Stimme+
Hohenlohe/Berlin
Hinzugefügt. Zur Merkliste Lesezeichen setzen

Was wurde aus der Kupferzeller Corona-Studie des RKI?

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat die Ergebnisse von Teil zwei und drei der Corona-Antikörper-Studie bislang noch nicht veröffentlicht. Im Internet ranken sich deshalb Verschwörungsmythen. Was ist los - und wie reagiert das RKI auf die Vorwürfe der Kritiker?

von Christian Nick
Reges Interesse herrschte im Juni 2021 bei der drittenTestreihe des RKI in Kupferzell − und das besteht noch immer: Denn Ergebnisse liegen bisher nicht vor.
Reges Interesse herrschte im Juni 2021 bei der drittenTestreihe des RKI in Kupferzell − und das besteht noch immer: Denn Ergebnisse liegen bisher nicht vor.  Foto: Archiv/Nick

Insgesamt dreimal war das Robert-Koch-Institut (RKI) im einstigen Corona-Hotspot gewesen, um dort die Bevölkerung zu untersuchen. Im Herbst 2021 hat das RKI dann einen umfangreichen Abschlussbericht seiner Studie vorgelegt, in dem die Ergebnisse aus Kupferzell neben denen aus den drei anderen beteiligten Orten dargestellt wurden. Allein: Es sind nur die Erkenntnisse aus dem ersten der drei Aufenthalte in Hohenlohe im Frühsommer 2020. Die Daten und Schlussfolgerungen aus den weiteren zwei Tests vom Herbst 2020 und Juni 2021 hat das RKI bis heute noch nicht publiziert.

Das nährt bei manchen Menschen Skepsis und Verschwörungsmythen: Unter dem Hashtag "Kupferzell" munkeln den "Querdenkern" nahestehende User auf Twitter, das RKI unterschlage hierbei gewonnene Daten bewusst, um für die Regierung unliebsame Forschungsergebnisse bezüglich der Antikörper-Entwicklung zu unterdrücken (siehe Info unten).

 


Mehr zum Thema

Stimme+
Hohenlohe
Lesezeichen setzen

Diskrepanzen bei Coronadaten in Hohenlohe


Wurden Fehler gemacht?

Was ist dran an diesen Spekulationen - und warum hat man so lange nach Abschluss der Testreihe in Kupferzell nichts mehr gehört? Wie das RKI auf Nachfrage nun öffentlich bekanntgibt, war die dritte Studie im Juni 2021 ursprünglich gar nicht geplant gewesen. Sondern: Deren Notwendigkeit resultierte aus der Tatsache, dass bei der zweiten Untersuchung im Oktober 2020 - bei der in Kupferzell 276 Personen neuerlich Blut abgenommen wurde - die Probanden-Gruppe zu klein gewesen war. So konnten laut RKI "keine statistisch belastbaren Aussagen" bezüglich der eigentlich avisierten Forschungsfragen bei jener Testreihe gewonnen werden.

Ein Fehler im Studiendesign? "In der wissenschaftlichen Forschung lassen sich Ergebnisse und Abläufe nicht immer antizipieren - so auch hier", sagt Jörg Schaarschmidt, der beim RKI für die Corona-Studie verantwortlich zeichnet. Dennoch habe die zweite Untersuchung "wichtige Erkenntnisse" zur Vorbereitung der bundesweiten Selbstbeprobungs-Studie "SOEP" geliefert - und einzelne Ergebnisse aus diesem Part seien auch bereits in den Abschlussbericht zu Teil eins eingeflossen.

Aufgrund besagter statistischer Ungenauigkeit rollten also im Juni 2021 erneut die "Medi-Busse" des RKI nach Kupferzell - sowie auch in die drei weiteren Untersuchungsorte Bad Feilnbach, Straubing und Berlin-Mitte -, um statistisch belastbare Datenmengen zu kreieren.

 


Mehr zum Thema

Frust am roten Corona-Telefon: Bürger monieren uneinheitliche Auskünfte und wundern sich über das eingeführte digitale System am anderen Ende.
Foto: Archiv/Sinar
Stimme+
Hohenlohe
Lesezeichen setzen

Anrufer sind irritiert: Warum beim Gesundheitsamt im Hohenlohekreis ein Computer Corona-Infos gibt


Und warum sind bislang keine Ergebnisse daraus öffentlich publiziert? Nach RKI-Angaben seien die Tests erst im Oktober 2021 und die parallelen Befragungen der Menschen mittels Fragebögen gar erst Ende vergangenen Jahres abgeschlossen worden. Man befinde sich derzeit noch in der Auswertung, berichtet Schaarschmidt. Es werde aber wie für Teil eins der rund fünf Millionen Euro teuren Studie noch einen Abschlussbericht geben, der "voraussichtlich Mitte des Jahres 2022" vorliegen soll. Die Instrumente wissenschaftlicher Qualitätsprüfung wie das sogenannte Peer-Review - die fachliche Begutachtung durch andere Forschende - dauerten eben, wirbt er um Verständnis.

