Verbotene Vereinigung Artgemeinschaft: Zwei Bewohner aus Kupferzell im Visier der Polizei
Ein Ehepaar aus Kupferzell-Hesselbronn soll einer verbotenen rechtsextremistischen Vereinigung angehören. Der Verfassungsschutz Baden-Württemberg weiß über die verbotene Gruppierung Bescheid. Besteht eine Verbindung zu einem mutmaßlichen Reichsbürger-Treffen im Dezember 2022 in Eschental?

Vermummte Polizisten kommen früh am Morgen. Mit einem massiven Kräfteeinsatz durchsuchen sie am Mittwoch Gebäude eines landwirtschaftlichen Anwesens in Hesselbronn, einem kleinen Teilort von Kupferzell im Hohenlohekreis. Die Aktion ist Teil einer bundesweiten Razzia, die sich gegen Mitglieder und Anhänger der Vereinigung "Artgemeinschaft - Germanische Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung" richtet. Das Bundesinnenministerium stuft sie als rechtsextrem, rassistisch und antisemitisch ein.
Die Durchsuchung des alten Fachwerkhauses in der Kreuzstraße verläuft ohne Zwischenfälle. Das betreffende Anwesen mitten im Ort ist weiträumig durch Flatterband und kontrollierende Polizisten abgesperrt. "Die Maßnahme richtet sich gegen zwei Personen", sagt David Fritsch, Pressesprecher des Landeskriminalamts (LKA) Baden-Württemberg vor Ort. Die Vereinigung vertrete eine nationalsozialistische Ideologie. Festgenommen wird zunächst niemand.
Sektenartiger Verein Artgemeinschaft ist seit August in Deutschland verboten
Der laut Behörden sektenartige Verein ist seit August in Deutschland verboten. Mit der Durchsuchung des Wohngebäudes, einer Scheune und einem Grundstück in der Nähe solle das Verbot durchgesetzt werden erklärt Fritsch. Ein Ziel sei, Vereinsvermögen einzufrieren, um der Gruppe den Nährboden zu entziehen. Außerdem werden Propagandamaterial und NS-Devotionalien wie Orden, Büsten oder Abzeichen gesucht.
"Es war bekannt, dass die Bewohner eine rechte Nähe haben", sagt Kupferzells Bürgermeister Christoph Spieles. Von der nun verbotenen Gruppierung "Artgemeinschaft" habe er allerdings vorher nichts gehört. "Die Bewohner sind damit nicht offensiv im Ort in Erscheinung getreten." Die durchsuchten Gebäude gehören einer Familie, die schon sehr lange in Hesselbronn lebt, sagt Spieles. Drei Generationen leben ihm zufolge dort. Bekannt sei ihm, dass eine Frau bei "Hohenlohe wacht auf" mitgemacht habe. Ein ebenfalls als rechts eingestuftes Bündnis, dessen Mitstreiter schon vor Jahren bei Kundgebungen in Öhringen gegen Flüchtlinge und Politiker hetzten.
Kupferzell war wegen eines Vortrags schon mal in den Schlagzeilen
Menschen in Hesselbronn sei aufgefallen, dass bei der Familie immer mal viele Autos mit Kennzeichen von außerhalb parkten, berichtet Kupferzells Bürgermeister. Dann hätten Nachbarn auch schon mal im Rathaus nachgefragt, ob es dort ein Fest gebe.
Bereits im vergangenen Dezember geriet Kupferzell in die Schlagzeilen. Rund 30 Teilnehmer kamen in einem Hotel im Teilort Eschental zusammen. Sie verfolgten einen Vortrag eines Referenten, der im Verdacht stand, Verbindungen zu "Reichsbürgern" zu haben. Kurze Zeit vor diesem Vortrag waren Umsturzpläne der "Reichsbürger" enttarnt worden. Bei den Organisatoren des Treffens in Eschental soll es sich um die ins Visier der Polizei geratenen Personen aus Hesselbronn handeln. Offizielle Stellen bestätigen diesen Zusammenhang allerdings nicht.
Verein Artgemeinschaft wollte Familien mit Kindern locken
Das baden-württembergische Amt für Verfassungsschutz kennt die Mitglieder der hiesigen Vereinigung. Deren Mitgliederzahl liege im einstelligen Bereich. Dem Umfeld werden etwa 30 Personen zugerechnet. Die "Artgemeinschaft" betreibe inhaltlich eine konsequente Fortsetzung der Ideologie des Nationalsozialismus, sagt ein Sprecher des Landesverfassungsschutzes. Wiederkehrend organisiere der Verein Veranstaltungen mit Brauchtumcharakter. Er biete Neonazis mit Sonnwendfeiern und Glaubensbekenntnis einen kulturellen Rahmen, der auch Familien mit Kindern an die Szene binde.
Die Razzia in Hesselbronn ist die einzige in Baden-Württemberg. Ein Indiz, welche Rolle das Anwesen und seine Bewohner für die Neonazi-Szene im Land spielen. Catherine Kern, Grünen-Landtagsabgeordnete aus Hohenlohe, hält das Verbot der Gruppe für längst überfällig. Diese sei sehr gut organisiert und vernetzt.
Das LKA leitet die Razzia. Kräfte des Polizeipräsidiums Heilbronn, des Präsidiums Einsatz und der Bundespolizei unterstützen die Aktion, um das Vereinsverbot durchzusetzen. Etwa drei Stunden dauert die Durchsuchung. Gegen halb neun zieht sich die Polizei nach und nach zurück. Ob Vermögen, Waffen oder Gegenstände beschlagnahmt werden, sagen die Ermittler nicht.


Stimme.de