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Landwirte üben Kritik an weiterem Tierwohl-Label

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Der Vorstoß von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir nach einer Kennzeichnung von fünf Haltungsstufen wird vom Prinzip her begrüßt. Landwirtschaftsamt und Verbände weisen auf Lücken hin. Das Baurecht verhindere Tierwohlställe.

Bundesagrarminister Cem Özdemir hat nach jahrelangen Diskussionen einen neuen Anlauf für eine staatliche Tierhaltungskennzeichnung für Fleisch gestartet.
Bundesagrarminister Cem Özdemir hat nach jahrelangen Diskussionen einen neuen Anlauf für eine staatliche Tierhaltungskennzeichnung für Fleisch gestartet.  Foto: dpa

Alle zwei Jahre wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben. So kritisieren Landwirte in der Region den Vorstoß von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), der die Kennzeichnung von fünf Haltungsstufen bei Schweinefleisch fordert. Dabei stellen die Landwirte klar: "Vom Prinzip her ist es ein toller Gedanke. Regionalität sollte einen Wert haben", erklärt beispielsweise Florian Petschl, der für die Schweinehalter im Bauernverband Heilbronn-Ludwigsburg spricht. Er mästet seine Schweine in Marbach am Neckar. Im Landkreis Heilbronn gibt es laut Stefan Kerner, Vorsitzender des dortigen Bauernverbands, nur noch drei Ferkelerzeuger.

Tierschützern geht Label nicht weit genug

Auch der Deutsche Bauernverband spricht von einem ersten wichtigen Schritt, sieht aber am Entwurf erhebliche Lücken: So gebe es ohne verbindlichen Zeitplan für die Einbeziehung von Rind und Geflügel "keinerlei Lenkungswirkung", warnte Bauernpräsident Joachim Rukwied. Umwelt- und Tierschützern geht das geplante Label nicht weit genug, da es nur auf die Haltungsform in der letzten Stufe schaue.

Auf dem Hof von Matthias Munz in Hardthausen haben die Bauernverbände vor einigen Wochen gemeinsam darauf aufmerksam gemacht, dass die Landwirte ohne verlässliche Rahmenbedingungen nicht investieren können.  Foto: Archiv/Tscherwitschke

Was sagt der Profi, der Tag für Tag im Schweinestall steht? "Wir sind vor einigen Jahren schon aus der Muttersauen-Haltung ausgestiegen und haben uns auf Ferkelmast konzentriert", sagt Petschl. "Jetzt muss ich mir wieder überlegen, was ich mit meinem zehn Jahre alten Stall mache." Den hat er nach dem Vorbild seines Hohenloher Lehrbetriebs Specht gebaut und weiter optimiert.

"Aber jetzt muss ich wieder überlegen, wie es weitergeht", sagt der 31-Jährige. Aufhören ist für ihn noch keine Option. Doch um schon wieder mindestens 250.000 Euro zu investieren, fehlen ihm verlässliche Rahmenbedingungen. Denn er fragt sich: "Muss jeder Landwirtschaftsminister sein eigenes Label einführen? Blickt da der Verbraucher noch durch?".


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Ohne Bauern geht es nicht


 

Er lässt keinen Zweifel daran: "Wir Bauern wären bereit, aber alle zwei Jahre umzusteuern, das geht nicht", vermisst er Verlässlichkeit. Und noch ein Punkt ist dem Landwirt wichtig: "Der Kunde muss sofort an der Theke erkennen können wo das Fleisch herkommt, ob es wenig transportiert und mit regionalen Produkten gefüttert wurde.

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Das Höfesterben geht weiter

Helmut Bleher, Geschäftsführer vom Bauernverband Schwäbisch Hall Hohenlohe Rems verweist auf den eklatanten Rückgang an Betrieben (siehe Kasten). Die Zahl der Muttersaubetriebe beziffert er für den Landkreis Hall im Jahr 202 auf 224, für Hohenlohe auf 89. Die Schweinemäster hätten noch nicht in der großen Menge aufgehört, doch auch hier habe sich die Anzahl seit 2016 um ein Fünftel reduziert. "Die Schweinehaltung in Hohenlohe ist dramatisch eingebrochen", sagt Bleher.


