Fragwürdige Geschäfte: Teeladen in Heilbronn firmiert unter "Königreich Deutschland"
Für Verfassungsschützer gehört die Gruppierung "Königreich Deutschland" zur "Reichsbürger"-Szene. Die gewinnt auch Wirtschaftsunternehmen für sich. Die Inhaberin eines Ladens in der Heilbronner Innenstadt weist Umsturzgedanken von sich.

Eine bundesweite Razzia vergangene Woche rückt die "Reichsbürger"-Szene in den Fokus der Öffentlichkeit. Laut Ermittlern plante eine bewaffnete Gruppe einen Staatsstreich. Eine größere Gruppierung innerhalb der "Reichsbürger" stellt nach Angaben des baden-württembergischen Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) das "Königreich Deutschland" dar - kurz "KRD". Deren Anhänger beschäftigen in Heilbronn das Rathaus und die Polizei.
Zwei Läden mit "KRD-Repräsetanz"
Nach Recherchen der Heilbronner Stimme firmieren mindestens zwei Läden in Heilbronn als "Repräsentanzen" des "KRD". Einer davon gehört Andrea Weilbacher. "Wir haben mit Reichsbürgern nichts zu tun", versichert die 62-jährige Inhaberin des Tee- und Kräuterladens Schöpfergarten in der Innenstadt. Sie persönlich stehe für "Schöpfungsgesetze". Ihr Ziel sei nicht der Umsturz Deutschlands.
Das "Königreich" hat den Hauptsitz in Wittenberg in Sachsen-Anhalt. Auf der Website heißt es: "Die Vereinigung steht für einen kompletten Neuanfang des deutschen Staates nach den Grundsätzen des Völkerrechts." Grundlage seiner Staatsform seien zehn kosmische Gesetze.
Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet Gruppierung
Was nach versponnener Esoterik klingt, versetzt den Verfassungsschutz in Habachtstellung. Er beobachtet die "Selbstverwalter". Sie versuchten seit mindestens zehn Jahren in unterschiedlicher Intensität, eigene Staatsstrukturen in Form einer Monarchie aufzubauen, sagt ein LfV-Sprecher. Sie unterhalten eine eigene Bank, die "Gemeinwohlkasse", von der zahlreiche Einzahlungsstellen im ganzen Bundesgebiet existieren sollen. Sie werbe mit einer eigenen "Gesundheits-" und "Rentenkasse" sowie eigenen Verkaufsplattformen, auf denen mit einer eigenen Währung (E-Mark) bezahlt werden soll.
Weiter versuche die Gruppe, Wirtschaftsunternehmen aus unterschiedlichen Branchen in ihr Fantasie-Staatenkonstrukt zu integrieren. Dem Verfassungsschutz zufolge ist das zuletzt in mehreren Landkreisen in Baden-Württemberg gelungen. Dahinter stehe das Versprechen, dass Unternehmen angeblich fortan keine Steuern mehr zu zahlen hätten. Dies werde als Teil eines umfassenden "Systemausstiegs" aus der Bundesrepublik propagiert.
Finanzamt hat ab und zu mit "Reichsbürgern" zu tun
Sie sei ein ganz normaler Mensch, sagt Weilbacher. Sie zahle Steuern für ihr Auto und Pacht für ihr Geschäft. Aber: "Umsatzsteuer zahle ich keine." Wie das? Darauf gibt sie keine Antwort. Mit dem Ordnungsamt der Stadt liege sie im Clinch. Zu den Details machen sie und das Rathaus keine Angaben.
Wer als Unternehmer regelmäßig am Markt tätig ist, muss sein Gewerbe bei der Stadt anmelden, erklärt Katja Konnerth, Leiterin des Heilbronner Finanzamtes. Die Zahlung der Umsatzsteuer sei Pflicht. Auch wer ein Gewerbe nicht ordnungsgemäß anmelde, müsse zahlen. Ebenso Unternehmer, die keine Gewinnabsichten verfolgten.
Eine Ausnahme bilde die Kleinunternehmerregelung. Wer im vorangegangenen Jahr einen Umsatz plus Umsatzsteuer von bis zu 22.000 Euro hat und im laufenden Jahr nicht mehr als 50.000 Euro Umsatz erzielt, kann sich von der Umsatzsteuerpflicht befreien lassen. Finanzämter und Kommunen stehen laut Konnerth im Austausch. Erfahre das Finanzamt von möglichen Verstößen, könne es Betriebsprüfungen veranlassen oder Steuerfahnder vorbeischicken. Mit "Reichsbürgern" in der Region Heilbronn und Hohenlohe habe das Finanzamt ab und zu tun.
Ladeninhaberin stellt "Königreich" offen zur Schau
Andrea Weilbacher führt den Laden nach eigenen Angaben seit April. Ihr vorheriges Geschäft habe sie ordentlich abgewickelt. In der Pandemie habe sie von einem Lehrer, der wegen seines Umgangs mit der Maskenpflicht an Schulen angeeckt sein soll, vom "KRD" erfahren. Zunächst sei sie skeptisch gewesen, habe dann fünf Tage am Hauptsitz in Wittenberg verbracht und sich danach für die Vereinigung entschieden.
Aus ihrer Zugehörigkeit zum "KRD" macht Weilbacher kein Geheimnis. Auf dem Schild an der Eingangstür steht es; ein Aufsteller auf der Theke und das Impressum weisen darauf hin. "Die einen bleiben deswegen weg", sagt sie, "dafür kommen andere."
Polizei prüft mögliche Straftaten
13 Betriebe mit "KRD"-Zugehörigkeit gibt es nach Stimme-Recherchen in Baden-Württemberg. In der Region ist neben dem Teeladen ein Heilbronner Handel mit Essenzen Teil der Gruppierung. In den Impressen wird als Hauptsitz die Gruppierung in Wittenberg angegeben. Aufsichtsbehörde: Königreich Deutschland.
Das Polizeipräsidium Heilbronn prüft nach Angaben von Sprecher Daniel Fessler, ob das Impressum gegen das Telemediengesetz verstoße oder Ordnungswidrigkeiten und Straftaten vorliegen. Solche Betriebe einfach schließen, das geht laut Verfassungsschutz nicht. Eine extremistische Einstellung ist nicht verboten, sagt dessen Sprecher. Erst ein Gerichtsurteil wegen einer konkreten Straftat könne solch einen Schritt nach sich ziehen.
Das "KRD" zieht mit Vortragreihen durchs Land. Andrea Weilbacher stellt ihre Geschäftsräume Mitte Januar dafür zur Verfügung. Ein Referent der Gruppe wolle über das Königreich informieren.