Der Flutgeschichte von Braunsbach auf der Spur
Eine Studie der Uni Tübingen belegt: Ein Flutereignis wie 2016 gab es seit 1600 schon zwei Mal. Die Beweise dafür fanden die Forscher im Grimmbachtal.

Joachim Eberle erinnert sich noch gut an seine ersten Eindrücke, als er nach der Flutkatastrophe 2016 nach Braunsbach kam. "Ich konnte es einfach nicht glauben", erzählt der Forscher am Geographischen Institut der Universität Tübingen. "Ich kannte solche Bilder bislang nur aus den Alpen."
Abgerutschte Böschungen geben Hinweise
Der Starkregen, der die verheerende Gerölllawine durch Braunsbach gespült und Schäden von etwa 100 Millionen Euro angerichtet hatte, flutete auch das etwas weiter südlich liegende Grimmbachtal. Allerdings gab es in der unbewohnten Klinge so gut wie keine Schäden an Bauwerken.
Aber für die Geowissenschaftler öffneten die Fluten Fenster in die Vergangenheit: An abgerutschten Böschungen wurden Schichten sichtbar, die mehrere hundert Jahre zurückreichen. Diese wurden von Eberle und seinen Forscherkollegen untersucht. Das Ergebnis veröffentlichten sie jetzt in den Jahresberichten und Mitteilungen des Oberrheinischen Geologischen Vereins, Band 104.
An zwei Stellen hatten die Wissenschaftler sich die Böschung ganz genau angeschaut: Einmal etwa 400 Meter und einmal etwa 500 Meter vor der Mündung des kleinen Bächleins in den Kocher. In beiden Fällen lagen etwa zwei Meter Bodenschichten frei.
Holzkohlenreste ließen sich datieren
Als die Wissenschaftler dort nicht nur eine dicke Steinlage als Hinterlassenschaft der 2016er-Flut entdeckten, sondern auch drei weitere, ähnlich aussehende Steinlagen fanden, zwischen denen sich Lehmschichten befanden, war ihnen klar: Die Ablagerungen der groben Steine müssen durch ähnliche Wassermassen infolge von Starkregen entstanden sein, wie sie 2016 das Tal hinabschossen. Unter der zweiten historischen Steinschicht fanden die Forscher Holzkohlereste, deren Alter sie per Radiokarbonmethode bestimmen ließen - die Holzkohle wurde demnach zwischen 1477 und 1642 abgelagert.
Es war nicht die Magdalenenflut
Für Koordinator Joachim Eberle, Dozent für Bodenkunde und Geomorphologie, ein klarer Hinweis. "Wir hatten beim ersten Augenschein angenommen, dass eine dieser Schichten von der Magdalenenflut stammt", erzählt er. Im Juli 1342 verursachte dieses katastrophale Hochwasser in ganz Mitteleuropa massive Zerstörungen mit mehreren Tausend Toten - die Wissenschaft vermutet heute, dass es sich um die höchste Flut im zweiten Jahrtausend in Mitteleuropa handelt. Stattdessen bewies die unterhalb der Schichten entdeckte Holzkohle, dass es nach 1600 mindestens zwei ähnlich starke Flutereignisse gegeben hat wie 2016. "Wir haben allerdings keine Hinweise gefunden, wann genau sie stattgefunden haben", erzählt Eberle.
Abspülungen, wie sie sonst nur in Savannen vorkommen
Für den Geomorphologen war die Flut von 2016 ein besonderes Ereignis: Schätzungen beziffern die niedergegangenen Regenmengen innerhalb von 75 Minuten auf 140 bis 154 Liter pro Quadratmeter. Teilweise kam es auf der Hochfläche über dem Kochertal zu flächenhaften Abtragungen, wie sie eigentlich nur aus Savannen bekannt sind.
"Man kann nicht sagen, was künftig sein wird."
"Man kann nicht pauschal sagen, dass es so etwas noch nie gab", fasst Eberle die Ergebnisse zusammen. "Und man kann auch nicht sagen, was künftig sein wird." Die Forscher der Tübinger Universität sind seit 2016 in der Region im Einsatz. In Braunsbach, aber auch in Untermünkheim haben sie einzelne Täler untersucht, arbeiten mit den Gemeinden zusammen und erstellen Handlungsempfehlungen, um gravierende Schäden bei künftigen Starkregenfällen zu minimieren. Da gehe es darum, die Einzugsgebiete der einzelnen Klingen zu ermitteln und Maßnahmen vorzuschlagen, wie dort Wasser zurückgehalten werden kann.
Es könne schon helfen, einen kleinen, unauffälligen Wall aufzuschütten, Drainagen zu verbessern oder Flächen in Grünland oder Obstbaumwiesen umzuwandeln, erläutert Eberle. Die nötigen Messungen ließen sich schon durch hochempfindliche Lidar-Scans, eine seit einigen Jahren verwendete digitale Luftbildvermessung, bewerkstelligen. "Da lassen sich mit wenig Geld recht verlässliche Studien anfertigen."
Ganz werden sich die Wassermassen jedoch nie bremsen lassen. "Es ist unrealistisch, jedes Tal zu verbauen", sagt der Forscher. "Und es ist unbezahlbar."
Quelle: Lea Schönleber, Ana Lucia, Steffen Seitz und Joachim Eberle: "Sedimentologische Untersuchungen extremer Abflussereignisse am Beispiel des Grimmbachs in Südwestdeutschland", Jahresberichte und Mitteilungen des Oberrheinischen Geologischen Vereins, Neue Folge Nr. 104, Seite 291 - 312.




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