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Kleingärtner Dominik Böttcher: "Im Dreck buddeln erdet"

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Vom Leben im Kleingarten: Immer mehr junge Familien bewerben sich. Von Vorurteilen wie Erbsenzählerei, Gartenzwergen und der Freude an der eigenen Ernte.

Dominik Böttcher liebt es, im Garten zu graben und zu ernten. Kleingärtnern, das ist mehr als Blumen und Gemüse, sagt Böttcher. Foto: Yvonne Tscherwitschke
Dominik Böttcher liebt es, im Garten zu graben und zu ernten. Kleingärtnern, das ist mehr als Blumen und Gemüse, sagt Böttcher. Foto: Yvonne Tscherwitschke  Foto: Tscherwitschke, Yvonne

Dominik Böttcher (54) kennt das Stück Land, das er beackert, seit er Kind ist: Sein Vater hatte 28 Jahre die Parzelle in der Blauen Schweiz gepachtet, vor 15 Jahren hat Dominik Böttcher mit seiner Familie das Stück Land in einer der drei Öhringer Schrebergärtenanlagen übernommen. Seit acht Jahren ist er Vorstand der Gemeinschaft. Ein Blick über den Gartenzaun und eine Geschichte von Vorurteilen wie Erbsenzählerei und Gartenzwergen und der Realität zwischen Zwiebeln und duftenden Rosen.

 

Herr Böttcher, wie sieht der typische Kleingärtner aus?

Dominik Böttcher: Früher war das so, dass der in seinen Garten kam, seine Kartoffeln, Karotten und Zwiebeln angebaut hat. Hat keine Laube gehabt, keine Erholung. Der Anbau war wichtiger als heute. Genaugenommen kann man heute für zwei Euro Kartoffeln kaufen. Aber aus Liebe zum Garten baut man sie selber an und die schmecken besser und sind rein Bio. Keine Zusätze. Das schätzen viele und bauen viel Gemüse an, Sträucher, Bäume.

 

So war es früher. Und wie ist es heute?

Böttcher: Eigentlich noch genauso. Nur die Anbaufläche ist kleiner geworden auf der Parzelle, auch damit es weniger Arbeit ist im Stückle. Es gibt aber heute noch Mitglieder, die bauen 100 Tomaten an und leben das ganze Jahr davon, auch von Gurken, die dann eingelegt werden.

 

Wann ist Hochbetrieb?

Böttcher: Das geht so im März, April los. Dann wird alles für die Beete und die Hochbeete vorbereitet. Und wenn man es auf den Tag bezieht, dann geht es im Sommer je nach Arbeit gegen 16 Uhr los. Die ältere Generation ist aber schon morgens ab acht Uhr in der Anlage. Da trifft man immer jemanden. Auch im Winter sind Leute hier, die schauen dann, dass Dinge repariert werden.

 

Was ist ein No-go unter Kleingärtnern?

Böttcher: Diebstähle auf der Anlage sind ein Kündigungsgrund. Das geht gar nicht. Auch Verstöße gegen die Vereinssatzung werden geahndet. Da gibt es zwei Abmahnungen, bei der dritten folgt die Kündigung. Aber das kommt echt selten vor. Für eine Kündigung müsste schon vieles und über einen längeren Zeitraum passieren.

 

Warum bewerben sich junge Familien?

Böttcher: Viele haben eine Wohnung, höchstens mit Balkon. Das ist dann mit zwei, drei Kindern schwierig. Sie wollen den Kindern die Natur nahebringen. Sie wollen mit den Kindern den Garten genießen, hier die Wochenenden verbringen oder den Arbeitstag ausklingen lassen. Die Mütter treffen sich hier, die Kinder spielen zusammen. Die Familien verbringen lieber hier in der Natur die Zeit als daheim vor dem Fernseher.


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Gibt es Nachtruhe?

Böttcher: Samstags ab 17 Uhr ist Arbeitsverbot, keine Maschine, kein Rasenmäher mehr. Auch an Sonn- und Feiertagen ist hier Ruhe. Und abends kehrt ab 22 Uhr Ruhe ein. Wobei mit der Arbeit meist schon gegen 19 Uhr Schluss ist.

 

Und wenn gefeiert wird?

Böttcher: Das ist tatsächlich immer ein schwieriges Thema. Feier sollte beim Vorstand angemeldet sein. So es keine Beschwerden gibt, sagt keiner was. Bei Beschwerden müssen wir aber reagieren. Aber jeder weiß hier, wie laut und wie lang man feiern darf und informiert die Nachbarschaft.

