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"Reichsbürger" treffen sich in Kupferzell - und sorgen für Entsetzen

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Rund 30 Teilnehmer kamen am Freitag in einem Eschentaler Hotel zusammen, um dort dem Vortrag eines Referenten zu lauschen, der Verbindungen zu den jüngst durch die bundesweite Razzia enttarnten rechtsradikalen Umstürzlern hat.

von Christian Nick
Sie sprechen der Bundesrepublik die Legitimität ab und geben bisweilen auch Pseudo-Papiere aus: "Reichsbürger" sind auch in der Region aktiv.
Foto: Archiv/seeger
Sie sprechen der Bundesrepublik die Legitimität ab und geben bisweilen auch Pseudo-Papiere aus: "Reichsbürger" sind auch in der Region aktiv. Foto: Archiv/seeger  Foto: Patrick Seeger

Vor anderthalb Wochen hat die bundesweite Razzia gegen sogenannte "Reichsbürger", die den Umsturz der demokratischen Ordnung geplant hatten, für Aufsehen gesorgt. Am vergangenen Freitag haben sich, wie zunächst der SWR berichtete, nun rund 30 Menschen, die der "Reichsbürger"-Szene angehören, in einem Hotel in Kupferzell-Eschental getroffen.

Pikant dabei: Der dort sprechende Referent, der Tübinger Ex-Lehrer Matthes Haug, der einen Vortrag mit dem Titel "Das Deutsche Reich von 1871 bis heute" hielt, ist nicht nur seit Jahren in der entsprechenden Szene aktiv, sondern gehört auch zu denjenigen Personen, deren Wohnung im Zuge der "Reichsbürger"-Razzia durchsucht worden war.


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Als Weihnachtsfeier getarnt?

"Wir als Gemeinde wussten davon überhaupt nichts", sagt Kupferzells Bürgermeister Christoph Spieles, als die HZ ihn am gestrigen Morgen auf den Vorgang anspricht. "Ich erfahre es gerade von Ihnen." Der Rathauschef zeigt sich verärgert: "Das ist sehr unschön. Wir wollen mit solchen Dingen natürlich nichts zu tun haben - und werden jetzt womöglich als Gemeinde damit in Verbindung gebracht."

Ist der Verwaltung irgendetwas über entsprechende Strukturen in Kupferzell bekannt? "Ich weiß von einzelnen Personen, genauer: von einer einzigen, wo man gemerkt hat, dass sie diesbezüglich angehaucht ist", berichtet Spieles. "Keine Ahnung, warum das nun ausgerechnet bei uns stattgefunden hat. Wenn wir davon im Vorfeld erfahren hätten, hätten wir Kontakt zur Polizei aufgenommen, um zu erfragen, was man tun kann."

Nach HZ-Informationen soll das "Reichsbürger"-Treffen im Eschentaler Landhotel Günzburg stattgefunden haben und von den Organisatoren, die dazu beim einschlägig bekannten Messenger-Dienst Telegram eingeladen hatten, als Weihnachtsfeier ausgegeben worden sein. Oskar Eschenweck, Juniorchef des Kupferzeller Gastro-Betriebs, bestätigt den Sachverhalt auf Nachfrage: "Die Veranstaltung wurde von einer Frau aus der Gegend um Künzelsau angemeldet, rund 30 Personen waren da."

 


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Die Geschäftsleitung, versichert der Hotelier, habe erst vom fragwürdigen Hintergrund der Gäste erfahren, als ein Kamerateam auf dem Hof aufgetaucht sei. "Da musste ich schlucken." Man distanziere sich in aller Form von "Reichsbürgern" und deren Ideologie, betont der Gastronom, in dessen Räumlichkeiten nichtsdestotrotz in der Vergangenheit auch schon eine Veranstaltung der AfD stattgefunden hat.

"Wir können uns ja nicht von jedem Gast ein Führungszeugnis zeigen lassen", so Eschenweck. Doch eines ist für ihn klar: Die Anmelderin sei künftig im Haus unerwünscht. Er und seine ganze Familie fühlten sich hintergangen und "richtig beschissen", betont der Hotelier.

Seit fast 20 Jahren in der Verschwörungs-Szene

Nicht nur diesbezüglich agierten die rechten Verschwörungsmythiker offenbar recht konspirativ: Den genauen Ort der Veranstaltung, die zunächst in Braunsbach-Döttingen geplant gewesen war, erfuhren die Teilnehmer erst, nachdem sie sich persönlich per E-Mail angemeldet hatten und von den Veranstaltern gecheckt worden waren. Auch einzelne Hohenloher sollen unter den Gästen gewesen sein, die Mehrheit sei jedoch aus auswärtigen Landkreisen angereist. Vom Charakter der Veranstaltung in der "Günzburg" und dem Inhalt des gehaltenen Referats habe man zunächst nichts mitbekommen, betont Juniorchef Eschenweck: Abgesehen von den Stippvisiten der Servicekräfte sei die Tür geschlossen gewesen. Bürgermeister Christoph Spieles kündigt unterdessen an, er werde "auf jeden Fall" das Gespräch mit den Verantwortlichen des Hotelbetriebs suchen.

 


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Der Hauptredner am besagten Freitagabend, Matthes Haug, tourte nach HZ-Recherchen in den vergangenen Monaten mit seinem Vortrag quer durchs Land - und war einem Bericht der "Nordsee-Zeitung" zufolge im Schattenkabinett der aufgedeckten rechtsradikalen Verschwörer um den mutmaßlichen Rädelsführer Heinrich XIII. Prinz Reuß als Minister für Völkerrechts-Angelegenheiten avisiert.

Auf einer einschlägigen Website namens "deutsches-reich-heute.de" firmiert der Tübinger Aktivist und Buchautor Haug, der offenbar seit fast zwei Jahrzehnten in exponierter Position in der Szene aktiv ist, gar als "Präsident der Nationalversammlung". Bereits 2002 war Haug am Tübinger Amtsgericht wegen Bedrohung angeklagt gewesen, 2008 wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er Gesinnungsgenossen unechte "Reichs"-Führerscheine verkauft hatte.

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