Wie der Staat für den Krisenfall vorsorgt
Bund und Länder prüfen gegenwärtig verbliebene Bunker auf ihre Funktionstüchtigkeit. Für die Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln existiert eine Notreserve des Bundes. Ein Insider aus Hohenlohe erklärt, wie der Staat Getreide hortet.

Wie ist man in der Region auf den Verteidigungsfall und andere Krisen vorbereitet? Diese Frage haben wir unlängst an die hiesigen Landratsämter gerichtet. Die Antwort war ernüchternd: Es gibt im Kreis Heilbronn sowie auch im Hohenlohekreis keine funktionierenden Bunker mehr (wir berichteten). Doch wie viele Schutzräume existieren in Land und Region überhaupt noch? Und wie funktioniert im Krisenfall die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln?
Auf Stimme-Anfrage teilt das Bundesinnenministerium mit, dass angesichts der veränderten Bedrohungslage nun "gemeinsam mit den Ländern zeitnah eine vollständige Bestandsaufnahme der vorhandenen Schutzräume" vorgenommen werde. Erste Schritte hierfür seien bereits eingeleitet worden. Das seit 2007 laufende Bunker-Rückbauprogramm werde "geprüft", um einen weiteren Abbau von Bevölkerungsschutz-Kapazitäten zu verhindern.
Geheimhaltung soll Plünderei verhindern
Im Katastrophen- oder Verteidigungsfall muss die Versorgung der Menschen - zumindest partiell und für eine gewisse Zeit - sichergestellt sein. Der Bund unterhält hierzu Vorräte - die sogenannte staatliche sowie die zivile Notfallreserve: An rund 150 Standorten im gesamten Bundesgebiet lagern große Mengen Weizen, Roggen und Hafer in Depots. Daraus soll im Krisenfall vor allem Mehl für die Versorgung der Bevölkerung mit Brot hergestellt werden. Überdies werden Reis, Erbsen, Linsen und Kondensmilch vorgehalten.
Die Lage der Standorte unterliegt zum Schutz vor Plünderei im Falle des Ernstfalls stets der Geheimhaltung. Einblicke in die Abläufe dieser versteckten staatlichen Bevorratung gibt der Geschäftsführer einer großen Getreide-Mühle im Hohelohekreis, der anonym bleiben möchte. Er übereignet rund 1000 Tonnen Weizen jährlich - ein Zehntel der Produktionsmenge seines Betriebs - an die Bundesnotreserve: "Der zuständige Großhändler fragt bei uns an, dann wird das Getreide von einer Spedition abgeholt", berichtet er. "Wir wissen aber selbst nicht, wohin es genau gebracht wird", sagt der Chef. Oft sei nur die grobe Richtung des Transports bekannt: "Neulich ging es bis hoch zur niederländischen Grenze", erzählt der Hohenloher Insider.
Wie viele solche Lager in der Region und im Ländle existieren? Das wisse er nicht exakt, so der Müller. Er bestätigt auf Nachfrage aber, dass es bis vor einiger Zeit in Kupferzell ein solches Depot gegeben habe - und dass gegenwärtig im Landkreis Heilbronn nahe der Gemeinde Ilsfeld eine solche Notfallreserve existiere: "Das sind keine Silos, so wie wir sie kennen, sondern Lagerhallen." In ebendiesen Gebäuden, die nach außen so getarnt sind, dass der Verwendungszweck den Uneingeweihten nicht augenscheinlich ist, wird das Getreide aufbewahrt.
Vorräte halfen im Kosovo-Krieg
Das Fassungsvermögen eines solchen Speichers rangiert nach seinen Angaben zwischen 3000 und 30.000 Tonnen. "Auch im Hohenlohekreis gibt es aktuell sicherlich einen oder mehrere. Aber wo die genau sind, weiß ich nicht", sagt der Insider. Die Örtlichkeiten werden regelmäßig gewechselt: "Ein Lager wird zehn Jahre genutzt und danach aufgelöst."
Ähnlich wie er es schildert, dürfte sich auch die Bevorratung anderer Lebensmittel abspielen. Klar ist: Im Notfall ist dennoch die Vollversorgung aller Bundesbürger nicht möglich - aber wohl auch nicht erforderlich. Essenziell sind die Vorräte trotzdem: Denn wenn der Staat erst in der Krise mit der Bevorratung begänne, käme es laut Bundeslandwirtschaftsministerium zu Versorgungsengpässen - und aufgrund der dadurch ausgelösten Signalwirkung zu Hamsterkäufen besorgter Menschen, welche die Lage zusätzlich verschärfen.
Die Verwendung der Notreserve ist in Deutschland bisher noch niemals nötig gewesen. 1999 wurden jedoch einige hundert Tonnen in den Kosovo geflogen.
Mengen und Zweck
Die gesamten Notvorräte des Bundes belaufen sich auf rund 800.000 Tonnen und haben einen Wert von etwa 200 Millionen Euro. Im Krisenfall sollen auch die Menschen in den der Landwirtschaft fernen Ballungsräumen für einige Zeit mit einer Mahlzeit täglich versorgt werden können. Das Ziel ist, „kurzfristig Engpässe in der Versorgung der Bevölkerung zu überbrücken“. Die Einlagerung sowie die Betreuung der geheimen Standorte verantwortet die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung – eine Bundesbehörde. Die Kosten hierfür liegen bei rund 16 Millionen Euro.




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