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"Tourists go Home" – Widerstand gegen Massentourismus in Spanien

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Immer mehr Einheimische in den spanischen Touristenhochburgen protestieren gegen die Urlauberströme. In den Heilbronner Reisebüros bleibt man dagegen noch gelassen.

von Jürgen Paul und dpa
Menschen liegen am überfüllten Strand Cala Pi auf Mallorca. Der Massentourismus auf der Insel soll nachhaltig werden.
Foto: dpa
Menschen liegen am überfüllten Strand Cala Pi auf Mallorca. Der Massentourismus auf der Insel soll nachhaltig werden. Foto: dpa  Foto: Clara Margais

Mehrere Menschen stehen versammelt an der Strandpromenade und beschimpfen vorbeispazierende Touristen. "Geh zurück nach Hause", schreien einige. Andere drohen sogar mit Schlägen. Man sieht Plakate mit Aufschriften wie "Tourists go Home" oder "Esta es nuestra tierra" (Das ist unser Land).

Ähnliche Aktionen, touristenfeindliche Graffiti und Proteste verärgerter Bürger gibt es in Spanien immer häufiger. "Die Tourismusphobie nimmt zu", stellte der Radiosender "Cadena Ser" fest.

Aufstand gegen Massentourismus in Spanien: Lage ist auf den Kanaren besonders angespannt

Nicht nur an "Sauftourismus"-Hotspots wie Mallorca oder Barcelona, sondern auch in Regionen, die lange als touristische "Friedensoasen" galten. Dazu gehört der Jakobsweg in Galicien. Derzeit ist vor allem die Lage auf den Kanaren besonders angespannt.

Die oben beschriebene Szene ereignete sich im Süden von Teneriffa. Aber auch auf anderen Inseln wie Fuerteventura, Gran Canaria, Lanzarote oder La Palma, die vor allem von britischen und deutschen Touristen besucht werden, haben immer mehr Einheimische die Nase voll. Der Massentourismus wird für Umweltzerstörung, Staus, Wohnungsnot, Überfüllung, Preisanstiege und Wassermangel sowie für die Überlastung des Gesundheitssektors und der Abfallentsorgung verantwortlich gemacht. "Die Kanaren werden von Tourismusphobie heimgesucht", stellte das Fachportal Hosteltur fest. Die Regionalblatt "El Diario" schrieb, die Kanaren seien ein Pulverfass.

Hungerstreik und Großdemos auf den Kanaren

In der Tat: An die 20 Bürgerinitiativen haben sich zur Organisation "Canarias se agota" (Die Kanaren haben genug) zusammengeschlossen - und gehen auf die Barrikaden. Letzte Woche gab es einen Protest vor dem Parlament in Madrid, zudem begann ein unbefristeter Hungerstreik von zehn Aktivisten vor einer Kirche in La Laguna im Norden Teneriffas. Mit dem Ziel, "die ganze Zerstörung" beenden zu können, sehen sie sich gezwungen, nicht mehr zu essen, sagte eine Aktivistin.

Am 20. April soll es auf den Inseln Großdemos geben. Die Organisatoren stellen "einen der größten Proteste in der Geschichte der Region" in Aussicht. Man verlangt einen Baustopp für Hotels und Golfplätze, die Einführung einer Übernachtungssteuer, wie es sie auf den Balearen oder in Barcelona gibt, und eine bessere Regulierung der Ferienwohnungen. Gefordert wird auch eine Diversifizierung der Wirtschaft, mit einer stärkeren Förderung von Industrie und Landwirtschaft, um nicht mehr so stark vom Tourismus abhängig zu sein. Die Branche macht 35 Prozent des kanarischen Inlandsprodukts aus und beschäftigt 40 Prozent aller arbeitenden Menschen.

Steigende Armut trotz mehr Tourismus

Allein aus dem Ausland kamen voriges Jahr rund 14 Millionen Menschen auf die Kanaren. Gut 13 Prozent mehr als 2022. Die Tendenz setzt sich dieses Jahr fort. Vom Boom profitieren aber nur wenige. Unter den 17 Autonomen Gemeinschaften Spaniens, die den deutschen Bundesländern entsprechen, sind die Kanaren die zweitärmsten. "Die Armut nimmt zu, die Lebensqualität ab, auf den Straßen sieht man so viele Obdachlose wie nie zuvor", sagt der Aktivist Rubén Pérez. Man nähere sich dem "sozialen und ökologischen Kollaps".


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Das sagen Reisebüros in Heilbronn zu den Protesten

In den Heilbronner Reisebüros sieht man die Proteste in Spanien weitgehend gelassen. "Das ist bei unseren Kunden noch nicht angekommen", sagt Heike Althaus, Büroleiterin des Reiseladens Heilbronn. Man müsse sich genau anschauen, wo die Proteste stattfinden. Auf den Kanarischen Inseln etwa liegen die Hauptstädte eher nicht in den Tourismusgebieten, insofern stelle sich die Frage, ob die Touristen von den Demonstrationen überhaupt etwas mitbekommen. "Wir bieten Reisen nach Spanien ganz normal an, die Nachfrage ist nicht rückläufig" sagt Heike Althaus. "Entspannt" bleibt nach eigenen Worten auch Sarah Härpfer-Böhm vom Heilbronner Reisebüro Böhm. "Das ist kein Thema bei unseren Kunden", sagt sie.

Andras Kühner sieht Overtourism kritisch

Andreas Kühner, Geschäftsführer des Heilbronner Reisebüros Gross, kann die Proteste gegen Massentourismus oder Overtourism nachvollziehen. Wenn in Städten wie Venedig oder Dubrovnik wegen der Touristenmassen kein normales Leben mehr möglich sei, sei das ein Problem. Auch Klimaschutz spiele im Tourismus eine immer größere Rolle.

Reisebüro Gross ist Mitglied einer Nachhaltigkeitsinitiative

Die Heilbronner haben sich daher auch der Nachhaltigkeitsinitiative "Futouris" angeschlossen, wie Kühner berichtet. "Wir wollen als Reisebüro ein Bewusstsein für diese Themen schaffen", sagt er. Viele seiner Kunden seien bereit, für einen nachhaltigeren und qualitativ höherwertigen Urlaub auch mehr zu bezahlen, so Kühner. Kunden, die bewusst die Beratung und die Kompetenz im Reisebüro suchten, seien für diese Themen auch empfänglicher als Schnäppchenjäger im Internet.

Größere Auswirkungen auf das Spanien-Geschäft in diesem Jahr erwartet Kühner trotz der Proteste nicht. "Die diesjährige Saison ist schon gebucht."

 

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