Tech in Heilbronn: Hybride Kriegsführung und Cybersicherheit rücken in den Fokus
Am dritten Tag der Tech in Heilbronn ging es um Sicherheit. Experten diskutierten über hybride Bedrohungen, Sabotageakte und die Bedeutung von Cyberschutz – mit klaren Appellen.
Tag drei der Tech in Heilbronn. An diesem vorerst letzten Tag des Netzwerktreffens auf der Theresienwiese liegt der Schwerpunkt auf dem Thema Sicherheit und Verteidigung. Hybride Angriffe auf Infrastrukturen in Europa sind längst Realität, genauso wie Cyberattacken auf Unternehmen jeder Größe.
Tech in Heilbronn: Attacken auf Infrastruktur haben sich vervielfacht
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 habe sein Unternehmen Lastwagen mit zivilen Hilfsgütern in die Ukraine geschickt, erzählt Bernie Wagner von Stackit, der Cloud-Sparte der Schwarz-Gruppe, in der Diskussion mit Frank Sauer von der Universität der Bundeswehr in München und Celia Pelaz vom Datenanalyseunternehmen Spire. „Danach haben sich die Cyber-Attacken auf unsere Infrastruktur vervielfacht.“
Die Sparte habe massiv in Cyberabwehr investiert. Cybersicherheit ist inzwischen auch zum wichtigen Geschäftsfeld für die Schwarz-Gruppe geworden. Doch das Bewusstsein für die Bedrohungslage sei noch nicht überall vorhanden, sagt Wagner auf Frage von „Handelsblatt“-Moderator Christof Kerkmann. Zwischen den Investitionen für Cybersicherheit und den gigantischen Schäden, die durch Angriffe entstehen, klaffe eine gewaltige Lücke.
Cybersicherheit in Europa: Heilbronner Konferenz betont akuten Handlungsbedarf
Frank Sauer, Sicherheitsexperte von der Universität der Bundeswehr in München, unterstreicht: „Das größte Problem ist, dass das Bewusstsein für die Bedrohungslage und die Dringlichkeit der Situation in der Bevölkerung noch nicht so vorhanden sind, wie das eigentlich nötig wäre.“ Dabei sei Europa massiv unter Druck von zwei Seiten: militärisch sei es bedroht von Russland, die Abhängigkeit von US-Technologie sei das zweite große Risiko.
„Und sowohl im Kreml als auch im Weißen Haus sind autoritäre Kräfte an der Macht, die die Demokratie bedrohen.“ Doch durch massive Desinformation, ebenfalls ein Teil der hybriden Kriegsführung, sei es für viele Menschen schwierig, die Gefahr für unsere liberalen Demokratien überhaupt zu erkennen.
Sauer nennt als Beispiel die Anschläge auf Autos in Berlin, Baden-Württemberg und Bayern Anfang des Jahres. Unbekannte hatten Schaum in Auspuffrohre gespritzt und die Autos fahruntauglich gemacht. Dann verbreitete sich das Gerücht, „die Grünen und Robert Habeck“ seien dafür verantwortlich. „Kompletter Nonsens“, urteilt Sauer. Experten gehen davon aus, dass von Russland gesteuerte Agenten hinter den Sabotageakten stecken könnten.
Tech Heilbronn: Es braucht ein Bewusstsein für die Bedrohung und Mut für technische Lösungen
Celia Pelaz urteilt: „Das Bewusstsein für die Bedrohung zu haben, ist der Schlüssel, aber gleichzeitig brauche es technologische Lösungen. „Wir müssen mutig sein, übermäßige Regulierung wird uns nirgendwo hinbringen.“
Im Kleinen müsse jedes Unternehmen eine Strategie für Cybersicherheit haben, mahnte sie: „Man muss Risiken analysieren und damit umgehen und Sicherheit in seine Unternehmensstrategie einbetten.“ Dazu gehörten auch regelmäßige Trainings für die Mitarbeiter.
Sicherheitsgipfel in Heilbronn: Die Zeitenwende ist noch nicht in den Köpfen angekommen
Frank Sauer mahnt auch bessere Bildung an. „In Finnland werden Kinder im Umgang mit sozialen Medien unterrichtet und es wird ihnen beigebracht, wie man mit Informationen umgeht.“ Die Deutschen seien im Umgang mit Risiken und tatsächlichen Angriffen häufig sehr formalistisch – etwa, als es um die Durchtrennung von Versorgungskabeln in der Ostsee ging.
Während Deutschland noch darüber diskutiert habe, ob es mit internationalem Recht vereinbar sei, verdächtige Schiffe aus dem Gebiet auszuweisen, hätten die Finnen und die Balten das längst getan. „Wir denken immer noch, wir können weitermachen wie bisher und dass internationale Regeln noch Gültigkeit hätten. Aber das ist vorbei“, so Sauer. Die deutsche Gesellschaft müsse schleunigst lernen, mit Attacken umzugehen und resilienter zu werden. „Die Zeitenwende passiert.“ Das müsse endlich auch in den Köpfen ankommen.
Europa muss unabhängiger werden bei konventioneller Verteidigungs-Technologie
Das Plädoyer von Marc Witfeld von Arx Robotics, einem Hersteller von Minipanzern für Fronteinsätze, in einem weiteren Vortrag: Europa muss auch unabhängig werden, was Verteidigungs-Technologie angeht. Dafür brauche es junge, agile Unternehmen, die schnell innovative Technologien liefern und ihre Kapazitäten bei Bedarf rasch erhöhen können. „Diese Fähigkeiten müssen unter europäischer Kontrolle bleiben.“


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