Überfahrener Junge: Menschen in Niedernhall am Samstag in Trauer vereint
Ein Zwölfjähriger hat Donnerstag sein Leben auf einem Supermarkt-Parkplatz in Niedernhall verloren. Dort trauern nun seine Eltern, Freunde und Fremde. Der Vorfall bestimmt die Gespräche im ganzen Städtle.
Fremde Menschen nehmen sich in Arm am Samstagvormittag auf dem Supermarkt-Parkplatz in Niedernhall. Sie können den Blick nicht abwenden von dem Meer an Blumen, Bildern und Kerzen, das seit Freitagvormittag immer größer und bunter wird.
Eigentlich wollen viele der Niedernhaller nur ihren Wochenend-Einkauf erledigen. Doch kaum jemand kann an diesem Samstag Milch und Butter in den Kofferraum räumen, ohne mit Bekannten über den schrecklichen Vorfall zu reden, der am Donnerstagabend mit dem Tod eines Zwölfjährigen endete.
Der Junge war von einem 18-Jährigen nach einem Streit angefahren worden. Der Junge stürzte von seinem Fahrrad und erlag noch am Unfallort seinen Verletzungen. Der Fahrer des Audi ist seit Freitagnachmittag in Haft.

Tod eines Zwölfjährigen in Niedernhall: Ein Meer von Blumen auf dem Supermarkt-Parkplatz
Der schreckliche Tod des Jungen bewegt die Menschen in Niedernhall. Viele kaufen Blumen in dem Supermarkt und legen sie zu den anderen. Gespräche auf dem Parkplatz werden in gedämpftem Ton geführt. Die Menschen haben ein Bedürfnis, über das Unfassbare zu reden, sie versuchen zu verstehen, was nicht zu verstehen ist.
Bärbel Carle, Stadträtin aus Niedernhall, ist bedrückt wie viele Mitbürger auch. Sie weiß um den Schmerz bei allen vier betroffenen Familien, der des toten Kindes, aber auch seines 13-jährigen Freundes, der auf dem Tretroller unterwegs war und alles miterleben musste. Aber auch der Familien der Täter.
Und Bärbel Carle lenkt den Blick auf all die anderen Menschen, die ebenfalls mit traumatischen Erlebnissen konfrontiert wurden, in ihrer Funktion als Feuerwehrleute, beispielsweise, oder als Sanitäter, oder als einer der vielen Zeugen, die um 20.20 Uhr noch auf dem Parkplatz oder im Edeka beschäftigt waren.
Bei allen hat die Tat Spuren hinterlassen, weiß Bärbel Carle. Und sie spricht Niedernhalls Bürgermeister Achim Beck ein großes Lob aus, der in dieser schweren Situation sehr bedacht reagiert habe.
Tod eines Zwölfjährigen in Niedernhall: Bürgermeister Achim Beck schützt die Familie
So hat Achim Beck gleich am Freitag einen Bauzaun aufstellen lassen, um der Familie einen geschützten Raum zum Trauern zu ermöglichen. Schon am Freitag waren die Eltern, die ihr einziges Kind verloren haben, sehr lange auf dem Platz, inmitten der Markierungen der Polizei. Achim Beck war es auch, der Boulevard-Journalisten und Kamerateams weggeschickt hat.

Die Trauer der Eltern, sie ist so groß, so fassbar. Auch am Samstag kommen sie schon kurz nach zehn Uhr auf den Platz. Den schwarzen Hoodie tief ins Gesicht gezogen, Sonnenbrille auf. Sie haben Musik mitgebracht. Bewegende Lieder mischen sich zum Verkehrslärm der nahen Kochertalstraße.
„Du bleibst in mir und ich bleib in Dir“ ist eine wiederkehrende Liedzeile, die selbst einigen Männern auf dem Platz Tränen in die Augen treibt. Die Schreie der Mutter gehen allen durch Mark und Bein.
Kind auf Supermarkt-Parkplatz in Niedernhall totgefahren: Freunde und Familie umsorgen und stützen Eltern
Gestützt wird die Familie von vielen Freunden und Verwandten. Ein enger Freund des Vaters hält ihn, als der weitere Bilder und irgendwann sich selbst zu den Blumen legt.
Bürgermeister Achim Beck kommt um die Mittagszeit ebenfalls dazu, legt Blumen im Namen der Stadt ab. Wie nah auch ihm, dem Familienvater, die Situation geht, das macht die herzliche Umarmung deutlich, mit der er der Mutter Kraft geben will.
„Die ganze Stadt ist immer noch fassungslos, ich nehme es an jeder Stelle wahr“, sagt Achim Beck. Wenn Gespräche das ungläubige Schweigen durchbrechen, dann, um Anteilnahme und Unverständnis kund zu tun. Beck sagt, dass er Mitgefühl von ganz vielen Menschen auch über die Region hinaus erfahre. „Wir können leider nicht viel mehr tun, als der Familie zu sagen, dass alle Menschen bei ihr in Gedanken sind“, sagt Achim Beck.
Tod des Zwölfjährigen in Niedernhall überschattet EBM-Papst-Marathon
Auf den Parkplatz kommen Menschen mit Startnummern und Stecken. Sie machen sich auf den Weg auf die andere Seite des Kochers, um beim EBM-Marathon zu starten.
Nach intensiven Diskussionen mit der Stadt und dem Verein habe man sich am Freitagnachmittag entschieden, die beliebte Laufveranstaltung durchzuführen, sagt Hauke Hannig, Sprecher des Mulfinger Unternehmens.

Aber ruhiger als sonst. „Wir wollen mit angepassten Rahmenbedingungen den Raum schaffen für Anteilnahme“, verweist Hauke Hannig auf den Läufer-Gottesdienst, der um eine Schweigeminute für den verstorbenen Jungen erweitert wurde. Ein sportlicher Junge, der gern mitgelaufen wäre, erklärt eine Freundin der Mutter.
Tod eines Zwölfjährigen in Niedernhall: Verlust wird an vielen Stellen sichtbar
Und so beschreibt ihn auch Tanja Wolfahrt. Sie kennt den verstorbenen Zwölfjährigen aus der Schule. Sie ist mit Mann und Tochter in die Laurentiuskirche gekommen. Dort ist ebenfalls Raum für Trauer. Viele Kerzen sind schon entzündet. Eine Box mit Taschentüchern steht in der Kirchenbank.
Am Boden vor dem Altar liegen Blumen und Gestecke von der Stadt, der Schule, von Freunden. Der Junge wäre nach den Ferien in die siebte Klasse gekommen. Tanja Wolfahrt, die selbst schon großen Verlust erfahren hat, kann die Trauer der Eltern nachfühlen.
Berührend sind die Einträge vor allem der Schulfreunde im Kondolenzbuch. Der Schulbeginn am Montag wird überschattet sein von der Tatsache, dass ein Platz leer bleibt.