Politik und Verbände warnen: Dramatische Situation im Ferkelstall
Landesbauernverband informiert Politik über Ergebnis der Umfrage unter den Schweinehaltern: 50 Prozent planen den Ausstieg. Veränderte Rahmenbedingungen haben schlimme Konsequenzen für Bauernfamilien.

Im Jahr 2009 haben die Landwirtsfamilien Munz und Eisemann 1,8 Millionen Euro in einen großen Stall auf der Poppelhöhe bei Lampoldshausen investiert. Eine 15-köpfige EU-Kommission war vor Ort, erinnert sich Matthias Munz, hat sich alles angeschaut und über die Fördergelder entschieden. 480 Muttersauen konnten die letzten Jahre in den Buchten pro Jahr ihre 30 Ferkel mit zwei Würfen zur Welt bringen. Nun sind es nur noch um die 360 Muttersauen. Und es könnten noch weniger werden. Denn: Die Situation für die Ferkelerzeuger nimmt an Dramatik immer mehr zu. Und es wird noch schlimmer, fürchten die Familien Munz und Eisemann.
Aktuell wird draufgelegt
Nicht nur, dass sie aktuell 15 Euro pro Ferkel draufzahlen. Ihr 1500 Quadratmeter großer Stall kann so wie jetzt in Teilen nur bis 2027, im Gesamten bis 2032 betrieben werden. Dann müsste pro Tier mehr Platz zur Verfügung stehen. Das alleine wäre nicht das Problem, erläutert Jörg Eisemann. Hauptproblem ist, dass der massiv gebaute Stall aus Beton nicht so einfach umgebaut werden könnte. "Da kann man nicht so einfach Löcher reinmachen, um Freilauf zu ermöglichen", weist er auf die dicken Wände hin. Die auf die Besamung wartenden Zuchtsauen sollten ab 2027 in Kleingruppen gehalten werden. Die Muttersauen mit den Ferkeln, die aktuell auf rund vier Quadratmeter in den Buchten leben, brauchen ab 2032 7,5 Quadratmeter mit ihrem Nachwuchs.
Neuerliche Investition bei laufendem Kredit nicht möglich
Eine neuerliche Investition schätzen die beiden Landwirtsfamilien auf mindestens 500 000 Euro. Und dabei läuft der 2009 abgeschlossene Kredit noch bis 2034. "Es gibt gerade keine Perspektive", bedauert Eisemann. Dabei hat er einen sieben Jahre alten Sohn, der gerne wie sein Vater Landwirt werden würde. Und auch der 14 Jahre alte Sohn von Matthias Munz würde gerne in Vaters Gummistiefel steigen. "Aber wir wissen nicht, was wir ihm raten sollen", sagt Munz. Dabei habe er, wie auch Jörgs Vater Bernhard, immer Weitblick bewiesen. Beide stammen aus Höfen aus dem Ort. 1990 sind sie auf die Höhe ausgesiedelt und haben sich zusammen getan. Das Risiko und die Investition in die Zukunft haben sie auf zwei Schultern verteilt. Das heißt aber auch, dass zwei Familien davon Leben können müssen.
Mehr Geld für Getreide als für Ferkel
"Hätten wir das Getreide nicht an die Ferkel verfüttert, sondern verkauft, hätten wir mehr verdient", sagt Munz. Für 100 Kilo Gerste bekomme er mehr Geld als für ein Ferkel. "Das hat es noch nie gegeben", ärgert sich Klaus Mugele, Vizepräsident vom Landesbauernverband. Mit dem FDP-Landtagsabgeordneten Georg Heitlinger sowie Stefan Kerner und Florian Petschl vom Bauernverband Heilbronn-Ludwigsburg macht er sich vor Ort ein Bild.
Die Funktionäre wissen um die Sorgen der Schweinehalter. 2020 gab es in den drei Kreisen Hohenlohe, Hall und Rems noch 819 Schweinehalter. 20 Prozent davon haben die vergangen zwei Jahre ihre Stalltüre zugeschlossen. Im Landkreis Heilbronn, weiß Kerner, gibt es gerade noch drei Ferkelerzeuger.
In Bayern ist Schweinbraten noch gefragt
Die Ferkelerzeuger hoffen, dass Corona bald Geschichte ist, Gastronomie und Feste wieder zulegen und dort wieder mehr Schweinefleisch gegessen wird. Aktuell gibt es in Bayern etwas bessere Preise als in Baden-Württemberg. Dort kommt sonntags scheinbar noch der Schweinebraten auf den Tisch.
Hier aber klaffe eine Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit, sagt Mugele. Nur Edeka und Kaufland haben nach seinen Worten Mindestpreisverträge mit ihren Lieferanten geschlossen. In der nächsten Stufe müsste auch die Schlachtwirtschaft mit ins Boot geholt werden. Vor allem müsste den Verbrauchern die Regionalität bewusst gemacht werden, hofft Mugele auf Solidarität der Konsumenten.
Umfrage unter Betrieben
Laut Mugele haben in 20 Jahren 70 Prozent der Ferkelerzeuger aufgehört. Bei der jüngsten Umfrage des Verbands hätten von 282 teilnehmenden Betrieben die Hälfte ebenfalls den partiellen oder kompletten Ausstieg angekündigt. Nicht nur die Marktlage, sondern auch unsachliche Auseinandersetzungen mit den Bürgern tragen laut Mugele dazu bei. Der Umbau der Nutztier-Haltung sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, unterstützen die Verbände die Sicht von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir.