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Im Fall Belsenberg: Aus Mord wird Totschlag

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Staatsanwältin fordert 14 Jahre Haft im Fall der in Belsenberg von ihrem Nachbarn ermordeten Frau. Verteidiger plädiert auf neun Jahre.

Der Angeklagte hatte selbst die Polizei zum Tatort in Belsenberg gerufen. Dort fanden die Beamten die Leiche auf dem Scheunendachboden.
Der Angeklagte hatte selbst die Polizei zum Tatort in Belsenberg gerufen. Dort fanden die Beamten die Leiche auf dem Scheunendachboden.  Foto: Hoffmann

Es fließen Tränen am vorletzten Tag der Verhandlung im Mordfall Belsenberg. Zum einen scheint an diesem Tag dem sonst oft lächelnden Angeklagten bewusst geworden zu sein, dass ihm tatsächlich mehrere Jahre Gefängnis bevorstehen. Zum anderen bestätigte sich der Eindruck der Prozessbeobachter, dass der 25-Jährige sich gern selbst bemitleidet. Denn am lautesten schluchzt er, als sein Verteidiger daran erinnert, wie sich das Leben seines Mandanten dramatisch verschlechterte, als erst das Kind in Obhut genommen und er dann noch von seiner Freundin verlassen wurde.

18 Stiche in den Oberkörper

Dass er sein Kind wohl nie wiedersehen werde, hat ihm wohl auch die über ihm wohnende Nachbarin vorgehalten. War das der Grund für die 18 Stiche mit dem Küchenmesser, die dazu führten, dass die 60-jährige Frau verblutete? Das Motiv blieb auch am vorletzten Verhandlungstag vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Heilbronn im Dunkeln. Auch ob sich die Tat in der Nacht vom 29. auf den 30. April 2022 ereignete oder aber erst vom 30. April auf den 1. Mai wurde von der Staatsanwältin Sabrina Klaiber und Verteidiger Thomas Koch unterschiedlich interpretiert.

Leichnam unter Unrat versteckt

Für beide Varianten gibt es Anhaltspunkte. Für die Staatsanwältin ist plausibel: Der Angeklagte kam am 29. April am Abend von der Arbeit, begann zu trinken, hörte laut Musik. Die Nachbarin beschwerte sich, er ging nach oben, mit einem Küchenmesser in der Hand, und stach schon an der Türe auf die Frau ein. Den 80 Kilo schweren Leichnam der Frau habe er nach der Tat in den angrenzenden Scheunendachboden geschleift und mit Unrat und Gegenständen bedeckt, damit man ihn nicht finde. Das hätte er nicht volltrunken tun können, argumentiert die Staatsanwältin, dass die Alkoholisierung keine verminderte Schuldfähigkeit rechtfertige. Angeklagt war der Mord an der 60-jährigen Frau.


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Habgier scheidet aus

Doch Habgier scheide als Motiv aus, erklärte die Staatsanwältin am Ende der Beweisaufnahme, warum sie nun auf Totschlag plädiert. Wohl habe der Angeklagte das Handy und diverse Gegenstände genommen. Doch Geldbeutel und Fernseher waren noch in der Wohnung. Die Tat habe somit nicht dazu gedient, den Diebstahl zu vertuschen. Der Angeklagte habe die Tat gestanden und sei auch vor Gericht kooperativ gewesen. Der Strafrahmen für Totschlag geht von sechs Monaten bis 15 Jahren. Sabrina Klaiber forderte 14 Jahre.

Erinnerungsblitze

Neun Jahre Haft und eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt fordert Verteidiger Koch. Er hält die Nacht auf den 1. Mai für die Tatnacht. Sein Mandant habe sich erinnert, zuvor nicht gearbeitet zu haben. Koch erinnert an die schwere Jugend des in Rumänien geborenen Mannes, der emotional an seine Grenzen gekommen sei, als erst das Kind, dann die Freundin aus seinem Leben verschwunden waren.


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"Ich bin froh, dass der Mordvorwurf fallengelassen wurde", erklärte Koch. Sein Mandant hätte ausreichend Gelegenheit gehabt, sich nach der Tat aus dem Staub zu machen. Stattdessen habe er selbst die Polizei gerufen und auf den Leichengeruch aufmerksam gemacht. Seine gefühlte Wertlosigkeit habe er versucht, durch Wichtigtuerei zu kompensieren, erklärte Koch, warum sich sein Mandant als Vermieter ausgegeben habe, Medien Interviews gegeben und sich in die Ermittlungen der Polizei eingemischt habe. Das Urteil wird kommenden Donnerstag, 16. März, gesprochen.

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