Nach Schüssen bei SEK-Einsatz in Boxberg: Mutmaßlicher Reichsbürger hatte Verbindungen nach Hohenlohe
Im Prozess am Oberlandesgericht in Stuttgart spricht der Angeklagte, der sich für einen "Staatsfeind der DDR" hielt. In Boxberg-Bobstadt schoss er auf Polizisten. Vorher hatte er Verbindungen in den Hohenlohekreis.

Auf 14 Polizisten soll der mutmaßliche Reichsbürger Ingo K. geschossen und versucht haben, sie zu töten. Am Morgen des 20. April 2022 wollten sie seine Wohnung im Boxberger Ortsteil Bobstadt durchsuchen und eine Schusswaffe einziehen. Das Sondereinsatzkommando der Polizei (SEK) war im Einsatz - K. verschanzte sich über mehrere Stunden in seinem Haus. Das ist in diesem Zuge in Brand geraten.
Gegen den mutmaßlichen Reichsbürger wird seit 5. April vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart-Stammheim verhandelt. Die Anklage lautet auf mehrfachen versuchten Mord. Bislang fanden drei Prozesstage statt.
Am ersten wurde die Anklage verlesen, am zweiten und dritten bekam der Angeklagte die Möglichkeit, Angaben zur Person zu machen. In seinen Ausführungen wurden Verbindungen in den Hohenlohekreis und den Kreis Schwäbisch Hall bekannt.
"Staatsfeind der DDR"
Ingo K. erzählte, er wurde 1967 im sächsischen Plauen in der DDR geboren. Kurz nach der Geburt starb sein Vater. Seine Mutter, eine Diplomingenieurin, machte 1987 eine Reise in den Westen. Sie besuchte Verwandtschaft in Nordrhein-Westfalen - und blieb dort. Mit ihrer Ausreise sei er "zum Staatsfeind der DDR erklärt" worden. Ingo K. stellte einen Antrag zur Ausreise. Die wurde im Juni 1989 gewährt und er zog zu seiner Mutter.
Der mutmaßliche Reichsbürger hatte eine Freundin in Braunsbach, die er aus seiner Zeit in Plauen kannte. Rasch zog er zu ihr in die hohenlohische Gemeinde und fing eine Arbeit an: Nach seiner Bewerbung bei einer Künzelsauer Firma war er dort sechs Jahre, von 1994 bis 2000, als Lagerist tätig. Für Mutter und Großmutter hatte er inzwischen eine Wohnung in Kupferzell besorgt.
Verschiedene Stationen im Arbeitsleben
In Öhringen eröffnete Ingo K. sein erstes Kampfsportstudio. Zweimal pro Woche soll er ein Training angeboten haben. Der Angeklagte schilderte, er habe prompt das Angebot bekommen, zusätzlich den Security-Dienst in einer Diskothek in Schwäbisch Hall zu stellen. K. erzählte, er sei "kein guter Geschäftsmann" gewesen.
Das Studio sei bloß zwei Jahre gelaufen, dann musste er Insolvenz anmelden. Zwischen 2000 und 2003 habe er versucht, ein Studio in Schwäbisch Hall zu eröffnen. Die Stadtverwaltung habe das Vorhaben aber nicht genehmigt.
Von 2005 bis 2014 führte er einen Sicherheitsdienst, kurzzeitig mit Fitnessstudio und Gaststätte, in Bad Mergentheim. Zwischenzeitlich soll er bis zu 40 Personen beschäftigt haben. Dann ging das Gewerbe pleite. "Dann fängt man halt wieder neu an", berichtete Ingo K. mit einem Grinsen. Nun habe er fünf, sechs Jahre bei einem Sicherheitsdienst aus Fichtenberg gearbeitet.
Als die Corona-Pandemie ausbrach, arbeitete der Angeklagte bei einer Firma in Künzelsau - am Empfang, in der Durchlasskontrolle. Als der Vorsitzende Richter ihm die Aussage eines Zeugen vorhielt, Ingo K. habe einst im Gespräch mit dem Zeugen behauptet, Außerirdische würden die USA regieren, sagte der Angeklagte: Am Empfang habe er viel Zeit gehabt, um im Internet "nach allem Möglichen zu suchen".
K. spricht mit Reichsbürger-Rhetorik
In Gesprächen "provoziere" und "verarsche" er gerne. "Mein sächsischer Humor wird nicht immer verstanden", ergänzte er. Für Zeugen klingen manche der Verschwörungstheorien aber nicht nach Spaß: Während und auch bereits vor der Corona-Pandemie verschickte der Angeklagte eine Vielzahl an Behördenschreiben mit Sprache und Inhalt der Reichsbürger-Szene. In einem Schreiben ist von der "Firma Bundesrepublik Deutschland" und einem "SHAEF-Mandat" die Rede. "SHAEF" war das Oberste Hauptquartier der alliierten Streitkräfte in Nordwest- und Mitteleuropa.
Während der Corona-Pandemie verließ K. die Firma. Der Grund: Er weigerte sich, eine Maske zu tragen. Vor Gericht erzählte er, dass er Asthma habe. "Das hält man nicht aus", sagte er zum Tragen der Maske. Er habe ein Attest zur Maskenbefreiung gehabt. Aber das "wurde nicht gerne gesehen", behauptet er. Zwar habe die Firma einen Arbeitsplatz angeboten, an dem er ohne Maske hätte arbeiten können. Allerdings habe er "keine Lust mehr" gehabt.
K. zog nach Rüsselhausen, einem Ortsteil von Niederstetten. Ingo K. wohnte ein halbes Jahr in Bobstadt, bis zum SEK-Einsatz.