Steht die Kochertalbahn-Reaktivierung vor dem Aus?
Nach Kupferzell hat auch der Waldenburger Gemeinderat mehrheitlich abgelehnt, sich finanziell an der weiteren Vorplanung zur Reaktivierung der Kochertalbahn zu beteiligen. Was die Entscheidung für das bis zu 270 Millionen Euro teure Großprojekt bedeutet.

Der entsprechende Tagesordnungspunkt der Sitzung dauerte über 90 Minuten, die Debatte fast eine Stunde: Intensiv rangen die Waldenburger Räte am Mittwochabend, ob die Stadt an der Vorplanung und Standardisierten Bewertung für eine mögliche Reaktivierung der Kochertalbahn partizipieren soll – sich bewusst, dass ihr Votum womöglich Zünglein an der Wage des avisierten bis zu 270 Millionen Euro teuren Vorhabens sein würde.
"Wir können mit Fug und Recht sagen, dass wir als Verwaltung das Gremium dahin gebracht haben, umfassend informiert zu sein", intonierte Rathauschef Bernd Herzog den umstrittenen Themenpunkt, ehe er selbst und Rat Rolf-Dieter Kempis mittels einer 14-seitigen Präsentation Für und Wider der Wiederbelebung aus ihrer Perspektive neuerlich in Erinnerung riefen.
Waldenburg: Intensive Debatte über Kochertalbahn-Reaktivierung
Die Pro-und-Contra-Liste und die kleinteilige Sezierung der Berechnungs- und Bewertungskriterien, die Kempis zu Teilen als "höchst fragwürdig" brandmarkte, verdeutlichten: Sowohl der Bürgermeister als auch Kempis stehen der Wiederbelebung der rund zwölf Kilometer langen Strecke ablehnend gegenüber. Eines der Hauptargumente Herzogs: Die Finanzierung des Eigenanteils an den Bau- und Betriebskosten werde die ohnehin klamme Kommune über zweieinhalb Jahrzehnte derart belasten, dass kaum mehr Spielraum für Anderes sei. Kempis" Kritik oszillierte primär um den Vorwurf der vermeintlichen Schönrechnerei in Kriterien der Machbarkeitsstudie.
Dann hatten die Räte das Wort: Erfreulicherweise setzte sich in der Debatte das sachliche und inhaltlich weitgehend hohe Niveau fort. Heinrich Schüz setzte zunächst zur Gegenrede und einem Appell für die Beteiligung an: "So wenig Vorstellung von der Sinnhaftigkeit des Bahnfahrens wie hier in Hohenlohe gibt es selten."
Die Reaktivierung sei zentral für zukünftige klimaschützende Mobilität und überdies auch ein essenzieller Wirtschaftsfaktor – eben nicht nur für Künzelsau, sondern auch für Waldenburg und den Gewerbepark. Auch Moritz Keller pflichtete bei: In der Präsentation sei "alles, was unklar ist, weil es sich noch entwickeln muss, gegen die Bahn angebracht worden", kritisierte der Befürworter.
Kochertalbahn-Reaktivierung: Skeptiker bezweifeln Nutzen und fürchten zu hohe Kosten
Doch auch die Skeptiker führten ihre Argumente rege ins Feld: "Bei diesen Kosten für zwölf Kilometer Strecke kriege ich Bauchschmerzen", befand Martin Wieland. Kollege Steffen Munz sagte, er habe mit vielen Bürgern gesprochen, die den Nutzen für die Stadt bezweifelten. Und: "Der Radweg auf der Trasse ist erst vor etwas über einem Jahrzehnt eingeweiht worden – und jetzt soll er schon wieder weg?" Ähnlich argumentierten unterdessen auch Falk Kittsteiner sowie Jana Hafner, die sich ebenfalls auf Bürgergespräche und den daraus resultierenden "klaren Auftrag" beriefen.
Daniel Bürkert hatte den Taschenrechner bemüht: Die bis zu 270 Millionen Euro an Gesamtkosten entsprächen der Summe für 40 neue Windkraftanlagen. Das sei doch viel nachhaltiger. Hartmut Winkler indes fürchtete zwar "deutliche Kostensteigerungen" im Zuge einer Umsetzung des Großprojekts, wollte die nun zunächst fällige städtische Planungsbeteiligung von lediglich 13.000 Euro aber trotzdem investieren: "Dann haben wir weitere Informationen."
