Razzia gegen Rechtsextremisten: Durchsuchungen in Kupferzell
Auf das Verbot der Vereinigung "Die Artgemeinschaft" folgen Razzien bei Rechtsextremisten im Hohenlohekreis. Die große Durchsuchung im Kupferzeller Ortsteil Hesselbronn ist die einzige in ganz Baden-Württemberg. Was über das durchsuchte Anwesen bekannt ist.

Mit einem Großeinsatz hat die Polizei in Kupferzell im Hohenlohekreis das Verbot der rechtsextremistischen Vereinigung "Die Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung" durchgesetzt. Am Mittwochmorgen um kurz vor 6 Uhr drangen Spezialeinsatzkommandos (SEK) in mehrere Gebäude der Vereinigung im Kupferzeller Ortsteil Hesselbronn ein, wie ein Sprecher des Landeskriminalamts vor Ort sagte.
Durchsucht worden seien mehrere Wohngebäude, eine Scheune und ein Flurstück. Ziel sei das "Einfrieren von Vereinsvermögen" gewesen. Zudem sei es um die Sicherstellung potenzieller Beweismittel wie etwa Orden, Fahnen und Büsten, die dem Nationalsozialismus zugeordnet werden, gegangen. Festnahmen habe es zunächst keine gegeben. Die Maßnahme richtete sich gegen zwei Personen. Das Vereinsvermögen soll eingezogen werden, um dem Verein den Nährboden zu entziehen. Die Gegend um das betreffende Fachwerkhaus wurde weiträumig abgesperrt. Ab 8.30 Uhr zieht sich die Polizei nach und nach zurück, weil die Durchsuchung beendet ist.
Razzia bei Rechtsextremisten in Kupferzell – Bürgermeister äußert sich
"Es war bekannt, dass die Bewohner eine rechte Nähe haben", sagt Kupferzells Bürgermeister Christoph Spieles. Von der nun verbotenen Gruppierung "Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung"" habe er allerdings vorher nichts gehört. "Die Bewohner sind damit nicht offensiv im Ort in Erscheinung getreten." Bei dem durchsuchten Anwesen handelt es sich um die Gebäude einer Familie, die schon sehr lange in Hesselbronn lebt, sagt der Bürgermeister. Drei Generationen leben dort.
Bekannt sei ihm, dass eine Frau bei "Hohenlohe wacht auf" mitgemacht habe. Ein ebenfalls als rechts eingestuftes Bündnis, deren Mitstreiter schon vor Jahren bei Kundgebungen in Öhringen gegen Flüchtlinge und Politiker hetzten. Menschen in Hesselbronn sei aufgefallen, dass bei der Familie immer mal viele Autos mit Kennzeichen von außerhalb parkten. Dann hätten Nachbarn auch schon mal im Rathaus nachgefragt, ob es dort ein Fest gebe.
"Die Artgemeinschaft" verboten: Durchsuchungen in zwölf Bundesländern
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums durchsuchten Einsatzkräfte der Polizei am Mittwochmorgen 26 Wohnungen von 39 Vereinsmitgliedern und Räume des Vereins in zwölf Bundesländern. Das Verbot gegen die Vereinigung, die dem Milieu der völkischen Siedler zugerechnet wird, sei mehr als ein Jahr vorbereitet worden. Maßgeblich seien hierbei Erkenntnisse des Verfassungsschutzes gewesen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) beschrieb "Die Artgemeinschaft" als "sektenartige, zutiefst rassistische und antisemitische Vereinigung". Die Ministerin begründete ihre Entscheidung auch mit dem Kindeswohl. Sie sagte: "Diese rechtsextremistische Gruppierung hat versucht, durch eine widerwärtige Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen neue Verfassungsfeinde heranzuziehen.
Razzia im Hohenlohekreis die einzige in Baden-Württemberg
Die Razzia in Kupferzell war im Zusammenhang mit dem Verbot die einzige in Baden Württemberg, wie der Sprecher des Landeskriminalamts weiter sagte. Im Einsatz seien mehr Polizisten gewesen als der Ortsteil Hesselbronn Einwohner hat - gemeldet seien dort rund 100 Menschen.
Laut Bundesinnenministerium umfasst das Verbot auch alle Teilorganisationen der Bewegung, die nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden rund 150 Mitglieder hat. Dazu gehörten sogenannte "Gefährtschaften", "Gilden", "Freundeskreise" und ein Verein namens "Familienwerk". Durchsucht wurde den Angaben zufolge in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen.
Verbot der Neonazi-Gruppierung "Hammerskins" in Deutschland
In der vergangenen Woche hatte Faeser die elitäre Neonazi-Gruppierung "Hammerskins Deutschland" verboten. Vor allem durch die "manipulativ indoktrinierende Erziehung ihrer Kinder" und den Vertrieb entsprechender Schriften sei die "Artgemeinschaft" nicht weniger gefährlich als die "Hammerskins", sagte die Ministerin.
Zur Begründung des Verbots führte ihr Ministerium aus, die Siedlerbewegung verbreite unter dem Deckmantel eines pseudoreligiösen germanischen Götterglaubens ein gegen die Menschenwürde verstoßendes Weltbild. Zentrales Ziel sei die Erhaltung und Förderung der eigenen "Art", was mit dem nationalsozialistischen Begriff der "Rasse" gleichzusetzen sein.
Der Verfassungsschutz führt Siedlungsbestrebungen von Rechtsextremisten in seinem aktuellen Jahresbericht gesondert auf. In dem Bericht heißt es, Ziel dieser Bewegungen sei zumeist der "Erhalt der Deutschen". "Deutschsein" werde hierbei vor allem unter Rückgriff auf den ethnischen Volksbegriff im Sinne der völkischen "Blut-und-Boden"-Ideologie definiert.
Zunahme von rechtsextremen Straftaten in der Region Heilbronn
Eine Zunahme an rechtsextremen Straftaten ist im Stadtkreis Heilbronn und im Hohenlohekreis nach Angaben der Polizei Heilbronn im ersten Halbjahr 2023 zu verzeichnen. Der Fall eines Jugendlichen aus Bretzfeld sticht besonders hervor. Er soll in einem Telegram-Chat geäußert haben, einen Übergriff auf eine Flüchtlingsunterkunft planen zu wollen.



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