Nach dem Großeinsatz in Boxberg: Polizei hebt Waffenarsenal bei Reichsbürger aus
Die Polizei entdeckt zwei Kammern mit Waffen und Munition in einem Gebäudekomplex in Bobstadt. Der Tatverdächtige sitzt in Untersuchungshaft.
Irre viel Waffen und Munition habe man bei der Durchsuchung des Gebäudekomplexes in Boxberg-Bobstadt (Main-Tauber-Kreis) gefunden, erklärt Andreas Stenger, Präsident des Landeskriminalamts Baden-Württemberg (LKA). Am Donnerstag fand im Neubau des Polizeipräsidiums Heilbronn eine Pressekonferenz zum Einsatz am Mittwochmorgen in Bobstadt statt. Der Tatort liegt im Zuständigkeitsbereich des Präsidiums Heilbronn.
Der 54-Jährige Hauptverdächtige hatte in der Vergangenheit eine Waffenbesitzkarte mit einer zugehörigen Waffe besessen, erklärt Polizeipräsident Hans Becker. Da ihm die Erlaubnis entzogen worden war, hätte er diese abgeben müssen. Am Mittwoch wollte die Polizei ihm die Waffe abnehmen. Dann kam es zum Schusswechsel. Das Areal in Bobstadt gerät danach in Brand.
Kriegswaffen gefunden
Nach dem Großeinsatz am Mittwochmorgen mit mehr als 220 Beamten, treffen die Spezialisten bei der Durchsuchung des Komplexes auf ein regelrechtes Waffen- und Munitionsarsenal. "Bei dem sehr heftigen und massiven Schusswechsel kamen vollautomatische Kriegswaffen zum Einsatz", sagt Stenger. Die Hauptwaffe sei ein Nachbau einer Kalaschnikow gewesen, ein sowjetisches Sturmgewehr, das in Jugoslawien gefertigt worden sei. "Mit dieser Waffe können Sie 600 Schuss in der Minute abfeuern." In zwei Wohnhäusern sei man auf begehbare Waffenkammern gestoßen. Unzählige Munition der unterschiedlichsten Kaliber und Waffen haben die Beamten gefunden.
Drei Langwaffen seien entdeckt worden, darunter ein G3 des Herstellers Heckler und Koch. "Im Wohnzimmer stand ein Maschinengewehr MG42 mit gegurteter Munition." Ob es sich um eine Attrappe handelt, werde derzeit geprüft, erklärt Stenger. Auf Handfeuerwaffen und Stichwaffen stoßen die Beamten, darunter ein Messer mit einem Hakenkreuz und einer selbstgebastelten Streitaxt. Schusssichere Westen, in den Taschen vollständig gefüllte Magazine, holen die Beamten aus dem Gebäude. Nachtsichtgeräte, Wärmebildkamera. Zieloptik, Laser-Visiere.
"Equipment, das man nur vom Militär kennt. In einem weiteren Gebäudeteil entdecken die Beamten eine Cannabis-Plantage. Der 54-Jährige soll Bezüge zu den Reichsbürgern haben. "Eine politische Motivation bei den Taten ist nicht auszuschließen." Das LKA hat die Ermittlungen übernommen.
Durchsuchungsbeschluss habe vorgelegen
Stunden bevor die Situation am Mittwochmorgen eskalierte, haben Beamte des Spezialeinsatzkommandos (SEK) mit Blaulicht und Lautsprecherdurchsagen auf sich aufmerksam gemacht, erklärt Becker. Die Beamten seien mit einem Durchsuchungsbeschluss vor der Tür gestanden. Wegen vorangegangener Gewaltdelikte des 54-Jährigen sei man auf ein mögliches aggressives und unkooperatives Verhalten des Mannes vorbereitet gewesen.
Da niemand reagierte, versuchte das SEK einen Rollladen an einem Fenster zu öffnen. "In diesem Moment wurden unsere Beamte durch den geschlossenen Rollladen beschossen", sagt Becker. Ein Beamter, der zwei Mal an den Oberschenkeln getroffen worden ist, sei von Kollegen hinter ein gepanzertes Fahrzeug in Sicherheit gebracht worden. Kurz danach seien die Beamten aus zwei Richtungen beschossen worden.
Mehrere Kugeln treffen auf die Schutzausrüstung der SEK-Beamten, verletzten aber niemanden, erklärt Becker. Fahrzeuge und umliegende Gebäude werden beschossen. Dann gerät das Anwesen in Brand. Die Ursache hierfür ist Gegenstand der Ermittlungen. Per Notruf ergeben sich die zwei Frauen und fünf Männer im Alter zwischen 54 und 23 Jahren.
Nach Angaben von Dr. Florian Kienle, Leitender Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Mosbach, befindet sich der 54-Jährige in Untersuchungshaft. Er habe bei der Vernehmung gesagt, dass er einer der Schützen war.
Szene der "Reichsbürger"
Das Landesamt für Verfassungsschutz rechnet in Baden-Württemberg aktuell mit 3300 Menschen, die der Szene der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" angehören. Regionale Zahlen gebe es nicht. Im vergangenen Jahr habe man einen deutlichen Zulauf festgestellt, teilt ein Sprecher mit. Nach Angaben des Innenministeriums seien derzeit 14 Reichsbürger im Land im Besitz mindestens einer erlaubnispflichtigen Waffe. Seit 2017 seien mehr als 400 Waffen von Reichsbürgern eingezogen worden.