Erkenntnis ist nie komplett

Was genau trägt die aus Steuergeldern finanzierte Studie nun noch zum Erkenntnisgewinn bei? "Bei der Frage, welche gesundheitlichen Folgen eine Infektion hat und wie sich die Konzentration von Antikörpern sowie die zelluläre Immunabwehr gegen das Coronavirus über die Zeit entwickeln, besteht nach wie vor Forschungsbedarf", sagt Schaarschmidt. Beim dritten Aufenthalt in Kupferzell sei neben Forschungen zu Long Covid besonders diese Immunreaktion auf Zell-Ebene in den Fokus gerückt worden, um zu klären, "ob und inwieweit bei Genesenen oder Geimpften ohne nachweisbare Antikörper dennoch eine T-Zell-Immunantwort messbar ist".

Die Folge-Untersuchungen in Kupferzell im Rahmen der Studie "Corona Monitoring lokal" seien damit - anders als von den Kritikern im Internet postuliert - weder als gescheitert, sinnlos oder gar als politisch beeinflusst anzusehen. Gleichwohl müsse jede Studie stets im Kontext ähnlicher Forschungsarbeiten interpretiert und eingeordnet werden. Von den Kritikern verallgemeinerte Einzelheiten (siehe oben) könnten nicht als allgemeine Erkenntnisse oder handlungsleitende Maßgabe interpretiert werden: "Die Studie in Kupferzell allein kann und wird niemals allein Grundlage für Impfempfehlungen oder gesundheitspolitische Entscheidungen sein", betont der RKI-Vertreter.

Sofern von den Skeptikern strafrechtlich relevante Inhalte verbreitet würden, leite das RKI rechtliche Schritte ein. "Darüber hinaus kommentiert das RKI diese Äußerungen nicht und konzentriert sich auf seine wissenschaftliche Arbeit."

 


Info: Die Vorwürfe und die Entgegnung der Wissenschaftler

"Die Ergebnisse der Antikörper-Studie aus Kupferzell müssen aus politischen Gründen wohl geheim bleiben", orakelt unter dem Hashtag "Kupferzell" etwa eine Userin: Vonseiten einiger Corona-Maßnahmen-Kritiker wurde unlängst versucht, das RKI zur vorzeitigen Veröffentlichung von Rohdaten aus den zweiten und dritten Folgeuntersuchungen zu zwingen. Über einen Anwalt, der sich auf das Informationsfreiheitsgesetz beruft, das den voraussetzungslosen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen bei Bundebehörden regelt, haben sie eine entsprechende Aufforderung an das RKI gerichtet.

Diese wurde dort jedoch bis auf Weiteres abgelehnt: Neben vermeintlichen inhaltlichen Ungereimtheiten stören sich die "Querdenker" besonders am Rekurs des RKI auf den Gesetzestext, wonach eine vorzeitige Veröffentlichung der vorliegenden, aber noch nicht "amtlichen" Daten einen "Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereiteln" könne. Was das RKI damit meint? "Wir bitten um Verständnis, dass wir keine gegenüber Dritten ergangenen Bescheide erläutern", heißt auf HZ-Nachfrage von dort. In ebendiesem beruft sich die Behörde freilich auch auf andere Gründe, um die Daten vor der Freigabe wissenschaftlich korrekt auswerten, verarbeiten und darstellen zu können.

Die Kritiker meinen ferner aus der Tatsache, dass sich bei der Testung der 276 Kupferzeller nur bei recht wenigen eine maßgebliche Veränderung der Antikörper nachweisen ließ, den Schluss ziehen zu können, dass die Immunität länger als erwartet anhalte und daher etwa auch der Genesenenstatus länger gewährt werden müsse. Hierzu das RKI zu unserer Zeitung: "Aus zahlreichen internationalen wissenschaftlichen Untersuchungen geht zweifelsfrei hervor, dass die Antikörper mit der Zeit absinken. Dies war auch bei der Untersuchung im Oktober 2020 in Kupferzell erkennbar." Erst dort sei jedoch klargeworden, dass man mehr Probanden testen müsse, um Evidenz erzeugen zu können.

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
Nach oben  Nach oben