Warum der Bauernverband plötzlich mit dem Nabu an einem Strang zieht
Beim Volksantrag "Ländle leben lassen" kämpfen Bauernverband und Naturschutzorganisationen, die sich eigentlich nie besonders grün waren, gemeinsam gegen den Flächenfraß. David Benzin vom Bauernverband Schwäbisch Hall-Hohenlohe-Rems erklärt die Gründe.

Es ist eine Allianz, die bislang kaum vorstellbar schien: Seite an Seite kämpfen Bauernverband und Naturschutzgruppen wie der Nabu - die bislang stets eher durch gegensätzliche Positionen aufgefallen waren - nun gegen den massiven Flächenverbrauch in Baden-Württemberg.
Ein gutes Dutzend Organisationen hat sich zusammengetan und den Volksantrag "Ländle leben lassen" initiiert. Das Ziel: Mit mindestens 40.000 Unterschriften dafür zu sorgen, dass besagte Petition im Landtag debattiert wird - und von der Landesregierung gesetzlich verbindliche Obergrenzen für den Flächenfraß geschaffen werden.
"Allianz in der Tat ungewöhnlich"
Wie denkt der hiesige Bauernverband Schwäbisch Hall-Hohenlohe-Rems, in dem rund 4800 Landwirte organisiert sind, über das Volksbegehren und die ungewöhnliche Partnerschaft, die sich dabei auftut?
Die Allianz zwischen Bauernverband und Nabu sei "in der Tat ungewöhnlich", sagt David Benzin, Pressesprecher der hiesigen Landwirte-Vereinigung, der sich jedoch darüber freut: "Ich finde das sehr zukunftsgewandt, denn es gibt sehr viele Überschneidungspunkte zwischen Naturschutz und Landwirtschaft." Beispielsweise sei etwa der Kampf gegen das Insekten- und Artensterben und für den Erhalt von Biodiversität existenziell wichtig für eine auch in der Zukunft funktionsfähige Landwirtschaft.
Dass Themen wie Ressourcenschonung, Klima- und Artenschutz sowie Generationengerechtigkeit - eigentlich klassisch eher im progressiven politischen Lager verortet - zunehmend auch in der mehrheitlich konservativ geprägten Bauernschaft wichtig werden, ist auch dem Bauernverband-Vertreter nicht entgangen: "Konservativ heißt ja dem Wortlaut nach ,Bewahrend"", so David Benzin. Und den Landwirten gehe es schließlich um den Erhalt ihrer Produktionsmittel und Lebensgrundlagen.
Bis zum Frühjahr geht es weiter
Der Volksantrag läuft noch bis April kommenden Jahres. Bis dahin können alle Bürger unterzeichnen. Aus rechtlichen Gründen ist dies nicht direkt online möglich - sondern das Unterschriften-Blatt muss zunächst unter www.laendle-leben-lassen.de heruntergeladen werden. Zudem muss die jeweilige Kommune bestätigen, dass der Unterzeichnende bei Landtagswahlen wahlberechtigt ist. Das Dokument kann dann aber gemailt oder bei einer Sammelstelle abgegeben werden.
"Meine persönliche Hoffnung ist auch, dass das Thema durch die Petition noch mehr in der Gesellschaft ankommt", sagt Benzin. Die Konkurrenz um die verbleibenden Flächen in der Region sei groß. "Versiegelung darf hier nur das letzte Mittel der Wahl sein." Durch Verknappung und Wettstreit erhöhten sich die Pacht- und Verkaufspreise und stellten Landwirte zunehmend vor große Herausforderungen.
Wie das Dilemma zu lösen ist? "Bauen in die Höhe ist ein Stichwort, Wohnungen über Supermärkten oder Parkplätzen", so Benzin. Und: "Sanierung wieder verstärkt in den Blick nehmen." Wie sich die Landwirtschaft verändern muss? "Den Ertrag auf gleicher Fläche steigern, aber das beißt sich mit Forderungen der Gesellschaft." Es brauche jedenfalls mehr Natur- und Artenschutz. "Aber das geht nur, wenn die Kunden auch bereit sind, einen entsprechenden Preis zu zahlen", betont der Verband-Repräsentant.