Landesbauernverband: Kunde entscheidet über Tierwohl
Die Ferkel sollen ein schönes Leben in Freiheit haben. Wo aber sind die Kunden, die den dafür nötigen höheren Preis bezahlen? Bei der digitalen Fachtagung des Landesbauernverbands ging es genau um diese Frage.

Die Ferkel sollen ein schönes Leben in Freiheit haben, das Schnitzel soll aber nicht mehr kosten. Der Konflikt wird auf den ersten Blick sichtbar. Er ist zwischenzeitlich angesichts zunehmender Anforderungen ans Tierwohl so groß, dass laut einer Umfrage des Landesbauernverbands 80 Prozent der teilnehmenden Betriebe überlegen, in naher Zukunft aufzuhören.
Bei der digitalen Fachtagung des Landesbauernverbands ging es genau um diese Frage: In Zukunft soll es noch mehr Tierwohl geben. Wo aber sind die Kunden, die den dafür nötigen höheren Preis bezahlen? Mit Bauernverbands-Vize Klaus Mugele diskutierte das Thema online Clemens Dirscherl. Der frühere Geschäftsführer des Evangelischen Bauernwerks Hohebuch ist bei Kaufland für Tierwohl und Nachhaltigkeit zuständig.
Dirscherl weiß: "Weder Kaufland noch die Erzeuger können sich den Verbraucher so backen, wie sie ihn sich wünschen würden." Es sei nun mal so, dass der Verbraucher heute mehr wissen und selbst entscheiden wolle, was er kaufe. "Doch wenn sich der Kunde letztlich mit Anspruch und Kaufverhalten widerspricht, dann müssen wir das hinnehmen."

Dilemma der Landwirte
Dirscherl glaubt: Der Verbraucher heute ist ein anderer als noch in den 1950er Jahren. Auch wenn aktuell wieder ein Trend zur Bevorratung zu spüren sei, habe hier niemand Hungererfahrung machen müssen und preiswerte Sättigung sei Normalzustand.
Das Dilemma der Landwirte: Um mehr Tierwohl zu bieten, müssen sie entweder in neue Ställe investieren oder auf vorhandenem Platz weniger Tiere halten. Bei einer der Varianten, die der Veredelungsexperte von der Landwirtschaftskammer vorrechnete, waren es 40 bis 50 Euro, die zusätzlich pro Mastschwein erwirtschaftet werden müssten, um Kostendeckung zu erreichen.
Um Investitionen zu tätigen, brauchen die Landwirte Vertragssicherheit. Kaufland erfülle seine Verträge, berichtet Dirscherl. Es gebe keine nicht abgeholten Schweine. Kaufland habe mit 76 landwirtschaftlichen Betrieben in den vergangenen fünf Jahren Verträge geschlossen. Weitere 157 Betriebe stünden auf der Interessentenliste, 24 davon aus Baden-Württemberg.
Verpflichtung zu mehr Respekt gegenüber Tieren
Diese Betriebe wollen Teil des Programms "Wertschätze" werden. Die Teilnehmer haben eine gesicherte Abnahme, verpflichten sich im Gegenzug aber auch zu Respekt gegenüber den Tieren. Einmal pro Jahr werde der Hof persönlich besucht, aber auch durch externe Kontrollen werde gesichert, dass die Tierwohlstandards eingehalten werden. Dazu gehöre die definierte Platzmenge, Beschäftigungsangebot und definiertes Futter. "Niemand wird ins Programm gezwungen", sagt Clemens Dirscherl. "Tierwohl zwischen Theke und Stall ist umsetzbar", ist seine Meinung. Und kann sich bis in Betriebskantinen fortsetzen.
Das sagt Stefan K. Best, Abteilungsleiter Wirtschaftsbetriebe und Weinmanagement der Landesbausparkasse Südwest. Er spricht für die Großküchen. Der früheren Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch sei es gelungen, viele Weltmarktführer der Region für die Aktion "Schmeck den Süden" zu begeistern. Die Unternehmen setzen in ihren Kantinen auf Regionalität und betrachten das als Beitrag zur Wertschöpfung. Tierhaltung, artgerechte Aufzucht, kurze Transportwege seien Faktoren, Reduzierung von Abfällen und gesunde Lebensmittel für die Mitarbeiter Ziele.
Der Einsatz klimafreundlicher Produkte und eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung gehöre dazu, so Best. Er weist auf ein Problem hin: Die Betriebe und Metzgereien müssen die Mengen allerdings auch liefern und verarbeiten können. Der wirtschaftliche Aspekt ist für ihn ein wichtiger: Durchschnittlich 2,50 Euro kann sein Wareneinsatz pro Gedeck sein. Da ein Zwiebelrostbraten in guter Qualität deutlich mehr koste, werde das durch Mischkalkulation mit anderen Waren erreicht.
Die Großküchen haben während Corona ebenso wie die Gastronomie deutlich weniger Lebensmittel verbraucht. Das haben die Landwirte direkt zu spüren bekommen.