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Verstärkt worden sei das durch die katastrophale Preisentwicklung während Corona, nachdem der Außer-Haus-Verzehr weggefallen sei und mehrere Grillsaisonen fehlten. "Vor allem aber wegen der Pflicht, Ställe in tierwohlgerechte Anlagen umzubauen", sagt Bleher. "Für diese Umbauten war in den Betrieben kein Geld vorhanden und eine Amortisation der Investition nicht aussichtsreich." Zumal das Baurecht wegen der Geruchs- und Ammoniakgrenzen aktuell Tierwohlställe fast unmöglich mache. Bleher lenkt den Blick nach Spanien: "Die in Deutschland weggebrochenen Kapazitäten sind dort in vollem Umfang aufgebaut worden."

Inflation beunruhigt die Verbraucher

An Erdbeeren, Spargel und Rindfleischkonsum, ebenfalls im Biobereich, habe man gesehen, dass der deutsche Verbraucher wohl wegen Inflationsängsten teurere Lebensmittel meide und verstärkt Grundnahrungsmittel und Billigangebote nutze. "Der Lebensmittelmarkt ist sehr sensibel. Wenn Geld fehlt, wird Luxuskonsum vermieden." Landwirte hätten also kein Interesse, in einen gesättigten Markt zu investieren, solange der deutsche Verbraucher das günstigere Produkt aus dem Ausland kaufen könne. "Wenn es ein Erfolg sein sollte, müssten die Voraussetzungen zumindest in Europa gleich sein und dazu eine Abschottung auf die Weltagrarmärkte eingeführt werden", sagt Bleher und weiß: "Das ist undenkbar."

 


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Die gesetzliche Kennzeichnungspflicht nach Tierwohlstufen sei bereits seit längerem auf freiwilliger Basis vom Einzelhandel vorgenommen worden, sagt Bleher. Umsatzzuwächse hätte es dadurch nicht gegeben. Klaus Mugele, Vizepräsident des Hohenloher Bauernverbands, kritisierte jüngst, dass nur Edeka und Kaufland mit ihren Lieferanten verlässliche Verträge geschlossen hätten.


Zahlen aus dem Hohenlohekreis 

In den letzten elf Jahren hat fast jeder zweite Schweinehalter im Hohenlohekreis die Haltung eingestellt. Von den 378 schweinehaltenden Betrieben mit knapp 181.000 Tieren sind es 2021 nur noch 196 Betriebe mit 98.600 Tieren. Von 211 Zuchtsauenhaltern (2010) sind nur noch 76 Betriebe (2021) produktiv. Von den 196 Betrieben derzeit betreiben sechs Betriebe Schweinehaltung nach biologischen Richtlinien (Kategorie 5). Die übrigen Kategorien sind laut Fredericke Höhn, Sprecherin beim Landratsamt Hohenlohekreis, nur schwierig abzugrenzen und müssten in den meisten Fällen direkt bei den Betrieben erfragt werden.

Über das "Förderprogramm Agrarumwelt Klimaschutz und Tierwohl" (FAKT) können Schweinemäster einen finanziellen Ausgleich erhalten, wenn die Haltungsbedingungen über den gesetzlichen Anforderungen liegen. In der Einstiegsstufe beträgt der Ausgleich neun Euro pro Tier, in der Premiumstufe 14 Euro. In der Einstiegsstufe muss den Tieren 40 Prozent mehr Platz zur Verfügung stehen, es muss mit Stroh eingestreut und der Liegebereich mit verformbaren Matten ausgelegt sein. Bei der Premiumstufe muss es 100 Prozent mehr Platz geben, es muss ein Offenfrontstall sein oder es muss dauerhaft Auslauf im Freien möglich sein.

Im Hohenlohekreis sind 19 Betriebe in der Einstiegsstufe, sechs (Ökobetriebe) in der Premiumstufe. Ab 2023 wird auch die Ferkelerzeugung und Aufzucht über dem Standard unterstützt. Aktuell sind dem Landwirtschaftsamt keine Betriebe bekannt, die hier Frischluftställe bieten würden. Das Amt rechnet damit, dass die Schweinehalter weniger werden. Bauliche Nachrüstungen seien oft unrentabel, oder innerorts emissionsrechtlich nicht machbar.

 


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