 

Wie viele der etwa 185 Parzellen in den drei Anlagen sind über Generationen in Familienbesitz?

Böttcher: Tatsächlich nur zwei oder drei, die meisten kommen Oma und Opa besuchen, sind dann aber nicht mehr hier oder wollen es selbst nicht.

 

Gibt es Dinge, die man nicht anpflanzen darf?

Böttcher: Cannabis ist verboten. Steht auch in der Satzung. Wir schauen auch, wenn Gärten aufgegeben werden, dass Pflanzen, die giftig sind, entfernt werden. Thuja zum Beispiel sind ja giftig und sollen deshalb hier nicht als Hecke gepflanzt werden. Auch sollen höchstens vier bis viereinhalb Meter hohe Bäume gepflanzt werden, als Niederstämme statt Hochstämme.

 

Es stehen aber doch einige hohe Bäume hier, ein Kirschbaum, zum Beispiel. Was wäre gewesen, wenn die neuen Parzellenbesitzer nicht so viel Schatten auf dem Platz haben wollen?

Böttcher: Wir fragen. Wenn wir einen alten Baum stehen lassen können, sind wir froh. Denn bis ein Baum so wächst, das dauert um die 30, 40 Jahre.

 


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Gibt es unter Kleingärtnern Wettbewerb, wer die größte Tomate, die schönste Blume hat?

Böttcher: Früher gab es das, da wurden auch die schönsten Gärten prämiert. Das spornt auch an. Da wird dann auf Anbau, Pflege, Aussehen geachtet. Aber gerade haben wir mit der Sanierung der Gaststätte viel zu tun, das hat viel Kraft und Zeit gebündelt.

 

Gibt es Regeln zur Gestaltung

Böttcher: Die Regel heißt je ein Drittel Anbau, ein Drittel Erholung, ein Drittel Bäume und Sträucher. Wie viel da jeder investiert auch ins Aussehen und die Deko, das ist auch eine Frage des Geldes.

 

Gibt es noch Gartenzwerge?

Böttcher: Bei mir auf jeden Fall. Wenn ich einen Gartenzwerg kriegen kann, kommt der mit. Gartenzwerge haben immer Zulauf.

 

Wie kommt der Zwerg in Garten? Hat das eine Geschichte?

Böttcher: Zu Fuß (lacht). Darf einfach nicht fehlen. Aber welche Geschichte dahinter steht?

 

Was darf in ihrem Garten nicht fehlen?

Böttcher: Tomaten, Gurken, Salat. Der schmeckt aus dem eigenen Garten einfach besser. Und im Dreck buddeln erdet.

 

Und was darf nicht in den Garten?

Böttcher: Was zu viel Arbeit macht. Wir haben auch russischen Schnittlauch oder bringen immer wieder Pflanzen aus dem Urlaub in Südfrankreich mit. Wir haben hier eine große Vielfalt an Pflanzen und Kulturen und Traditionen. Jeder bringt was mit. Und es gibt ein Sommerfest und es gibt Pflanzenbörsen.


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Müssen Sie mit Ihrer Frau diskutieren, was wie gemacht wird im Garten?

Böttcher: Nein, da gibt es keine Diskussion. Gemacht wird, was die Frau sagt. Sie hat den grünen Daumen, ich bin der Handwerker.

 

Was hat sich mit der jungen Generation Kleingärtner verändert?

Böttcher: Die schauen darauf, dass alles Bio ist, ohne Spritzmittel, ohne Pestizide. Die haben Kinder, die wollen wissen, was drin ist. Der Faktor Freizeit und Erholung in der Natur hat einen größeren Stellenwert als früher.

 

Und ab wann beginnt daheim die Aussaat?

Böttcher: So ab Februar wird ausgesät, damit es hier dann im Frühbeet zeitig losgehen kann.

 

Wie groß ist die Gemeinschaft in den Parzellen?

Böttcher: Groß. Vier Stunden leistet jeder Gemeinschaftsarbeit. Viele machen aber viel mehr Stunden, Hecken schneiden, Vereinsheim sanieren, Brunnen säubern. Aber man hilft sich hier auch, wenn jemand krank wird oder ein Partner stirbt. Es ist eben eine gute Nachbarschaft und Gemeinschaft.

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