Bad Rappenau fordert bei der Flüchtlingsunterbringung mehr Flexibilität vom Land
Stadtverwaltung und Flüchtlingshilfe in Bad Rappenau stoßen bei der Unterbringung von Kriegsflüchtlingen an ihre Grenzen. Oberbürgermeister Sebastian Frei fordert vom Land mehr Flexibilität. Zu hohe Standards können nicht mehr gehalten werden.

"Irgendwann sind unsere Kapazitäten erschöpft." Bad Rappenaus OB Sebastian Frei fasst zusammen, was vielen seiner Amtskollegen zurzeit durch den Kopf geht. Seit dem Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine sind die Kommunen vor Herausforderungen gestellt, die an die Situation ab Sommer 2015 erinnern.
Damals kamen vor allem Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan oder Irak nach Europa. Sie alle mussten untergebracht werden. Oft wurden dafür Sporthallen zweckentfremdet. Das soll diesmal unbedingt vermieden werden. Und bisher funktioniert es meistens auch.
"Im Sinne der Vereine und des Schulsports wollen wir die Hallen nicht belegen", sagt Sebastian Frei. "Aber ich kann nicht garantieren, dass wir nicht in diese Situation kommen." Deshalb werden zunächst Bestandsgebäude gesucht.
Bad Rappenauer Hotel wird Unterkunft
Die Stadtverwaltung gibt viel Geld aus, um Häuser zu kaufen und bezugsfertig zu machen. Im Dezember wurde das neue Bonfelder Pfarrhaus angemietet. "Aber irgendwann ist das Potenzial auf dem Wohnungsmarkt eben ausgeschöpft", sagt der Rathauschef. Auch die Bereitschaft der Bevölkerung, Menschen aufzunehmen, habe nachgelassen.
Das Landratsamt hat das Hotel am Wasserschloss zur Unterkunft umfunktioniert. 100 Personen leben zurzeit dort, für 125 ist Platz. "Bisher sind wir als Kommune nicht involviert", sagt Frei. Zumindest nicht auf dem Papier. Denn die Menschen benötigen nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch Ärzte oder Kindergartenplätze. "Also die gesamte Infrastruktur einer Stadt", so Frei. "Aber kein Land formt die Infrastruktur so, dass sie 25 Prozent Überschuss hat, um eine solche Situation aufzufangen."
All diese Menschen müssen betreut werden. Eine weitere Herausforderung, vor die Jeanette Renk-Mulder und Dolama Tlass Farzat als Flüchtlings- und Integrationsbeauftragte gestellt werden. "Wir brauchen dringend neue Helfer", sagt Renk-Mulder. Es gebe zwar viele Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, "aber die können nicht noch mehr übernehmen."
Manchmal komme sie morgens zu ihrem Büro im Rathaus und werde bereits von zehn Menschen erwartet. Rund 800 Personen werden momentan in der Kurstadt betreut. Wie viele es genau sind, kann Renk-Mulder nicht sagen, denn die Zahlen ändern sich täglich. Auch aus dem Iran kommen mittlerweile vermehrt Geflüchtete.
Prinzipiell sei man nicht schlecht aufgestellt, um allen zu helfen, denn die Strukturen in Bad Rappenau seien gut. "Wir tun auch alle unser Bestes. Aber ich bin am Schwimmen, meine Nase ist gerade noch so über dem Wasser", sagt die Flüchtlingsbeauftragte. Sowohl die gebürtige Niederländerin als auch der Rathauschef würden sich von der Landesregierung mehr Flexibilität wünschen. Das Land tue sich bei der Aufweichung von Standards schwer, sagt Frei. "Man muss außergewöhnliche Situationen erkennen, die außergewöhnliche Maßnahmen erfordern."
Privaten Rückzugsraum gibt es nicht
Als außergewöhnliche Maßnahme zählt auch der Einsatz ukrainischer Lehrkräfte. "Sie sollten sich melden", erinnert sich Jeanette Renk-Mulder. Passiert sei aber nichts: "Man braucht da mehr Flexibilität", betont auch sie.
Mehr Flexibilität müssen auch viele Geflüchtete mitbringen, denn manchmal müssen Ehepaare getrennt werden, weil der Platz in einer Unterkunft nicht ausreicht. Oder der vorhandene Platz wird bis zum Letzten ausgenutzt: In dem vom Landratsamt angemieteten Hotel lebt eine siebenköpfige Familie in einem Zimmer, die Küche teilt sie sich mit den anderen Bewohnern.
Einen privaten Rückzugsort gibt es dort nicht. "Das ist keine Luxusunterbringung, auch wenn es von außen so wirkt", betont Jeanette Renk-Mulder. Beide, sowohl die Flüchtlingsbeauftragte als auch der OB, wollen ihren Job gut machen. Das werde aber immer schwieriger, sagt Sebastian Frei: "Langsam schleicht sich bei uns auch viel Ratlosigkeit ein."
Dringend Helferinnen und Helfer gesucht
Die Bad Rappenauer Flüchtlingshilfe benötigt weitere Helfer, um zugewanderten Menschen adäquat helfen zu können und sie im Alltag zu begleiten. Wer Interesse an dieser ehrenamtlichen Tätigkeit hat, kann sich direkt bei Jeanette Renk-Mulder melden. Entweder telefonisch unter 07264 922375 oder per E-Mail an jeanette.renk-mulder@badrappenau.de. Auch Fahrräder werden wieder dringend benötigt. Wer ein Rad zu verschenken hat, meldet sich ebenfalls telefonisch oder per E-Mail bei der Flüchtlings- und Integrationsbeauftragten und macht einen Termin zur Übergabe aus.