Die einmalige Chance, für eine – vergleichsweise dann doch geringe – Eigenbeteiligung zu einer vitalen Stadtbahn-Strecke zu kommen, sah Karoline Baumann. "Die Tür kann zugehen. Wir sollten das Geld setzen!" Auch Bärbel Haas-Dimmler outete sich: "Ich werde dafür stimmen." Anne-Cornelia Sitter hingehen gelangte zu gegenteiligem Urteil – nachdem sie bis zuletzt überlegt habe.
Dann also kam es zum Schwur: Mehrheitlich lehnte der Rat die Beteiligung an der weiteren Planung ab – bei einer Enthaltung stimmten nur fünf Mitglieder dafür, jedoch acht dagegen.
Der Bau der Kochertalbahn rückt in immer weitere Ferne – wäre aber richtig, findet unser Redakteur Christian Nick.
Welche Folgen das Votum in Waldenburg mit sich bringen könnte
Was aber bedeutet das nun für die Reaktivierungspläne? Das Großprojekt nachhaltiger und klimaschonender Mobilität steht nun womöglich vor dem Aus. Denn zwei der drei betroffenen Kommunen haben sich klar dagegen positioniert. Und auch praktisch scheinen nun mehrere Gründe gegen eine Realisierung zu sprechen: Zwar könnten Künzelsau und der Landkreis – oder auch ein Akteur alleine – die kompletten jetzt zunächst erforderlichen Planungskosten in Höhe von rund 900.000 Euro übernehmen und die Standardisierte Bewertung so alleine auf die Schiene setzen. Aber dagegen stehen nun die ablehnenden Voten der avisierten Projektpartner.
Ob dies tatsächlich eine Option sein könnte? Dazu wollen aktuell weder Künzelsau noch der Landkreis Stellung beziehen: "Wir bedauern den Beschluss des Waldenburger Rats zur Reaktivierung der Kochertalbahn und respektieren ihn. Jetzt werden wir in Ruhe mit dem Landkreis das weitere Vorgehen abstimmen", heißt es von Künzelsaus Rathauschef Stefan Neumann. "Die Entscheidung über das weitere Vorgehen trifft der Kreistag in seiner Sitzung am 8. April. Wir bitten um Verständnis, dass die Landkreisverwaltung dem nicht vorgreifen wird", sagt Kreissprecher Sascha Sprenger.
Er könne sich "nicht vorstellen", dass der Kreis die Reaktivierungs-Pläne gegen den erklärten Willen der Waldenburger und Kupferzeller Gemeinderäte durchsetzen wolle, bekundet indes Kupferzells Bürgermeister Christoph Spieles. Er sagt aber auch: "Falls die Stadt Künzelsau das Projekt alleine weiterverfolgen will, können die das gerne machen." Wenn die 16.500-Einwohner-Kommune das Schienenprojekt für so bedeutsam halte, werde man in Kupferzell diese Entscheidung akzeptieren. Und Spieles lässt sich auch noch ein Hintertürchen offen. Denn: Wenn sich bei der Standardisierten Bewertung zeigen sollte, dass das Projekt wirtschaftlich sinnvoll sei, werde man sich in seiner Gemeinde "nicht verschließen, in einigen Jahren erneut über unsere Beteiligung zu entscheiden".
Christian von Stetten glaubt noch an die Umsetzung des Großprojekts
Doch es scheint eben noch mehr Hindernisse zu geben: Christian von Stetten, Vorsitzender der Bürgerinitiative "Wir bauen die neue Kochertalbahn", betont zwar, das Projekt sei aus seiner Sicht "noch nicht tot". Aber ob sich sein in der Vergangenheit bereits ventilierter Vorschlag einer alternativen Streckenführung, bei welcher die Kochertalbahn Kupferzell gar nicht anfährt, in der Praxis realisieren ließe, ist mindestens fraglich. Denn einerseits sänken nach Informationen unserer Redaktion damit die für die Förderung vonseiten des Landes nötigen und in der Machbarkeitsstudie festgeschriebenen Fahrgast-Zahlen schnell unter das Mindestmaß – und andererseits steht ebendort geschrieben, dass die Fördergelder nur fließen, "solange der Verlauf der Strecke überwiegend oder weit überwiegend mit den Originalplänen, das heißt zu mehr als 50 Prozent der Streckenlänge, übereinstimmt".
Christian von Stetten indessen sagt ferner: "An den Finanzen scheitert das Projekt nicht. Wir haben ausreichend alternative Finanzierungsmittel für die Planung und den Bau." Der CDU-Bundestagsabgeordnete weiter: "Aber wenn die Bevölkerung keinen Anschluss von Kupferzell an die Stadtbahn Heilbronn will, dann muss das respektiert und alternative Streckenführungen geprüft werden."