Weitere Tote bei Mordserie in Schwäbisch Hall? Wie die Ermittler nun vorgehen
Eine 86-Jährige könnte das erste Opfer des inzwischen festgenommenen Tatverdächtigen gewesen sein. Da eine Obduktion nicht mehr möglich ist, will die Polizei jetzt Fotos von einem Gerichtsmediziner auswerten lassen.

Wie viele Menschen hat der mutmaßliche Serientäter auf dem Gewissen, der vor zwei Wochen am Hagenbacher Ring in Schwäbisch Hall verhaftet wurde? Offiziell geht die Staatsanwaltschaft von zwei getöteten Seniorinnen aus: Heidemarie K. (am 21. Dezember 2022) und Gertraute N. (am 25. Januar 2023). Zudem geht wohl ein versuchter Raub in Ilshofen auf sein Konto. Der mutmaßliche Täter schweigt weiterhin.
Tot im Reihenhaus gefunden
Durch Recherchen dieser Zeitung wurde bekannt, dass es ein weiteres Opfer geben könnte, das eventuell übersehen wurde: Edith L. wurde genau eine Woche vor Heidemarie K., nur 315 Meter entfernt, ebenso an einem Mittwoch tot in ihrem Reihenhaus am Hagenbacher Ring gefunden. Zwar geht die Staatsanwaltschaft offiziell von einem Unfall aus - allerdings haben selbst Ermittler inzwischen Zweifel.
Haustüre wochenlang versiegelt
Das Problem: Die Verstorbene wurde am Tag nach dem Fund für die Feuerbestattung freigegeben. Die Trauerfeier samt Urnenbeisetzung fand just an dem Tag statt, an dem das Mordopfer Heidemarie K. im Schönbergweg tot aufgefunden wurde. Erst danach war die Sonderkommission "Höhe" gegründet worden. Diese untersuchte aufgrund der Zweifel den eigentlich abgeschlossenen Fall Edith L.
Die Haustür des Reihenhauses war seit Ende Dezember mehrere Wochen lang versiegelt, obwohl die Polizei das Objekt Mitte Dezember freigegeben hatte und in der Zwischenzeit Spuren unbewusst verwischt worden sein könnten.
Dementi des Oberstaatsanwalts
Nach Anfragen von bundesweiten Medien zum eventuell übersehenen Mordopfer bestätigte Oberstaatsanwalt Harald Lustig in den Interviews zwar, dass durch die Soko eine Verbindung zu den anderen Fällen weiterhin überprüft werde. Er dementierte aber, dass Edith L. mit einer "tödlichen Kopfverletzung" aufgefunden wurde.
Dieses Dementi hat aber einen Haken, wie er auf Nachfrage einräumt. Denn es lag tatsächlich eine Kopfverletzung vor. Worauf sich der Staatsanwalt beruft: Die Seniorin wurde aufgrund einer entsprechenden Entscheidung der Ermittler nicht obduziert, weswegen heute niemand sagen könne, ob die Verletzung denn auch tödlich war. Lustig erklärt auf Nachfrage, dass an der 86-Jährigen keine weitere frische Verletzung festgestellt wurde. Ob die Kopfverletzung todesursächlich war, lässt sich nicht mehr klären.
Platzwunde am Kopf
Angehörige hatten die tote Seniorin entdeckt. Laut Staatsanwalt hat der Amtsarzt angegeben, es läge eine Kopfplatzwunde vor. "Das wurde überprüft." Wie bei jedem anderen Verdacht auf einen unnatürlichen Tod sei die Polizei hinzugezogen und ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet worden.
Die Beamten hätten beim Abtasten aber festgestellt, dass es keine offene Wunde war, sondern ein Hämatom. Kriminologen und Mediziner kennen die Hutkrempen-Regel, wonach Verletzungen oberhalb dieser Linie vermutlich durch Schläge, unterhalb davon vermutlich durch Stürze entstanden sind. Im Fall Edith L. war die Verletzung wohl oberhalb der Hutkrempe. Offenbar stand zunächst ein Schädel-Hirn-Trauma im Raum.
Gerichtsmediziner prüft Fotos
Weil es keine Obduktion gab, mit der eine Straftat hätte nachgewiesen werden können, wollen die Ermittler jetzt aber einen anderen Weg gehen, wie Lustig berichtet. "Natürlich hat man den Leichnam nicht mehr. Aber man hat entsprechendes Bildmaterial, das man einem Gerichtsmediziner vorlegen kann."
Schlag oder Sturz?
Dieser solle nun prüfen, ob die Verletzungen "in irgendeiner Form von einem Schlag sein können oder ähnliches - oder doch auf ein Sturzgeschehen zurückzuführen sind". Dazu sollen auch die Erkenntnisse des Kriminaldauerdienstes des Polizeipräsidiums Aalen berücksichtigt werden, der an jenem Abend die Ermittlungen übernommen hatte. Lustig erhofft sich so, dass der Gerichtsmediziner sich anhand der Daten dennoch ein Bild machen und die Frage nach einer möglichen Straftat klären kann.
Haben die Kriminaltechniker im Fall Edith L. DNA oder Fingerabdrücke gefunden? Das wäre ein Nachweis, dass der mutmaßliche Serientäter im Haus war. Doch dazu will sich Oberstaatsanwalt Lustig nicht äußern, obwohl vor zwei Wochen in der Pressekonferenz DNA-Treffer des 31-Jährigen als Ermittlungserfolg in den anderen Fällen angeführt wurden. Im Fall L. verweist Lustig auf das Landespressegesetz, wonach er Auskünfte verweigern könne, wenn "schutzwürdiges privates Interesse verletzt" werde. Auf wessen Rechte er sich bezieht, sagt er nicht.

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