Wie ein Historiker die rechte Rede bei der Fackelmahnwache in Heilbronn bewertet
Bei der rechten Fackelmahnwache am 4. Dezember in den Heilbronner Weinbergen werden nach Einschätzung eines Historikers zivile Opfer instrumentalisiert. Die Heilbronner Polizei erschwerte vor Ort eine Presserecherche.

Am Abend des 4. Dezembers - dem Tag, an dem sich die Bombardierung Heilbronns jährt - hat sich auch dieses Jahr wieder eine rechte Gruppierung zu einer "Fackelmahnwache" in den Weinbergen getroffen. Eine dort gehaltene Rede offenbart nach Einschätzung eines Historikers aus der Region, der namentlich ungenannt bleiben möchte, eine moralische Relativierung des Nationalsozialismus.
Militärstrategische Details aus dem Zusammenhang gerissen
Der Historiker hatte auf Anfrage unserer Zeitung den Wortlaut einer Rede gelesen, die dort gehalten wurde. "Das individuelle Gedenken an alle Opfer von Gewalt ist die Pflicht der Überlebenden, eine Erinnerung in den Weinbergen mit Blick auf die Stadt ein würdiges", sagt er. "Aber: Die Zivilisten in Heilbronn sind Opfer eines Krieges, der damit begann, dass das Deutsche Reich unter seiner nationalsozialistischen Regierung 1939 über seine europäischen Nachbarn herfiel."
Selbstverständlich werde in den Geschichtswissenschaften diskutiert, auf Basis welcher Wahrnehmung militärische Entscheidungen getroffen wurden, führt der Historiker aus. "Hier aber dienen die in der Rede aus ihrem eigentlichen Zusammenhang gerissenen und lose assoziierten militärstrategischen Details nicht der Rekonstruktion von Ereignissen, sondern dazu, Erinnern und Schuld in einen anderen Kontext zu stellen." Die gestorbenen Zivilisten würden instrumentalisiert. "Diese Apologetik, das Verschleiern des Warums ist das Gegenteil eines würdigen Erinnerns jedes einzelnen Opfers in Heilbronn, die in direkter Folge der nationalsozialistischen Angriffskriegs starben."
Rechter Redner spricht von "moralisch vertretbaren" Luftangriffen

Bei der rechten Fackelmahnwache hatte der Redner gesagt: "Die Kausalkette, dass den alliierten Terrorangriffen entsprechend deutsche Angriffe vorausgingen, ist schlichtweg falsch." Einige deutsche Luftangriffe seien sowohl moralisch als auch von den damaligen Gesetzen her vertretbar gewesen.
Die Versammlung zum "Gedenken an die Bombardierung" ist nach Angaben der Stadtverwaltung von einer Privatperson angemeldet worden. Angemeldet gewesen seien 50 bis 80 Personen. Als Ort sei von 19 bis 21.30 Uhr der Wartberg vorgesehen gewesen, welcher aber vom zuständigen Polizeiführer geändert worden sei, sagt Rathaussprecherin Claudia Küpper. Die Mahnwache wird eigenen Angaben zufolge vom rechtsextremen Verein "Freundeskreis ein Herz für Deutschland" mit Sitz in Pforzheim ausgerichtet. Es soll einen Heilbronner Ortsverband geben. Mutmaßlich waren am 4. Dezember auch Akteure der rechten Gruppierung "Hohenlohe wacht auf" und der rechtsextremen Kleinpartei "Der dritte Weg".
Heilbronner Polizei behindert Zeitungsrecherche
Die Heilbronner Polizei hatte die Vor-Ort-Recherche unserer Zeitung zunächst erschwert. Polizisten wollten am Wanderparkplatz am Weinsberger Sattel - unweit vom Versammlungsort der rechten Mahnwache - eine journalistische Begleitung des Geschehens unterbinden. Auch nach entsprechender Nachfrage und Verweis auf journalistische Recherche sagte einer der Polizisten: "Weiterfahren. Die Einsatzleitung hat das so entschieden." Nach persönlicher Rücksprache mit dem Einsatzleiter ließ die Polizei eine journalistische Begleitung der Versammlung doch zu - allerdings nur im Beisein von zwei Begleitpolizisten.
Dr. Michael Rath-Glawatz, Medienanwalt der Heilbronner Stimme, hält das Vorgehen der Polizei für fragwürdig. Die Funktion der freien Presse sei hier nicht anerkannt worden, sagt er.
Innenministerium verteidigt Vorgehen der Polizei
Die übergeordnete Behörde, das Innenministerium, teilte mit: Es sei "zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt" gewesen, journalistische Arbeit zu beeinträchtigen. Begleitpolizisten haben man bei der Recherche zur Seite gestellt, weil die Lage unübersichtlich und es dunkel gewesen sei. "Dadurch war es für die Einsatzkräfte nur sehr schwer bis überhaupt nicht ersichtlich, ob und wenn ja, was für Personen sich auf die Teilnehmer der Mahnwache zubewegten und welche Gefahren gegebenenfalls von diesen ausgehen könnten." Die Sicherheit und körperliche Unversehrtheit des Journalisten habe man durch Polizeibeamte als Begleitschutz - im Fachbegriff als "mobiler Medien Safety Point" bezeichnet - gewährleisten wollen. "Diese Vorgehensweise entspricht der seitens des Landespolizeipräsidiums vorgesehenen Maßnahme zur Sicherung der Presse bei mobilen und dynamischen Lagen."
Auch das aber sieht Medienanwalt Rath-Glawatz kritisch. "Die Polizei hat keine Fürsorgepflicht gegenüber Journalisten. Wenn sich Journalisten gefährdet fühlen, informieren sie von sich aus die Polizei."