Problem können Blaualgen werden, die vor allem in Seen das Wasser mit Giftstoffen anreichern können. Im Meer gebe es andere Einzeller wie die sogenannten Dinoflagellaten, betont Buschbaum, die ebenfalls Giftstoffe produzieren. Treten sie in Massen auf, verfärbt sich das Meerwasser rötlich, was diesem Ereignis den Spitznamen "Rote Flut" eingebracht hat. In Nord- und Ostsee sei das bisher eine Seltenheit, sagt der Experte. "Natürlich ist nicht auszuschließen, dass die in Zukunft in größeren Massen auftreten, wenn wir längere Warmperioden haben."

Langanhaltende Hochdruckgebiete mit wenig Wind seien dafür die Voraussetzung, im deutschen Norden aber selten. Deshalb will Buschbaum keine Prognose zur Vermehrung von Blaualgen abgeben. "Die Tendenz an der Nordsee geht eher dahin, dass wir mehr Wind und instabilere Wetterlagen haben." Auch am Breitenauer See standen extra Kontrollen wegen Algen an.

Warnungen vor Algen: In diesen Situationen sollten Urlauber das Wasser meiden

Ernst nehmen sollten Badeurlauber Warnungen vor Vibrionen. Das sind Bakterien, die sich in warmem Wasser schnell vermehren können. "Diese Arten mögen aber weniger das marine Milieu wie in der Nordsee, sondern eher Brackwasser mit niedrigeren Salzgehalten wie in der Ostsee", sagt Buschbaum.

Wenn sich Vibrionen in Wunden einnisten, können sie eine bakterielle Infektion auslösen. "Gesunde Menschen müssen eigentlich nichts beachten. Menschen, die Wunden haben, sollten in Vibrionen-Gebieten nicht ins Wasser gehen." Das bedeute nicht, dass jeder Badende sich eine Vibrionen-Infektion zuzieht.

Aus Sicht des Meeresforschers ist all das kein Grund zu genereller Sorge: "Meine Einschätzung ist, dass es keine großen Gefahren gibt, die den Urlaub in den kommenden Dekaden so beeinflussen, dass man nicht mehr ans Meer fahren kann." Dennoch sei klar: "Die Meeresumwelt in der Nordsee und deren Küste verändert sich in einem Tempo, das es vermutlich seit Jahrtausenden nicht gegeben hat", sagt Buschbaum.

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